Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

4.
Nelke Nr. 1.

»Bei meiner Seele! Das begreife ich nicht! – Wärest Du es nicht, der es mir sagt, so hielt' ich die ganze Sache für einen miserabel erlogenen Puff! – Dies Mailand soll gestern insurgiert gewesen sein, und heute hat es schon wieder Elle, Schurzfell und Schlafmütze an wie sonst an ehrlichen Werktagen!«

Also ließ sich ein Offizier, nach den dunkelblauen Aufschlägen und gelben Knöpfen vom Regimente Gynlai, vernehmen, der soeben an der Porta Tosa aus dem Omnibus der Eisenbahn mit Sack und Pack abgestiegen, nur gefolgt von seinem Privatdiener und einem Träger, an der Seite eines etwas jüngeren Offiziers von den Jägern, der ihn erwartet hatte, über den Corso der Piazza della Fontana zuschritt. »Pah! Sprach er weiter, als sie auf der Höhe des Platzes angekommen, sich alsbald von dessen auf- und niederwogenden Menschenmassen umflutet sahen, »das wäre mir das wahre Aussehen einer Stadt, die Lust hat, bombardiert zu werden! Bei Gott! Sogar Theater! Oper! He, halt einmal, Werner!« rief er seinem schweigsamen Kameraden zu, der mit ernster Miene, in eine Rauchwolke gehüllt, aus der die glimmende Zigarrenspitze wie das glühende Auge eines Zyklopen heraus funkelte, durch die bewegte Menge dahin schritt.

Sie standen an der Ecke der Contrade larga, an der ein riesenhafter rosenroter Zettel für den Abend Verdis: »Macbeth« mit dem Ballet: »I Flibustieri!« worin Fanny Elsler auftreten sollte, mit allem Aufwande italienischen Bombastes als »zum ersten Male« ankündigte.

»Macbeth! Die Elsler! Da müssen wir hinein, Werner!« sagte der Angekommene nach einem flüchtigen Blick auf den Zettel.

Der Angeredete nickte zustimmend mit dem Kopfe und sprach dann langsam und ernsthaft: »Komm mit, Bruderherz! Einige Schritte weiter; ich will Dir, nun du den Zettel gelesen, den der Impressario für die Oper ausgibt, auch den zeigen, den die Milaneser für das Drama der Zukunft angeschlagen!« Und er griff die Hand seines Freundes und zog ihn einige Schritte vorwärts an die Seitenfronte des vizeköniglichen Palastes, dessen lichte Wände der ganzen Länge nach mit den rohen Banditenparolen jener Zeit bekleckst waren, als: »Mori barbaro, odiate tedesco! – Morte al tedesco – Evviva Carlo Alberto e l' unita Italia!« und vorne an der Hauptfassade stand in riesengroßen Buchstaben: »Palazzo d' affitarsi nell' anno 1848!« Palast anno 1848 zu vermieten.

»Mein lieber Werner!« entgegnete der ältere der Offiziere darauf mit einem geringschätzigen Lächeln: »Das ist alles schon hundertmal da gewesen! Ich will gerade nicht in Zweifel ziehen, dass es zu irgendeinem Konflikte mit den heißblütigen Narren kommen kann; aber was wird denn das bedeuten? Sie fangen immer auf dieselbe Art an, Revolutionen zu machen, und hören immer auf dieselbe Art auf – nämlich: man nimmt ein Wort, eine Phrase, einen Namen als Schiboleth und Losung, man schreibt dies auf Kirchen und Paläste und lässt es erklingen – aber vorsichtig, in stiller Nacht, dann dingt man ein paar armselige Burschen mit Stiletten und lässt sie los auf eine harmlose, isolierte Schildwache, dann wartet man, ob kein Alarm losgeht mit Trommelruf und Trompetenschall: erklingt so etwas, so rennt man davon, dass das Pflaster raucht! Immer die alte Geschichte!«

