Fritz Müller-Partenkirchen
Die Firma
Fritz Müller-Partenkirchen

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5.

Die besten Freunde waren sie sonst nicht, die Handelsbank und die Unionsbank. Der Wettlauf um die besten Kunden brachte das mit sich. Utz und Lamprecht gehörten einmal zu diesen besten Kunden, als deren Name im Landmaschinenbau noch den großen Ruhm der führenden Firma ausstrahlte.

Führend dadurch, daß das Kurbelwellengewirr der üblichen Erntemaschinen auf eine Antriebskurbel zurückgeführt wurde. Damals umdrängte die Firma mit verbindlichem Lächeln der Kredit: »Geld, soviel Sie wollen – – bitte zu verfügen,« hatte die Handelsbank gedienert.

»Sie können jede Summe von uns haben,« hatte sich die Unionsbank beeilt, zu versichern. »Wir verdoppeln sie.«

Würdeloser Wettlauf liebedienerischer Instanzen? Nein, sie waren ja selbst Angestellte einer höheren Instanz: Seine Majestät das Geld verlangte Arbeit, schrie nach Arbeit.

Dann hatte die oberste Instanz, die Konjunktur, langsam umgeschlagen. Man begann zu wählen. Mißtrauen ging um. Farben glänzender Erinnerungen verblaßten.

»Utz?« hieß es wägend. »Ist das der, dessen Vater die Einkurbelwelle – –«

»Nein, er selbst ist es.«

»Was, so alt schon? Dürfte schon ein wenig 43 Schimmel auf den Patenten liegen. Legen Sie das Kreditgesuch zunächst mal ab.«

»Darf ich Herrn Direktor darauf aufmerksam machen, daß die Handelsbank bereit sein soll – –«

»Die Handelsbank? Verbinden Sie mich mit ihr.«

So war der seltene Fall eingetreten, daß die Direktoren beider Banken eine gemeinsame Vorbesprechung hatten, in deren Verlauf der herbeigerufene Hauptbuchhalter Zipperer von Utz und Lamprecht den Entscheid in Empfang nehmen sollte.

Zipperer saß im Vorzimmer. Ein wenig atemlos war er eingetroffen. Der Besuch der Amerikaner hatte ihn aufgehalten.

Er hatte sich am Schalter entschuldigt. Der Beamte hatte gnädig genickt. Die Antwort lag auf der Hand: Kleinkredite erledigt man bei uns so nebenbei, gewissermaßen zwischen Tür und Angel –

Zipperer saß ein wenig in sich zusammengesunken und merkte, daß seine Gedanken spazierengingen. Nicht in die Zukunft hinein, sondern zurück, immer mehr zurück. Wie lange war es her, seitdem derselbe Mann am Schalter sich überstürzte: »Nein – – wirklich, verehrter Herr Zipperer, Sie brauchen nicht zu warten. Ich habe strikten Auftrag, Sie sofort vorzulassen!«?

Und jetzt? Der alte Zipperer hob ein wenig müde den Kopf und sah auf die gepolsterte Tür, 44 hinter der die Rivalen über das Schicksal von Utz und Lamprecht verhandelten.

Sicher saßen sie da in ihren Sesseln und wiegten die Köpfe, pafften Rauchwolken zur Decke und berieten hin und her: Den Kredit teilen? Oder ganz verzichten? Die Konjunktur ging zurück. Es riß auch alte Firmen. Vielleicht fielen über kurz oder lang auch Utz und Lamprecht in den Hexenkessel, in dem alles, was fiel, mitleidslos zur bedeutungslosen Masse verarbeitet wurde?

Und dann öffnete sich die Tür. Zipperer durfte eintreten. Mit herablassender Liebenswürdigkeit begrüßten ihn die beiden Gewaltigen.

»Immer noch wohlauf, Herr Zipperer? Ein bißchen – – hm – – schlank geworden im Laufe der Jahre. So geht das, was – – auf und ab – – auf und ab – –«

Zipperer lächelte dünn.

»Wenn sich das Ab auf mich beziehen sollte, Herr Direktor, ich komme schon darüber hinweg. Was indessen unsere Firma betrifft – –«

»Nana,« wurde er wohlwollend unterbrochen. »Nur nicht gleich auf einen Baum klettern, lieber Zipperer. In Zeiten rückläufiger Konjunktur kann man Empfindlichkeiten nicht gebrauchen. Haben Sie die Bilanz selbst aufgestellt, Herr Zipperer?«

Zipperer verbeugte sich bejahend.

