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4.
Curtatone

Endlich war die Isonzo-Armee mit der des Marschalls vereinigt; am 25. Mai langte Thurn, der das Kommando von dem greisen Helden Nugent übernommen hatte, in Verona ein; 19 000 Mann tüchtiger Truppen mehr in des tatkräftigen Marschalls Hand, musste sie wohl den Degen, den sie bisher nur zur Wehr geschwungen, endlich einmal nach Herzenslust auch zur Attacke funkeln lassen – vorüber war endlich die leidige Zeit der Defensive; die Offensive begann.

Vor allem muss Peschiera entsetzt werden, Peschiera, das seit sieben Wochen den Kampf der Verzweiflung ficht mit drei Kompagnien Grenzer gegen ein Korps von mehr als 6 000 Mann und einer Unmasse von Geschützen.

Bei dem Umstande, dass die Armee des Königs die ganze Linie des Mincio von Mantua bis Rivoli besetzt hielt, standen dem Marschall nur zwei Wege zum Entsatze der bedrängten, ausgehungerten Festung offen: entweder ein Frontalangriff und Durchbrechen der Linie, was den Befestigungen auf den Höhen von Sona und Santa Giustina und deren starker Besatzung nach ohne bedeutenden Menschenverlust nicht ausführbar schien – oder eine Umgehung des Feindes bei Mantua, die, wenn glücklich und maskiert vollbracht, immensen Nutzen und die größten Erfolge versprach.

Aber es ist gar weit von Verona um Mantua und den See herum durch Blut und Tod bis – Peschiera!

Wird das tapfere Häuflein dort sich so lange zu wehren im Stande sein?

Vielleicht! – Der Marschall entschloss sich zu dem Zuge über Mantua.

Um das Unternehmen so geheim als möglich zu halten, übernahm die Brigade Schulzig am 27. mittags die Besetzung der Vorposten dem Feinde gegenüber.

Als die Nacht anbrach, wurde die Vorpostenkette durch kleine Abteilungen der Garnison von Verona wieder abgelöst, und ohne dass die piemontesischen Vedetten eine Idee davon hatten, war unter ihren Augen diese ganze Brigade in der Entfernung eines Kanonenschusses gegen Südost abgerückt – Verona hatte diese Nacht keine Besatzung als die gewöhnlichen Wachen und Patrouillen; denn um neun Uhr abends war der Abmarsch der Korps auf folgende Art vor sich gegangen.

Zuerst der Marschall, an seiner Seite der künftige Herrscher Österreichs, Franz Josef mit kleiner Suite. Sie ritten gegen Tombetta zu, wo sie sich mit dem Korps des F. M. L. d'Aspre vereinigten, welches von Torre Ponte Pascharo und Castellaro ab die gewöhnliche Straße von Legnago nach Mantua verfolgte.

Um zehn Uhr brach das Korps des Grafen Wratislaw auf und schlug die Straße über Tomba ein; die Reserven zogen gegen Sorga zu, die Kavallerie-Kolonne aber von Nogara aus auf der Poststraße gegen Roverbello.

Es war eine schöne, klare Maiennacht und ringsum schlummerte alles, bis auf die mit fröhlichem Geflüster neuen Kämpfen und neuen Ehren stille zuziehenden Kinder Österreichs und die Patrouillen und Vedetten, die diesen gegenüber längs den Biwakfeuern auf- und abstreiften. –

Die Erde träumt ihren Frühlingstraum! Und während sie schläft, wandert der Mai mit Elfenfüßchen hin über ihre grünen Matten und schwingt sein Zepter, den zarten, weiß beglockten Lilienstängel, um ihre Kindlein zu wecken, die Blumen und die Blüten.

Und sieh! Sie erwachen und riegeln die wunderklaren Äuglein auf.

Der Mai ist kommen! Heraus, heraus! Die Mutter schläft, lasst sie uns schmücken zu ihrem Auferstehungstag!

Der Blumen Ruf fährt flüsternd hin über die Gräser und Sträucher und hinan ins Gebüsch und den Olivenwald! Und die Knospen brechen ihre zarten Hüllen, und die Blumen öffnen ihre goldenen Kelche, und die Blüten senden ihren Duft hernieder auf die schlafende, träumende Mutter Erde, auf der tief drunten die Gräser auch erwachen und stolz die schlanken Köpfchen hebe, die sie über Nacht mit einem neuen, maigrünen, spitzen Käppchen schmücken, weit schöner als das war, das ihnen der kalte Herbstwind versengt; und die Halme recken und dehnen sich und lassen die bärtige Ähre in die Höhe schießen und zitternd, schwankend leise singen im Abendwind! O Erde! Wie wärest Du so schön, wenn nie ein anderer Hauch als der des Friedens über Dir wehte! Doch die Ruhe der Nacht entflieht und mit ihr die Poesie des Frühlings – und des Friedens! –

Schnaubende Rosse jagen durch das Gefild, das der Mai über Nacht mit seinem Blütenregen befruchtet, lange, dichte Kolonnen ziehen über Flur und Feld und achten der zertretenen Blümlein nicht, die gebrochen zu ihnen aufblicken mit den flehenden Augen, in denen eine Tränenperle schwimmt! Pfeifende Kugeln sausen durch den Wald, splitternd die grünen Olivenzweige, die leise klagend niederfallen, harrend, dass sie die Taube des Friedens hinaustrage in die weite Welt! –

Vor dem Quartiere der Kommandanten der toskanischen Truppen zu alle Grazie, zwischen Curtatone und Montanara, langte gegen den Abend des 28. Mai ein Adjutant des Generals Bava mit einem Schreiben an, dessen Anfang also lautete:

»An den General Langier!