»Mein Freund!« erwiderte Werner ernst. »Du brauchst nur so viele Tage in Mailand zu bleiben, als Du jetzt Stunden hier bist, so wirst Du die Erfahrung machen, dass die gegenwärtigen Zustände ganz anderer Natur sind, als dass man ihnen den Maßstab ähnlicher vorhergegangenen Emeuten anlegen könnte. Nichts zu erwähnen von den tausend tödlichen Beleidigungen, den leichtsinnigen und maßlosen Angriffen, die unsere Garnison und jeder, der deutsch spricht, zu leiden hat: aber die Gärung wird mit jedem Tage bedenklicher – sie wird vom Adel geleitet und durchdringt alle Stände, und wie sie früher nur in der hitzigen Signoria sich äußerte, so hat sie nun auch den ruhigen Colono erreicht!«

»Ei was! Gärung!« versetzte der andere, »hat es denn aufgehört in Italien zu gären, seit die gelbe Tiber sah, wie die Macht Roms verfiel? Mag es gären, zu einem offenen Bruche und einem Auftreten danach kommt es doch nicht!«

»Das ist es eben!« sagte Werner in edlem Zorne erglühend, »es ist bereits dazu gekommen!«

»Hoho! Das ist das erste Wort!«

»Ja, ja, lieber Bernard!« bekräftigte Werner, »Du hast wohl schon in Monza gehört, was gestern hier tagsüber vorfiel; was aber darauf geschah, weißt Du nicht, und das ist erst des Pudels Kern!«

»Nun was denn, zum Teufel! Du machst mir förmlich Angst um meinen Urlaub! Sprich doch!« rief Bernard mit neugieriger Miene.

»So höre denn!« berichtete Werner darauf: »Gestern Abend, gegen zehn Uhr war die Ruhe hergestellt. Dass – und wie sie gestört worden, haftet allein an den unverbesserlichen Herrn vom Jokei-Club, nie an unseren braven Soldaten, die bisher alle möglichen Schikanen mit einer wahren Lammsgeduld an sich ergehen ließen. Und dennoch ward noch nachts gleich nach Säuberung der Straßen die schmählichste Farce gespielt: der Podesta nämlich erschien mit dem Club in feierlicher Prozession im Palaste Marine beim Grafen F., den sie förmlich stürmten mit den anmaßendsten Beschuldigungen gegen die Soldaten, und der Gouverneur ward dadurch vermocht, einen der merkwürdigsten Zuschriften an den Feldmarschall zu senden, worin das Rauchen der Soldaten eine Provokation genannt und dessen Verbot verlangt wird!«

»Warum nicht gar?« warf Bernard erstaunt fragend ein. »Ja, ja Freund!« entgegnete mit finsterer Stirne der Erzähler, »Du kannst Dir denken, in welchem Tone der edle Marschall auf diese Zuschrift antwortete; man sagt sogar, er habe resignieren wollen gegenüber dieser Effronterie und unzeitigen Nachgiebigkeit, indes ist er zu sehr Patriot dazu und gar wohl überzeugt, dass er allein der Mann ist, hier Österreich zu halten, das bald keine anderen Stützen mehr da hat als die Treue seiner Armee. Sein heutiger Generalsbefehl desavouiert jenes Gerücht vollständig! Aus dem spricht einmal wieder die alte Energie und Klarheit unseres geliebten Führers – aber er nennt darin auch die Revolution hier eine vollendete Tatsache!«

»Hm! Das wäre doch der Teufel, dass da nicht einzuschreiten wäre«, sagte Bernard nachdenkend, »ich meine, finge man die Brut, die Contis und großen Herren, und steckte sie hinter Schloss und Riegel, so hielte da ordinäre Pack wohl Ruhe!«

Werner wollte eben etwas erwidern, als er plötzlich stutzig stehen blieb, seine Hand mit einem krampfhaften Rucke aus dem Arme seines Begleiters zog und diesen mit einem unartikulierten leisen Schrei und halb erhobener Hand auf eine verschleierte Dame aufmerksam machte, die vom Portale des Domes her mit langsamen Schritten quer über die Piazza des Corso, auf sie zukam.

Die Dame war schlank, groß, und der Anmut der Bewegung und Form nach, jung; dass sie schön sei, hätte die Bewegung und das Nachstarren der sie Begegnenden zur Genüge erraten lassen, wenn nicht eine kleine Hand, die in dem Augenblicke, als die Offiziere vorübergingen, den Schleier hob und über den Samthut zog, diese Annahme zur siegenden Gewissheit gemacht hätte.

