Fritz Müller-Partenkirchen
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19.

Nach der Gründung des Trusts war Richard Lamprecht nach Amerika gefahren. Sie wollten ihn dadrüben kennenlernen. Komplimente wurden ihm gemacht, wie fabelhaft er die Sache gedeichselt habe.

Mister Sneel, der Amerikaner, nahm sich seiner an, begleitete ihn zu Festen und Empfängen und versuchte ihm beizubringen, wie man als Mitleiter eines 174 großen Trusts aufzutreten habe. Richard Lamprecht war ein gelehriger Schüler.

Beim Abschied reichte ihm Mr. Sneel die Hand und sagte so ganz nebenbei: »Und was die Quote angeht, lieber Mister Lamprecht – –«

»Welche Quote?«

»Ich meine den Schlüssel, nachdem die Trustgewinne ausgeteilt werden. Ich nehme an, diese Quoten gehen parallel mit Ihrem Umsatz in den letzten sieben Jahren?«

»Stimmt. Dieser Umsatz betrug – –«

»Nicht so schnell, Mister Lamprecht,« lächelte Sneel. »Man kann Quoten nicht aus dem Ärmel schütteln.«

»Aber – –«

»Man kann nicht,« meinte der andere vertraulich. »Nach Ihrer ›ein‹-stimmigen Entscheidung in der Generalversammlung nehme ich an, daß Sie verstehen. Wenn die Differenz genügend groß ist, bin ich mit einem geringen Prozentsatz zufrieden für – – für den Wink.«

»Ich – –«

»Sie verstehen,« lächelte der Amerikaner. »Sie werden Ihren Umsatz im stillen Kämmerlein feststellen. Den werden Sie entsprechend aufrunden – – und an der Differenz bin ich ein wenig mitbeteiligt. Beim nächsten Wiedersehen rechnen wir ab – – all right

175 »Es wird nicht leicht sein, Ihren Revisoren einen erhöhten Umsatz beizubringen. Die verlangen Dokumente.«

»Dokumente lassen sich herbeischaffen.«

Als Richard Lamprecht in die Heimat zurückkam, warteten seiner große Ehrungen. Er hatte kurz vor seiner Ausreise der Landwirtschaftsschule eine bedeutende Stiftung vermacht. Nun rückte die Regierung mit einem Orden an – und warf großmütig den Geheimratstitel hinterher.

Der Chor der Gratulanten stellte sich ein.

Thilde Utz brachte ihren Glückwunsch mit dem Max Flamms zusammen an. Lächelnd dankte Richard Lamprecht.

»Ich weiß, Sie meinen's ehrlich, Thilde. Und der Flamm ebenfalls, wenn er es auch vorzieht, hinter seinem Reißbrett sitzenzubleiben. – Was ich noch sagen wollte: Haben Sie übrigens einmal daran gedacht, daß alles seine Zeit hat, seinen Höhepunkt und seinen Tiefpunkt? Auch das Erfinden.«

Thilde sah ihn voll an. »Sie meinen, Max habe diesen Höhepunkt überschritten?«

»Vielleicht. Die Berichte beginnen sich zu widersprechen.«

»Berichte?« fragte sie verwundert.

»Tja, als Leiter eines großen Unternehmens ist man darauf angewiesen. Ich meine es gut mit Ihnen. Noch ist Zeit – –«

176 »– – die ich nützen soll, mein Schifflein in den üblichen Hafen der Ehe zu steuern?«

»Wir alle, auch die Firma, sind Konjunkturen unterworfen.«

»Ich und meine Neigung haben nichts mit Konjunktur zu tun,« unterbrach sie ihn schroff. »Ich gehöre nicht zu denen, die sich ihren Ehestand errechnen.«

Sie entfernte sich. Andere Gratulanten folgten. Auch Georg Kallhardt, der Gewerkschaftssekretär, war unter ihnen. Und sagte das Übliche.

