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14.
In der Giudicaria.

Man kann zu allen Zeiten über die Türe einer krautwelschen Osteria mit vollem Fug und Recht die Worte setzen, die Dante über die Höllenpforte schrieb:

»Lasciate ogni speranza
Oh voi, che entrate!«

Denn wer die Schelle einer solchen Wirtschaft mit der Hoffnung betritt, da drinnen nach der Mühsal des Wanderns Ruhe und nach dem Getose der Heerstraße Stille zu finden, der täuscht sich immer gar gewaltig, umso mehr in diesen vertrakten Zeitläufen, wo die alten Stammgäste all' dieser Spelunken, Wildschützen und Schwärzer, von den bramarbasierenden Legionen Aufossis und Manaras verdrängt oder wahrscheinlicher verschlugen, d. h. ihnen einverleibt worden.

Es ist wirklich fabelhaft, was für einen Heidenlärm diese Burschen zu vollführen im Stande sind, und ein rechtgläubiges Kind der Lande an der Donau würde die Ursache dieser bacchantischen Orgien ohne Weiteres wie bei ihm zu Hause als Ergüsse eines Rausches ansehen und – fehlschießen, weil sie hier in dem Nationalcharakter liegen.

Denn der Italiener gehört vielleicht der nüchternsten Nation des alten Europa an – im Trinken nämlich; dafür aber redet er zwanzigmal so viel als jeder andere Bewohner des Erdenrundes. Ist der Italiener allein, so spricht er mit sich, er singt oder deklamiert eine Stanze Tassos, Ariosts oder Petrarcas, deren Lieder dort daheim sind in den Salons der »Herren« wie in der Hütte des Facchino. Ist er zu zweien, spielt er Mora, zu dreien Karte und das überall »zu Wasser und zu Lande, bei Tag und Nacht«; zu vieren wird gestritten – aber immer nur um »des Kaisers Bart!«, zu fünfen gibt's schon »Ghelfen und Ghibellinen«, und so mit Grazie infinitum.

Der Italiener betet laut, er spricht beim Essen, beim Trinken, sogar im Schlafe, der Schäfer redet mit seiner Herde, der Seidenzüchter mit seinen Raupen, der Maultiertreiber mit dem Mulo oder der Mula, die jedes Mal christkatholische oder Helden-Namen tragen – kurz der Italiener macht alles mit dem Maule, besonders – Revolutionen!

Dies mochten ungefähr die Gedanken sein, die um die Mundwinkel eines starken, grobknochigen Tirolers lauerten, der soeben in die Osteria des »oberen Wirtes« zu Prezzo trat.

Das Gelasse war überfüllt mit den abenteuerlichen Gestalten der Freischärler, alle in den verschiedenartigsten Idiomen durcheinander schwadronierend. Jedes Land Europas schien hierher ein ungebundenes Prachtexemplar seines Ausschusses abgegeben zu haben.

Die Stube, deren Fenster geschlossen waren – es machte sich eine kühle Nacht – war in der oberen Hälfte von einer dichten Tabakqualmwolke eingenommen, in der die Köpfe der durcheinander wogenden Legionäre wie die der Geister Ossians im Nebel des Nordlandes verschwammen.

An dem einzigen langen Tische im Hintergrunde des Zimmers war Karte gespielt, in der Mitte des Gemaches unter dem zweiarmigen Lüster standen einige Gruppen, jung und alt durcheinander, die Mäntel und Blusen aufgeschürzt, die Ärmel zurück gestülpt und spielten Mora. Mora, das Fingerlosen oder Fingerspiel besteht darin, dass man einige Finger oder auch alle schnell ausstreckt oder einschlägt und die übrigen verbirgt, und die Gegenpartei ihre Anzahl erraten lässt, was das Gewinnen oder Verlieren des Satzes entscheidet.

Es gibt wohl nicht leicht etwas Ergötzlicheres, natürlich für die Ohren nicht, als ein paar dieser feurigen Südlandsöhne das Spiel exequieren zu sehen, das, es möge noch so douce und modest anfangen, nach einigen Pointen schon zu einer Rage steigt, die fabelhaft ist.

Die Burschen schauen einander mit vorgeneigtem Oberleibe und funkensprühenden Augen starr ins Gesicht, während sie auf dem Rücken die Finger-Manöver kombinieren.

Plötzlich schnellt der, der Vorhand ist, kerzengerade in die Höhe, sein Partner ihm nach, beide erheben die noch eingeklemmten Hände mit zu sich gekehrten Palmen und mit einem abermaligen Sprunge recken sie zugleich die Finger in die Höhe, beide ihre Anzahl zu gleicher Zeit ausrufend.

Das Erraten der Fingerzahl ist natürlich Zufall, aber der Zuschauer fühlt sich unwillkürlich gedrängt zu glauben, die Burschen läsen es einer dem anderen aus den Augen, wie viel der oder der halten wolle.

Vier darin etwas geübte Kerle sind im Stande, einen Mann von nur ziemlicher Konstitution binnen einer Viertelstunde zu ruinieren.