Sie stand eine Sekunde stille, wie um ihnen den vollen Anblick ihrer phänomenartigen Schönheit zu gestatten; ihre großen, braunen Augen flogen wie bannende Blitze von dem einen auf den anderen, während ein leichtes, entzückendes Lächeln um ihre feinen, rosigen Lippen spielte; dann ließ sie den Schleier – und mit ihm eine Nelke von dem dunklen, feurigen Rot der »brennenden Liebe« fallen und schritt langsam weiter.

Die Nelke lag zu Werners Füßen.

Bernard, obgleich erstaunt und völlig verdutzt über den Anblick des schönen Mädchens, war es noch mehr über das Gebaren seines Freundes, der die Nelke mit fieberischer Hast aufhob, küsste und mit flammendem Gesichte in das Knopfloch steckte, ohne der höhnischen Mienen der Vorübergehenden zu achten, deren leiser Spott dafür auf Bernards Antlitz eine dunkle Zornesröte trieb.

»Was ficht Dich an bei allen Teufeln!« grollte er Werner zu, »dass Du da bei helllichtem Tage und vor dem Dome grad' halb ohnmächtig wirst um einer Phryne willen und ihren Selam küssest trotz Uniform und Degen?«

Werner antwortete nicht, aber der kräftige Druck seiner Hand, die er wieder in den Arm des Freundes gelegt und die Hast, mit der er diesen fortzog, ließen erkennen, dass er eine Erörterung seiner Herzensangelegenheit auf der Straße nicht wünsche; Bernard folgte ihm geduldig, aber missmutig über den Domplatz in das Café del' Commercio, wohin dieser seine Schritte lenkte. Dort schickte er seinen Burschen mit dem Träger voraus in das Hotel Reichmann, wo er zu logieren gedachte, und setzte sich mit Werner an eines jener kleinen Tischchen, die, nur für ein paar Menschen berechnet, die bequemsten Asyle zu vertrautem Gespräche abgeben.

»Nun, ich bin neugierig, was Du da hast mit dieser Fee!« sagte er mit ironischem Tone, den Freund zu einer Erklärung auffordernd.

Dieser aber schwieg noch lange; den Kopf zwischen die Hände gelegt, starrte er in Gedanken verloren vor sich hin; endlich ermannte er sich, erhob das Gesicht, das noch immer von dem freudigen Rot jenes Begegnens erglänzte, und sagte leise und mit innigem Tone: »Ich will es Dir sagen, Bernard, alles – aber nur das eine versprich mir: dass Du nicht lachen wirst!«

»Hm, je nachdem!« meinte, jetzt schon lächelnd, der Angeredete, aber das Lächeln verschwand sogleich von seine Lippen, als er in das ernste Antlitz seines Freundes sah; mit einem leichten Anfluge von Reue reichte er diesem die Hand über das Tischchen und sagte freundlich: »Topp! es gilt, nicht lache ich! Aber nun lass los!«

Und Werner begann: »Es mag ungefähr vier Wochen sein, – ich hatte damals die Inspektion im Lazarett – als ich einmal spät nach dem Theater an dem Gitter des Volksgartens entlang, der Porta orientale zu schlenderte. Ich dachte gar nichts, auf Ehre, und war schläfrig. Aber dennoch ermunterte sich alles in mir, als hätte mich der Blitz getroffen, als ich, von der großen Orangerie quer den Linienwall durchschneidend, gegen die Torwache kam und das Tor durch die sämtliche Wachmannschaft förmlich verkeilt fand. Alles schrie und räsonierte durcheinander; mein erster Gedanke war: ein Attentat! Ich zog schnell den Degen und durchflog den Wall – aber da ertönte durch und über das Gesumme der rauen Soldatenstimmen ein Hilferuf, ein Wehschrei, wie ihn nur der tödlichste Schmerz der Menschenbrust zu entreißen vermag, aber dennoch so süß, so ergreifend, dass mir einen Augenblick lang förmlich das Herz stehen blieb, als dränge es die schlagenden Blutwellen zurück, um den ganzen Himmel des Wohllautes zu fassen, den jene sanfte, zitternde Stimme ihm auftat mit dem sinnberückenden Schmelze, der in dem Tone lag, mit dem sie rief: »Deh! Ajuto! Per amore del cielo!«

»Na – nur weiter!« sagte Bernard trocken, ohne eine Miene zu verziehen; aber er rückte ungeduldig hin und her auf der Polsterbank, als ob er sich vor dem Verlaufe dieser Eröffnung fürchte, die, dem Eingange nach, ebenso wenig kurz als lakonisch auszufallen drohte.

