Alexander Moszkowski
Von Genies und Kamelen
Alexander Moszkowski

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Endlich engagiert

Der junge Arzt Dr. Radebeul fuhr aus verzweifeltem Brüten empor. »Eva!« sagte er zu seiner Eheliebsten, »wir müssen doch endlich einmal ein Mädchen bekommen!«

Die Gattin traf für die Dauer einer Sekunde Anstalten zum Erröten, aber sogleich war sie im Bilde. Ja, wirklich, ein Mädchen! ein Mädchen für alles! Es war wirklich die höchste Zeit. Das ging nun schon seit Wochen in diesem gesindelosen Zustand. »Kein Hüsung« ist schlimm, aber ein Hüsung ohne jede Diensthilfe, das ist auf die Dauer gar nicht auszuhalten. Und nicht einmal eine Aushilfefrau war aufzutreiben. Die Inhaberinnen der Vermietungsbureaus hatten sich schon mit dem ewigen Achselzucken sämtliche Achseln ausgerenkt. Nichts zu kriegen, lasset die Hoffnung draußen.

Frau Eva, die Doktorsgattin, mußte standeswidrig selber kochen, und der Gatte half ein bißchen beim Aufräumen in der Wohnung. Das hatte einen Zustand! Wenn er sein Bett machte, hingen die Kissen herum wie die Segel des Fliegenden Holländers, und wenn er seine Bücherei abstaubte, freute sich der Staub, weil er unter seinem Wedel dick und fett wurde.

Eva begab sich nun zum dreißigstenmal auf Suche, auf Entdeckungsexpedition, diesmal ins Vermietungsbureau von Frau Kiekebusch, bis ans andere Ende der Berliner Welt. Bei der herrschte eine komplizierte Methode: die mädchensuchenden Damen bekamen Zettel mit Nummern und Datum. Diese Zettel waren die Zeichen für eine unendliche Polonaise. Trugen sie das Datum vom Februar, dann konnte man etwa im April darauf gefaßt sein, aufgerufen zu werden. Und wenn man schon dran war, dann öffnete sich erst das ganze Verhängnis. 84 Damen drängten sich um den Vorrang, eines der sechs disponiblen Mädchen zu erwischen. Hier war der Siegeswille bei der Minderheit. Die paar Mädchen diktierten einfach die Bedingungen. Das Diktat hätte man ja angenommen, aber auch das half nichts. Denn immer stand schon eine finanzkräftige Ausländerin daneben, die bot das dreifache des Verlangten. Es ging bis zu Preisen, bei denen vormals ein Geheimer Regierungsrat vor Freude irrsinnig geworden wäre. Da konnte eine Berliner Hausfrau nicht mitbieten.

Auch Frau Eva kam über die Präliminarien nicht hinaus, allerdings, es war ihr geglückt, mit einem Dienstmädchen in spe persönlich verhandeln zu dürfen. Die hieß Etelka, stammte aus der tiefsten Tschechoslowakei, verstand sich aber auf Germanisch und kannte die Berliner Verhältnisse.

»Haben Sie Papiere, Ausweise, Zeugnisse?«

»Hab' ich gehabt, sind sich gewesen bei Bruder meiniges in Ukraine, ist sich alles verbrannt, aber Bruder ist gerettet.«

»Sehr erfreulich! Also Sie waren doch überhaupt schon in Stellung?«

»Bin ich gewesen in Stellung, weiß ich aber nicht mehr, ob war in Breslau oder in Lodz, kann auch sein gewesen in Kiew.«

»Verstehen Sie denn irgend etwas vom Hausdienst?«

»Prawda! Versteh ich jeden ganzen Sonntag und fünfmal nachmittag in der Woche Ausgeh. Und wenn Kinder in Familie, versteh' ich, daß Kinder müssen in Pension, weil mir sonstig zuviel Arbeit.«

»Haben Sie wenigstens eine Ahnung von der Küche, können Sie aushilfsweise mitkochen?«

»Doskonala, könn' mir prüfen.«

»Also sagen Sie beispielsweise, wie bereiten Sie eine Majonnaise?«

»Kann ich serr gutt; nemm ich fünf hartgesottene Eier, laß ich weich kochen, stampf in Mörser mit Salz, Mehl und Würfelgrieß, dann fahr ich zu Borchardt und kauf ein Flasch Majonnaise. Und Lohn will ich, weil ich bin serr bescheiden, 200 Mark per Monat und Vorauszahlung von Weihnacht in Juli.«

Schon war sie weg; beschlagnahmt von einer Dame aus Buffalo, die dazwischengerufen hatte, sie gäbe gern 300, wenn nur die Perle augenblicklich mitkäme.


»Also wieder nichts? Auch diese Expedition im Zeichen der unverrichteten Dinge?«

»Ganz im Gegenteil! Es kommt nämlich ganz anders.«

Zwei Stunden später kam Frau Eva nach Haus und flog ihrem Ottmar vor Glück strahlend in die Arme.

»Also hast du endlich etwas gefunden?«

»Jawohl, gefunden.«

»Fest engagiert?«

»Ganz fest.«

»Erzähle, Eva, wie ist das zugegangen?«

»Sehr einfach. Ich habe mich vermietet! Als besseres Mädchen für alles, als Stütze, sozusagen: Hausdame. Glänzende Lohnbedingung. Großartiges Haus in der Alsenstraße. Steinreiche Leute aus Missouri. Denke dir nur, wie wir uns verbessern! Keine Hausplackerei mehr, kein Gelaufe um Dienstmädchen!«

»Na, und ich?«

»Schon alles ausgemacht. Du darfst mich besuchen, wann du willst und wirst dort mitverpflegt. Die Leute akzeptieren ja jede Bedingung.«

»Und unser eheliches Heim?«

»Wir werden es nicht vermissen. Uebrigens, Nachturlaub hab' ich auch!«

 


 


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