Denn das springt wütend wie beim Hahnenkampfe aneinander, wie dort die Flügel, so hier die Hände auseinandergespreizt und bei jedem Sprunge erschallt es, immer lauter, immer schneller: duo, quattro, sei, dicci, nove, otto etc., welche Kardinalzahlen alle einsilbig ausgesprochen oder mehr »abgefeuert« werden.

Aus diesem Grunde machte sich auch der Tiroler, der zuletzt in die Ostaria getreten, sogleich aus dem Bereiche dieser Kampfhähne, ebenso scheu huschte er auch an dem Tische vorbei, an dem gespielt wurde. Verdrießlich sah er sich nach einem Plätzchen für seinen müden Leichnam um. Alles war ringsum besetzt, aber an der Kammertüre stand ein Tischchen, an dem bloß zwei Personen Platz genommen hatten, obwohl es da noch Raum genug für einen bescheidenen Dritten gegeben hätte, wenn die daliegenden Hüte, Mäntel und anderen Utensilien, die fast die Hälfte des Tisches einnahmen, anderswo bewahrt wurden.

Der Tiroler entschloss sich, die Einnahme dieses Platzes zu wagen, obwohl er sich gestehen musste, dass die beiden Locomtenentes dort die griesgrämigsten Gesellen waren, die ihm seit Langem untergekommen.

Er durchschritt rasch das Zimmer, nahm unterwegs einen leeren Stuhl mit und setzte zuerst diesen, dann sich selbst an dem Tische nieder, indem er sich leicht gegen die Herren verneigte und das übliche »com licenza« murmelte.

Die beiden Alten schauten mit verdrießlicher Miene an dem Manne empor, der sich so sans façon zwischen sie gedrängt, empor, denn sie beide, obwohl zu den Langen gehörig, erreichten gewiss die Schulterhöhe des Hünen nicht, der ohne ihre Erlaubnis in ihrem Bunde der Dritte geworden war.

Der Mann schien, was er gewiss nicht war, denn die Hand, mit der er jetzt die ihn beengenden Kleidungsstücke der Herren manierlich weiterrückte, war lang, schmal und fein, mithin über den Verdacht erhaben, einem Talbauern Tirols anzugehören. Das Gesicht war braun und von einem dunklen Barte eingerahmt, aber offen, frisch und frei. Auf dem grauen Schlapphute stak die trikolore Rosette – bis dorthin schweiften die spähenden Blicke des älteren der beiden Tischgenossen – an diesem befriedigenden Punkte ihrer Wanderung angekommen, fielen sie wieder auf ihr früheres Objekt, und das kurz unterbrochene Gespräch war eifrig fortgesetzt – merkwürdiger Weise in deutscher Sprache.

Der Fremde schien es nicht zu beachten, er drehte sich gleichgültig mit dem Stuhle gegen die Mitte der Stube um und rief nach Wein – aber sein scharfer Blick flog häufig und immer wieder nach dem alten, hageren Manne hin, der das Gespräch eigentlich lenkte.

»Weißt Du, mein Freund, was ich wissen wollte vor allem anderen?« begann der Ältere der Legionäre, oder was er sonst hier vorstellte; er hatte nicht das mindeste Distinktionszeichen an sich.

»Nun, und das wäre?« sagte der andere.

»Das, wer es dem König aufzuschwatzen im Stande war, Radetzky werde anno 48 das wiederholen, was Wurmser anno 95 aufführte. Ich habe es gleich Anfang März in Mailand zu hundertmalen gehört und ebenso oft zu widerlegen unternommen, was die allgemeine Ansicht war, die nämlich, dass Mantua der Angelpunkt sei, um welchen sich der Kampf drehen werde. Man sprach es öffentlich und prahlend aus, dass diese ungesunde Festung die einzige Hoffnung des Marschalls Radetzky sei, da Verona nur ein gänzlich nutzloser Brückenkopf sei, wenn die Armee Italiens die beiden Etschufer besetzt haben würde. – Dies Wenn kann aber nicht eintreten, solange der König seine fixe Idee nicht aufgibt!«

»Du hast recht – vollkommen recht!« sagte der Jüngere nachdenklich.

»Ja und das nehme«, fuhr der erste eifriger fort. »als Radetzky Verona zumarschierte, hieß man das in Mailand »Rückzug, Flucht«. Die Toren! Dieser Rückzug, diese Flucht war der Anfang des Feldzugs der Österreicher. Dies war die erste Kombination der einfachen, aber umfassend angelegten Operation zur Unterwerfung der insurgierten Provinzen.«

»Ja wohl! Und was hat der alte Mann in dieser Spanne Zeit nicht Erstaunliches geleistet!«

»Ja wohl!« klang es parodierend entgegen, »er, fast ohne alle anderen Mittel als der Energie des Mutes und der Treue – Und was haben wir Erstaunliches nicht geleistet? – Es ist köstlich, wenn die in Mailand unten als Resümee einer geheimen Session des Governo dekretieren, es sei höchst notwendig, dass Radetzky geworfen werde, bevor die Isonzo-Armee unter FZM. Nugent sich mit ihm vereinigt. Nun, was geschieht? In Anerkennung dieser »höchsten Notwendigkeit, schlägt Carlo Alberto, zubenamst >das Schwert Italiens< sein Hauptquartier in Villafranca auf und – tut nichts. Er muss sich wirklich der harmlosen Täuschung hingeben, die Kaiserlichen wüssten von den Anstalten, die zu ihrer Vernichtung getroffen werden und von der maßlosen Poltronerie, mit der die Kriegs- oder Sieges-Bulletins herum spektakeln, allein sich einschüchtern und verjagen lassen.«

Der Mann hatte sich außer Atem geredet, er schwieg und fuhr sich mit der Hand einige Male über die brennende Stirne.