Einige Berichte, die ich jedoch für übertrieben halte, besagen, dass in der verflossenen Nacht eine österreichische Kolonne, deren Stärke 6-8 000 Mann – wohl überschätzt wird, von Verona aus die Richtung gegen Mantua eingeschlagen habe. – Da es unter gegenwärtigen Umständen etc. etc.«

Der Marsch der Armee war also wirklich nicht bemerkt worden, und die kühne Flankenbewegung gegen Mantua gelungen.

Tags darauf gegen Mittag sah sich General Langier statt von »stark geschätzt« 6-8 000 Mann, von vier Divisionen und den Reserven, der ganzen Macht Radetzkys, angegriffen. –

»Sis Felix Schwarzenberg!«

Dieser »militärische Diplomat« zog mit den Brigaden Benedek und Wohlgemuth voran. Clam und Strassoldo rückten gegen Montanara, Fürst Lichtenstein gegen Buscoldo am Osone vor. –

»Nichts tiraillieren! Sobald die Artillerie plaziert ist, stürmen wir!« rief Held Benedek mit hallender Stimme, als er mit seiner Brigade sich an dem Saume der hier sehr dichten Kastanien- und Olivenanpflanzungen endlich Curtatone gegenüber rechts und links der Straße entfalten konnte, und ein tausendstimmiges, kampffreudiges Hurrah scholl ihm für diese »Konzession« entgegen.

Die breiten Wasserabzugsgräben hinderten hier wie überall im Flachlande des mittleren Italien die Manöver der Kavallerie und Geschütze: da donnerten schon die schweren, breitgleisigen Brücken-Equipagen heran und waren einen Augenblick darauf, mit der Schnelligkeit und Rührigkeit, die außer den Ameisen nur unseren Pionieren eigen ist, von diesen auch schon abgeleert, und die schweren Eichen-Bohlen wie unter Zauberhänden zu festen, schönen Brücken gefügt. –

Diese waren noch warm, als schon die Kanonen und Haubitzen rasselnd und brummend darüber hin und vor der Schanze von Curtatone auffuhren.

»Lad't!« und »Feuer!«, erscholl es fast in einem Moment, und schon blitzten die verrauchten Feuerrachen sprühend auf, schon pfiffen die sausenden Kugeln die Schanze prasselnd hinan, schon beschrieben die gurrenden Granaten und zischenden Raketen ihre leuchtenden Bahnen durch die Luft.

Und von oben herab erdröhnte ebenfalls Schuss auf Schuss, und die Kugeln schlugen prasselnd nieder vor die des Sturmes gewärtige Brigade.

Da zischte es plötzlich droben in der Schanze helllohend auf, ein entsetzlicher Knall erschütterte die Luft und dicker, schwarzer Qualm legte sich wie ein Leichenmantel auf den Wall von Curtatone.

Eine Rakete hatte oben in einen Pulverkarren geschlagen.

Jetzt war es Zeit, rasch die Verwirrung benützt!

Zum Sturme!

Die Trommeln rasseln den wirbelnden Sturmschlag, die Signalhörner schmettern ihre Sturmweise mit hastigen, kurzen Stößen! Fürst Felix Schwarzenberg und Benedek springen von den Pferden und mit lustigen »Mir nach!« voran ihren geflügelten Reihen und hinan gegen die Schanze. –

Doch die Toskaner standen ihren Mann; der erste Sturm ward abgeschlagen!

Da erbraust in der Taltiefe unten abermals der Trommel- und Hörnerruf zum Sturme.

Und abermals erbebt die grüne Erde unter den Sprüngen einer frischen Brigade, der von Wohlgemuth und – Hurrah, hurrah! Ertönt es aus den Reihen der Reserven: Hurrah Paumgarten, vivat Döll! –

Zwischen dem See und der Schanze stand nämlich, wie gemacht zu einem Positionspunkte, eine kleine Häusergruppe auf einem gegen Curtatone zu abgedachten Hügel. Diese gewann und besetzte Oberst Döll von Paumgarten mit einem Bataillone, und von den Dächern dieser improvisierten Festung aus sandte er Verwirrung und Tod in den Rücken der Schanzenverteidiger.

Plötzlich erschallt rechts und links zugleich neuer lustiger Schlachtruf! Dort ersteigt Major Lilia von Paumgarten, da Major Seiffert von Gyulai, und in der Front Graf Neipperg an der Spitze eines Bataillons Oguliner die Schanze fast zu gleicher Zeit! Hurrah! Curtatone und der Sieg sind unser! Der Feind flieht in heilloser Verwirrung Goito zu! Charakteristisch für die »rücksichtslose« Flucht der Toskaner ist das Faktum, dass ihr General Langier von ihnen überritten wurde.

Inzwischen war auch Montanara von Clam und Reischach genommen worden, und die Verfolgung des Feindes begann.

Da konnte die Infanterie rasten – nach zweimaligem Stürmen und fliehende Italiener einholen zu sollen, das wäre etwas zu viel verlangt.

Dafür rückten nun die Kaiser-Ulanen vor, und rechts und links sprengten die flinken Polenrösslein über die Felder hin.

Was die nicht fingen, brachte Lichtenstein, dem die Toskaner selbst in die Hände liefen.

Dies Konglomerat aus »armen Narren« alter italienischer Nationen:

»…Abbati, Literati,
Possidenti, Avvocati,
Corciati…«

sandte der Marschall nach Theresienstadt. –

Und der 30. Mai, als die Schlacht bei Goito geschlagen war und der Weg nach dem Garda frei stand – traf den Marschall die Nachricht von der Kapitulation Peschiaras. –


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