Werner errötete leicht und warf einen vorwurfsvollen Blick auf das kalte Gesicht seines Freundes, ehe er fortfuhr: »Nun wusste ich ungefähr, um was es sich handelte: Eine Dame in Bedrängnis oder Gefahr und unfähig, sich der Wache zu verständigen, die, wie ich mich vom Mittag her erinnerte, von »Albrecht« war. Ich drängte mich rasch durch die schwadronierenden Magyaren durch und erblickte – sie, die Du heute sahst –«

»Die Dame mit der Nelke?«

»Dieselbe, auf den Knien vor dem Wachkommandanten, dessen Hände sie in ihren wunderkleinen hielt, bemüht, denselben zu einer Hilfeleistung für ihren plötzlich krank gewordenen Vater zu bewegen. – So ergriffen ich von der schmerzlichen Angst und dem Klagetone des schönen Wesens war, konnte ich dennoch bei Gott nicht umhin, laut aufzulachen, als ich den sonderbaren Ausdruck in dem Gesichte des Korporals sah. Der treuherzige Sohn der Pußta mochte das Anliegen der Dame gänzlich missverstanden und für eine Liebeserklärung genommen haben oder für einen Versuch, ob er in seinem Dienstberufe zum Wanken zu bringen sei: denn nie in meinem Leben sah ich ein Gesicht so sonnig strahlend im Bewusstsein unerschütterlicher Diensttreue: »Va – va!« rief er ein um das andere Mal und suchte seine Hände loszumachen; das gelang ihm aber nicht eher, als bis ich vor die Dame trat und ihr meine Hilfe anbot. – Bernard! Du kennst mich!« sprach der Erzähler nach einem tiefen Seufzer weiter, »Du weißt, dass ich sonst alles andere mehr war, als was man >verliebt< nennt; aber als sie bei meinem Antrage aufsprang mit dem Freudenschrei: >Oh, iddio sia lodato!< Sich an meinen Arm hing – als ihre duftenden, braunen Locken meine heißen Wangen berührten und ich, während sie mir den Unfall ihres Vaters erzählte, meinen glühenden Blick tief versenken konnte in ihre Wunderaugen, die wie Sonnen hingen über einem Himmel voll Duft und Morgenrot: o da vergingen mir die Sinne, als wollten sie ersterben, nun sie sich in dem Zauber des schönsten Weibes gesonnt, über dem sich je Italiens milder Himmel gebläut.«

»Ja, sie ist sehr schön! Und sie erinnert mich – ich weiß es nicht – mit einer Macht an – doch nur weiter, Werner, weiter!« sagte Bernard vor sich hin und strich sich scharf über die Stirne, wie um alte Erinnerungen wach zu rufen.

Und Werner fuhr fort: »Die Dame zog mich fort, so verwirrt noch, dass ich sogar vergaß, mir jemanden von der Wachmannschaft mitzunehmen, und zwar auf der Circumvallationslinie gegen die Münze zu, wo wir richtig unter einem Maulbeerbaume der Allee einen Mann in tiefer Ohnmacht liegend fanden. – Ich hob ihn auf, versuchte nach Anleitung der Dame verschiedene Belebungsversuche, die endlich anschlugen. Der Mann begann langsam und schwer zu atmen, und nach einer Weile erhob er sich mit meiner Hilfe und versuchte zu gehen. – War mein Herz noch voll von dem Eindrucke der Schönheit, deren Bild soeben sich so tief und – auf immer hineingedrückt, so erstarrte es jetzt förmlich bei dem Anblicke dieser merkwürdigen Mannesgestalt. Sie schien, obgleich sie gewiss nicht unter sechs Fuß maß, doch so riesenhaft lang durch ihre fabelhafte Magerkeit, dass sie mich fast erschreckte, als sie sich auf meinem Arme erhob und zu ihrer ganzen Höhe aufrichtete. Und auf dem Rumpfe dieser Gestalt saß ein Kopf, der mir unvergesslich bleibt, solange meine Augen offenstehen. Denke Dir ein scharfes, gelbes, mumienartig vertrocknetes Gesicht, von tausend dunklen Falten durchfurcht, mit matten, scheuen Augen und spärlichem grauen Haare – und dieses Gesicht von einem Zuge voll Wut und Grimm verzerrt, als er, sich aufrichtend, sich in meinen Armen sah. »Abasso, porco tedesco!« stieß er keuchen hervor aus den zusammengekniffenen, bleichen Lippen und versuchte mich mit matter Hand von sich zu stoßen.«