»'ne verantwortliche Sache, so 'ne Bilanz, was?«

45 Zipperer schwieg.

»Und – – hm – – dehnbar auch, was? Reichlich Raum für subjektive Bewertungen.« Der Finger des Direktors ruhte auf dem Vermögensposten »Schuldner«. »Das Debitorenkonto ist doch –«

»––unter peinlicher Beachtung der Bilanzierungsvorschriften des Handelsgesetzbuches eingesetzt,« vollendete Zipperer zurückhaltend.

Das Verhör peinigte ihn. Hinter diesem Verhör stand der Schatten des alten Lamprecht: »Die Firma muß gehalten werden!« Und stand der bedrückende Gedanke: Unterschied zwischen dreizehn Pfennigen und zehntausend Mark?

Bevor der Direktor noch weiterfragen konnte, wurde die Tür halb geöffnet. Der Kopf des Beamten von Schalter 17 fuhr halb herein:

»Verzeihung, Herr Direktor – – der Lehrling von Utz und Lamprecht läßt sich nicht abweisen. Behauptet, Herrn Zipperer unbedingt sofort zwei Worte sagen zu müssen und – –«

Ja, und dann schoß die schmale, winzige Gestalt des Lehrlings Franz Lohmann an dem Beamten vorbei, stand ein wenig atemlos, aber nicht befangen in dem Allerheiligsten des großen Bankhauses, starrte aus leuchtenden Augen nur auf den alten Zipperer.

Der Direktor der Unionsbank lachte.

46 »Forscher Junge. Also zwei Worte sind bewilligt. Aber aufgepaßt, junger Mann: Nicht eins mehr. Jedes Wort darüber kostet eine Mark. Eine Lehrlingsmark. Los: Wort eins?«

»Amerikaner,« schnaufte Franz.

Die Gesichter hoben sich. Franz fühlte sich als Mittelpunkt und kostete den Triumph aus. Es kommt nicht alle Tage vor, daß Hauptbuchhalter und Bankdirektoren den Worten eines Lehrlings lauschen.

»Wort zwei, junger Mann.«

Franzens Augen glitzerten. Hinter der Stirn arbeitete es. Es war nicht leicht, alles in einem Wort zusammenzupressen. Dann hatte er 's:

»Millionenpatentverkaufsvertrag.«

»Weiter, junger Mann, weiter!«

Da stieß den Lehrling Franz Lohmann irgend etwas an – – irgend so ein Kerl, der in ihm stak und wuchs mit jedem Tage: Der Kerl, der aus dem Lehrling einmal etwas anderes machen würde.

»Verzeihung, Herr Direktor – – Herr Direktor sagten selbst: Jedes weitere Wort koste eine Mark.«

Ein anerkennendes Lachen, gemildert nur durch die gespannte Erwartung dessen, was noch kam.

»Wie war es weiter?« sagte der Direktor der Unionsbank. »Die Amerikakommission war also bei euch, hat alles besichtigt – – auch die letzten Verbesserungen an euren Maschinen, nicht wahr – – hat 47 sie für gut befunden und euch einen Vertrag angeboten – –«

Franz starrte den Direktor entgeistert an.

»Sie wissen schon alles, Herr Direktor?«

»Nichts weiß ich.«

»Reden Sie endlich!« forderte der Direktor der Handelsbank kategorisch.

Franz blickte zu dem alten Zipperer auf.

»Nur, wenn – – wenn Herr Zipperer es erlaubt – –«

»Herr Zipperer, sagen Sie ihm – –«

Der Direktor der Handelsbank vermochte die Aufforderung nicht auszusprechen. Denn plötzlich war der Direktor der Unionsbank aufgestanden, hatte sich lächelnd verbeugt, des alten Zipperer Arm genommen und ihn hinausgezogen. Grinsend folgte Franz.

Der Direktor der Handelsbank stand starr diesem Abbruch gegenüber. Und als er sich endlich aufraffte und hinauseilte, um irgend etwas zu retten, sah er, über die Milchglasscheiben hinweg, nur noch die drei in friedvoller Einheit in den Wagen des Direktors der Unionsbank steigen.

Wütend drehte er sich um. Sein Blick fiel auf den Schalterbeamten.

»Herr Hempel!« herrschte er ihn an. »Warum haben Sie die Herren nicht aufgehalten?«

Der Beamte verbeugte sich unterwürfig.

48 »Verzeihung, Herr Direktor, es ist mir keine diesbezügliche Instruktion gegeben worden.«

Die Faust des Direktors zertrümmerte beinahe das Schalterbrett.

»Falls Sie es noch nicht wissen sollten, Herr Hempel: Sie sind ein diesbezügliches Rindvieh!«

Die Tür knallte hinter dem Direktor ins Schloß. Herr Hempel saß verdattert hinter seinem Schalter und stellte von Gekränktheit diktierte Betrachtungen über die allzu drastischen Umgangsformen großer Herren an – –

 


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