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7.

Thilde Utz kam jetzt öfter zu Frau Flamm als früher. Was Max Flamm und sie trennte, hatte die beiden Frauen fast enger sich aneinanderschließen lassen.

Sie saßen einander gegenüber. Die alte Frau ließ den Blick auf der jungen ruhen.

»Früher war ich für dich nur ein Vorwand und Umweg, Thilde, wenn du Mutter sagtest, meintest du Max,« sagte sie lächelnd. »Heute, wenn du nicht umhin kannst, Max zu sagen, meinst du seine Mutter. Soll ich mich darüber freuen?«

Thilde Utz fuhr mit der Hand über die Falten ihres Kleides und strich sie glatt.

»Freu dich,« antwortete sie in ihrer betonten Sachlichkeit. »Um seiner selbst willen ist man da. Unwürdig ist es, nur als Umweg für etwas anderes zu gelten.«

Und nach einer kleinen Weile fügte sie unwillig hinzu: »Auch ich will mich nicht als Umweg gewertet wissen.«

55 Frau Flamm wollte etwas aussprechen, das seit langem wie ein Druck auf ihrer Seele lag. Aber Thilde wischte das Wort weg, bevor es da war: »Laß das Zureden, Mutter. Heute weiß ich es genau, was ich immer für ihn war und immer sein würde: Nichts als ein Umweg.«

»Thilde, man darf nicht ungerecht sein. Ein Umweg wozu denn?«

»Zu seinen Maschinen, seinen unseligen Maschinen,« fuhr das Mädchen heftig auf.

»Unselig, Thilde? Schau dich um.«

Ein bitterer Zug um den Mund des Mädchens begleitete die Antwort: »Du meinst die neue Wohnung? Meinst die hübschen Dinge, die ihr euch leisten könnt, seitdem – – seitdem – –«

»– – ganz recht, seitdem Max durch seine Erfindung der Firma neuen Aufschwung gab und Teilhaber von Utz und Lamprecht werden durfte.«

»Das ist doch alles nur äußerlich, Mutter.«

»Sag das nicht, Kind. Wir waren arm – – so arm, daß Max nicht einmal eine ordentliche Schule besuchen konnte – –«

»Und das war, glaube ich, gerade der Grund, weshalb er fand, was den anderen mit ihren guten Schulen und ausgetretenen Denkgeleisen verborgen blieb. Nein, Mutter Flamm, die Armut ist ein Segen, ein heimlicher – –«

»Ja,« nickte die alte Frau und sah auf ihre 56 Hände. »So heimlich oft, daß man links und rechts von den – wie sagtest du? – den ausgetretenen Geleisen im Morast versinkt. Nein, Kind, wir haben allen Grund, den Maschinen für die Wendung unseres Schicksals dankbar zu sein. Ich segne sie und nehme einen späten, lichten Lebensabend gern aus ihrer Hand – –«

»Und ich niemals aus ihrer Hand, was sie mir von einem Manne großmütig überlassen wollen, Mutter,« widersprach Thilde Utz herbe. »Ich bin für alles oder nichts.«

»Stell dir einmal vor, die Maschinen hätten dir den ganzen kirchenmausarmen Mann überlassen. Du hättest doch – –«

»– – mit tausend Freuden Ja gesagt.«

»Was weißt du von der Armut,« lächelte Frau Flamm nachsichtig.

»Als ihr arm wart, hab ich's gern mit euch gehalten, hab ich Max liebgewonnen.«

»Ja, als Tochter des Mitinhabers von Utz und Lamprecht, die den sicheren Boden unter ihren Füßen hatte.«

»Sicher? Weißt du, daß die Erfindung zur rechten Zeit kam? Eine Woche später vielleicht und – –« Sie brach ab.

»Und?«

Thilde stand mit einem Ruck auf.

»Von Bilanzen wirst du ja nichts wissen – –«

57 »Ich weiß nur, ihr beide hättet es redlich verdient, endlich zu werden, was – –«

»– – was Max auch ohne mich zu sein glaubt,« unterbrach Thilde die alte Frau mit bitterem Spott. »Was sagt er, wenn wir uns zufällig treffen? ›Ah, Thilde, du,‹ – und denkt an seine Maschinen. ›Thilde, willst du schon wieder gehen?‹ sagt er – und denkt an seine Maschinen. Daß wir uns, bevor die Amerikaner kamen, auf Tod und Leben stritten, ist ausgelöscht in ihm. Und wenn ich ihn erinnern würde, er ginge mit einem Nicken darüber hinweg: ›Richtig, war das nicht damals, als ich darauf kam, Sieb und Reuterkasten zu zerschneiden?‹ Wenn ich sagen würde – ich sag es nicht –, aber wenn ich sagen würde: ›In der nächsten Woche ist unsere Hochzeit.‹ – er würde antworten, daß er vorher aber noch das und das zu zerschneiden habe. Er zerschnitte unsere Ehe schon im ersten Jahre mit den Messern seiner Maschinen. Lieber bleib ich, die ich bin.«

 


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