»Aha, ich begreife –«, murmelte Bernard vor sich hin.

»Es hätte dieser Äußerung nicht bedurft«, fuhr Werner fort, »um mich wissen zu lassen, mit wem ich es zu tun habe. Der niedere Hut alla Calabrese, die weiße Halsbinde und Weste des Mannes kennzeichneten ihn genügend als einen Anhänger der Union – und die grabfahle Farbe seines verlebten Gesichtes, das vor der Zeit ergraute Haar ließ mich in ihm einen jener unglücklichen Fanatiker vermuten, die, erlegen dem bestechenden Flitter der Revolutionstheorien, an deren Verwirklichung Ehre, Glück und Leben gesetzt – und verloren haben. – Ich wusste, was ich zu tun hatte, einem kranken, schwachen, wahnsinnigen Greise gegenüber, auch wenn sich nicht neben ihm eine rührende, schöne Gestalt die Hände um Verzeihung bittend zu mir erhoben hätte. Ich führte den Mann schweigend bis an die Porta orientale, wo ich ihn zwei Soldaten übergab, die ihn heimgeleiteten, und sprach kein Wort mehr mit der Signora; aber ich harrte, bis die Convoyanten ihres Vaters zurückkehrten und mir die Wohnung, wohin sie ihn brachten, angaben. Sie wussten wohl keine Nummer, aber das Haus, wo der Hagere und die Signora anläuteten und eintraten, war das erste neben der Kirche S. Babila am Ende des Corso« –

»Nun, und wie verlief die Geschichte weiter mit der Dame?« fragte Bernard gleichgültig.

»Ich sah weder sie noch ihren Vater seitdem wieder, bis heute«, war die Antwort. »Als ich des anderen Morgen das bezeichnete Haus an der Corsoecke aufsuchte und die beiden bezeichnete, sagte man mir, sie seien zeitlich abgereist, und zwar nach Belinzona im Tessin – der Name der Mannes sei: Marco Creppi!«

Bernard zuckte schweigend die Achseln, als ob er sagen wollte, dass ihm der Name unbekannt sei, dann sah er seinen Freund lange an, als erwarte er weitere Eröffnungen.

»Ich weiß«, sagte dieser mit einem schwermütigen Lächeln, »was Du mit diesem Blicke sagen willst: Du meinst, die Sache sei nicht geheuer genug zu einem soliden Verhältnisse und viel zu romantique für eine gewöhnliche Liaison?«

»So ist's«, sagte Bernard ernst, »und ich meine, Du kannst nur die letztere im Sinne haben, denn es geht nach meinen Begriffen durchaus nicht, dass ein kaiserlicher Offizier in ein näheres Verhältnis trete zu einem Manne, dessen erstes Wort ihn als »porco tedesco« grüßte!«

Werner wurde blutrot bei diesen Worten und erwiderte nichts darauf. Aber er schlug freudig ein, als Bernard aufstand und ihm mit freundlichem Gesichte schweigend die Hand bot.

Die Offiziere verließen das öde gewordene Café, denn es ging bereits an die Theaterzeit.

Werner rief Bernard, der in einen Fiaker stieg, um sich früher noch in seinem Hotel zu habilitieren, ein herzliches »Auf Wiedersehen!« zu und schritt langsam, das Herz voll widersprechender Gedanken an dem Palaste der General-Polizeidirektion vorüber, dem Theater della Scala zu.


 << zurück weiter >>