»Im Namen der Arbeiterschaft?« lächelte Richard Lamprecht. »Machen wir uns nichts vor, Kallhardt. Euch ist mein Orden höchst belanglos –«

»Sie irren, Herr Geheimrat.«

»Hat Ihre Fraktion nicht neulich den Antrag gestellt, Orden unter die Rubrik Kinderspielzeug einzureihen?«

»Ein Witz – –«

»Aber ein guter, Herr Sekretär, muten Sie mir nicht zu, daß ich einen schlechten mache, indem ich Euern Glückwunsch ernst nehme.«

»Warum haben Sie den Orden dann angenommen?«

»Weil er vermutlich unsern Umsatz steigern hilft. Bleiben wir also nüchtern. Ich kenne euern Grundsatz. Am Morgen betet ihr: Tod und Schwefel dem 177 Unternehmer. Und am Abend: Heilig sind die Klassenkämpfe. Habe ich recht?«

»Das ist Fassade, Herr Geheimrat,« lächelte Kallhardt. »Hinter der Fassade wird es immer einen Weg zueinander geben.«

»Wie bei zweien, von denen jeder hofft, daß dem andern zuerst die Puste ausgehen möge. Meinen Sie, ich wüßte es nicht, daß Ihr die ersten wärt, die der Firma einen Tritt geben, wenn sie auch nur leise wankte?«

Der Sekretär brauste auf.

»Und was tätet Ihr? Wenn unsereiner unters Minimum des Lebens sänke?«

»Dafür ist der Staat da, dem wir Steuern zahlen, damit er sich um Euch kümmert, wenn es ums Letzte geht.«

»Ums Letzte?« fuhr Kallhardt erbittert fort. »Das Letzte ist, solange diese Erde steht, das Sterben – – das Verrecken. Verrecken aber, Herr Geheimrat, kann unsereins auch ohne Staat. Nicht ums Sterben geht's – – uns geht's ums Leben, und da müssen wir – –«

»– – uns eben doch vertragen, meinen Sie?« lachte Richard Lamprecht. »So gut es geht, so schlecht es geht – und meistens geht es schlecht – es wird auf dieser buckligen Welt wohl so sein müssen, edler Kämpfer von der Gegenseite.«

»Es muß nicht so sein. Sehen Sie sich Flamm an.«

178 »Sie meinen Ihren Freund?«

»Ich meine Ihr bestes Pferd im Stall.«

»Das könnte Ihnen so passen, uns den Wolkenkuckucksheimer als ideales Muster hinzustellen. Sie werden's schon uns überlassen müssen, aus allen Kräften das herbeizuführen, was unsere Firma groß und größer macht.«

»Firma sagen Sie – und Bankkonto meinen Sie.«

Georg Kallhardt wandte sich zum Gehen. An der Tür erreichte ihn die Stimme Lamprechts.

»Sie vergaßen, Ihre Glückwünsche fertig anzubringen, Herr Sekretär.«

Kallhardt wandte sich um und sah Lamprecht an.

»Am Tage der Bankrottanmeldung.«

Dann war er draußen. Unwillkürlich hatten sich Richards Hände geballt. Sie lösten sich, als sich die Tür öffnete und sein Vater eintrat.

»Ich wollte dir ebenfalls gratulieren, Richard, scheine es aber angesichts der Bankrottanmeldung, die dir eben auf den Hals gewünscht wurde, schlecht getroffen zu haben.«

»Lassen wir das, Vater. Ich freue mich, daß du kommst.«

»Soll ich beiseitestehen, wenn mein Sohn Geheimrat wurde, einen Orden kriegte – –?«

»Du hast Bitterkeit in der Stimme, Vater, weil du – –«

179 »– – weil ich trotz der größeren Plage keinen Orden bekam?« lächelte Heinrich Lamprecht ernst. »Keine Sorge, Richard, wir Alten haben unsere Orden längst zurückgegeben.«

»Ist das alles, was du mir sagen wolltest?«

»Das ist alles – – ach so, zu gratulieren hab ich vergessen. Gib mir die Hand, Richard, und schau mir ins Auge: Du bist tüchtig, Richard, du bist fleißig – – du hast Glück gehabt – –«

»Das ist die Vergangenheit, Vater. Wie lauten deine Wünsche für die Zukunft?«

»Du bist mit Erfolgen über deines Vaters Kopf hinausgewachsen, Richard. Wenn der Weg nach oben sich umbiegt, wenn der Weg sich gabelt, wenn die Schatten wachsen: Halte dein Firmenschild rein, wie ich es dir übergeben habe, Richard.«

 


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