Alexander Moszkowski
Von Genies und Kamelen
Alexander Moszkowski

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Das Zahnbürstl

Schon lange hatten wir uns ein kleines Grundstück gewünscht, so etwas Agrarisches, um von den Nöten des Inflations-Marktes unabhängig zu werden. Wir hatten zwar keinen Schimmer einer Idee, wo es liegen könnte und ob es für uns erschwinglich sein könnte, aber wir benamsten es einstweilen »Unser Rittergütchen«, und unsere Phantasie erntete auf ihm bereits Obst und Gemüse. Da bekam ich eines Tages wirklich eine Offerte: Kleines Gärtchen, ein bißchen Ackerland, eine Holzhütte mit zwei Zimmerchen, nördlich Berlin, sofort zu besichtigen und evtl. bar zu kaufen, – das war also der gegebene Fall. Ich steckte für alle Fälle einen Packen Banknoten ein und verfügte mich zur Stadtbahn.

Auf dem Wege dahin kam ich an einem Laden vorbei mit ziemlich eleganter Auslage. Hübsche Toilettengegenstände in verlockender Aufmachung. Und dabei fiel mir ein: du brauchst ja ein neues Zahnbürstl.

Die Inhaberin des Geschäftes war eine pompöse brünette Erscheinung, die mich vom ersten Augenblick an suggestiv beeindruckte. »Soll es etwas Besonderes sein?« fragte sie mit berückendem Mezzosopran.

»Ja gewiß,« entgegnete ich; »das Bürstchen soll sich besonders zum Zähneputzen eignen.«

»Dann kann ich Ihnen etwas ganz Exquisites vorlegen.« – Das Objekt kam zum Vorschein und empfahl sich selbst durch Nettigkeit und Gediegenheit. In mir stand es fest: Nicht ohne dieses verläßt du das Lokal.

»Sie müssen nämlich wissen, mein Herr, wir fabrizieren selbst. Als gelernte Technikerin und Fachmännin in Zoologie kann ich Ihnen versichern: diese Bürste ist ein Nonplusultra. Beachten Sie einmal diese Borsten.«

»Scheinen Schweinsborsten zu sein,« sagte ich.

»Da sie soweit Kenner sind, mein Herr, werden Sie auch begreifen, daß zwischen Schwein und Schwein ein Unterschied besteht. Was die europäischen an Borsten liefern, ist, gegen diese Qualität gehalten, Schund. Diese Borsten stammen nämlich von dem Tunga-Schwein, welches ausschließlich auf Celebes lebt. Wir haben unsere Agenten in allen exotischen Gebieten und vier von ihnen residieren auf unsere Kosten in Celebes, lediglich, um uns mit Prima-Schweinshaaren zu versorgen.«

»Eine Zwischenfrage, verehrtes Fräulein: wieviel kostet wohl dieses Bürstl?«

»Darauf wollte ich Sie eben vorbereiten. Ein Tungaschwein, welches sich von Kartoffeln, Rüben und Eicheln nährt, liefert wohl brauchbare Borsten, aber keine allerbesten. Unsere Versuche haben ergeben, daß die vorzüglichsten Borsten nur auf solchen Schweinen gedeihen, die mit jungen Bananen aufgefüttert werden. Und zwar mit Bananen aus Java. Wir besitzen dort zu diesem Zweck eine eigene Plantage. Und diese Anlage hat uns nicht gereut. Die Borstenzucht, von der Sie hier eine Probe vor Augen haben, beweist die Richtigkeit unserer Maßregeln.«

»Sie wollten mir doch den Preis des Bürstels sagen . . .«

»Wir sind gleich so weit. Bisweilen findet sich trotz aller Vorsorge eine gelbliche Borste darunter, die den Totaleindruck stören würde. Das erkennt man aber erst, wenn das Kunstwerk fix und fertig ist. Wir sind oft gezwungen, Dutzende von Bürsten zu verwerfen, ehe wir eine einzige als gänzlich tadellos in unser Lager aufnehmen. Diese hier ist eine solche. Selbst mit dem Mikroskop werden Sie kein gelbes Pünktchen an irgendeiner Borste wahrnehmen. Ich vermute nunmehr, daß Sie nicht mehr erstaunt sein werden, wenn ich Ihnen den Preis nenne.«

Sie nannte ihn. Er war zum Radschlagen. Da ich aber nicht radschlagen kann, so kaufte ich. Dabei bekam ich noch fünfzig Mark und einen glühenden Blick retour.

Meine Frau hatte am Fenster meine Heimkehr bemerkt, sie lief mir entgegen und rief: »So schnell? Du hast dir's wohl anders überlegt?«

»Getroffen,« sagte ich. »Statt ›Unseres Rittergutes‹ bringe ich hier ein ff-Zahnbürstl für mich, im Kostenpunkt ist es ungefähr dasselbe.«

»Und mir hast du gar nichts mitgebracht? Du bist ein Egoist!«

Sie hatte vollkommen recht und erlebte die Genugtuung, daß mein Egoismus bestraft wurde. Als ich am nächsten Morgen das Instrument in Tätigkeit setzte, hatte ich den ganzen Mund voller Celebes-Borsten, und das Zahnbürstl hatte nicht eine einzige.

 


 


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