Auch der andere sah lange, ohne etwas zu erwidern, nachdenklich vor sich nieder, dann erhob er plötzlich den grauen Kopf und sagte langsam: »Ich meine, das Gebaren des Königs mit einigen Worten charakterisieren zu können: er fürchtet, eine Sottise zu begehen – darum tut er lieber – nichts; also kommt es, dass er heut oder morgen >aus Not< wird fechten müssen, während es früher – gleich anfangs – an ihm lag, den Feldzug zu dirigieren: jetzt hat der Feind bereits die Direktion des Kampfes übernommen!«

»Ja, ja!« sagte endlich der Alte, »Gott schütze Italien, es ist in schlechten Händen! – Doch wo ist denn der junge Riese, der soeben noch da saß?« fragte er erstaunt, als er den Platz des Tirolers leer sah.

»Ich bemerkte nicht, wann er wegging, hat ja noch den halben boccale voll da – nun, und was gedenkst Du zu beginnen? Willst Du Deinen Flüchtling weiter verfolgen?«

»Nein! – Ich muss zurück nach Riva; hat Mauro, der ins Etschtal hinaufzog, ihre Spur auch nicht gefunden, so gebe ich sie auf!« sagte Marco – dieser war es – kalt und bestimmt; er stützte den Kopf in die Hand und versank in ein düsteres Schweigen, das sein Genosse ehrte und sich ebenfalls seinen Gedanken überließ, aus denen er jedoch bald durch die Ankunft des Tirolers geweckt wurde, der sich abermals an dem Tische niederließ.

Er sah eine Zeitlang unschlüssig von dem einen seiner Tischgenossen zu dem andern, dann schien er plötzlich einen Entschluss gefasst zu haben: er erhob sich mit halbem Leibe von seinem Sitze, tippte Creppi auf den Arm und fragte leise: »Mein Herr, Ihr verzeiht, seid Ihr ein Deutscher?«

Marco fuhr unmutig auf; »Warum? Ja! Und was dann?«

Der Tiroler neigte den Kopf leicht gegen ihn und raunte ihm zu: »Wenn Ihr mit folgen wollt, so bleibt nicht über Nacht in dieser Spelunke!«

»Herr, was soll das? Ihr habt uns behorcht und –«, fuhren die beiden alten Kämpen auf ihn los.

Er unterbrach sie aber, indem er begütigend sagte: »Eben, weil ich Euch behorcht habe, weil ich Eure Ansichten über die Lage Italiens kenne, habe ich mich entschlossen, Euch zu warnen; denn ich halte dafür, dass Ihr nicht zum Effektivstande der Legionen gehört?«

Marco heftete einen scharfen, durchdringenden Blick auf das Antlitz des jungen Mannes – es leuchtete ihm freundlich und frei entgegen; aber bevor er ihn wieder ansprach, hatte sein Gefährte schon die hastige Frage hervorgestoßen: »Und was kann uns hier drohen, hier im Zentrum der Positionen der vereinten Legionen?«

Der Tiroler gab darauf die Antwort zurück: »Wisst Ihr, dass Prezzo noch, jetzt noch das Zentrum derselben ist?«

Die beiden sahen einander fragend und unschlüssig an. »Ja, und was soll es denn eigentlich geben?«

»Alleweil das Uralte: nach Tag Nacht, nach Sommer Winter, nach Regen Sonnenschein!« war die Antwort der Tirolers, der er noch leichthin zufügte: »und nach dem 18. der 19. April – das ist morgen!«

»Ich weiß nicht, was Ihr wollt! Redet offen!«

»Kommt mit mir, nur auf einige Minuten!«

Nach kurzem Besinnen erhoben sich die beiden und folgten dem Tiroler vor die Osteria. –

Das Dorf Prezzo liegt oder hängt vielmehr hoch oben auf dem felsigen Ufer der Chiese. Die Aussicht ist sehr beschränkt; vorne durch eine Bergecke, nach hinten durch die Schneehörner der Judicarien. Selbst wenn es nicht Nacht gewesen wäre, hätte der Blick, der mäandrischen Krümmungen des Flusses wegen, weder rechts noch links weiter dringen können als gegen die Kastanienwälder Roncons einer – und die sumpfigen Auen Condinos andererseits.

Soweit aber das Auge reichte, glitzerten und funkelten rechts und links in den Tiefen allüberall die Wachtfeuer der Legionsposten.

»Nun, bei allen Teufeln! Was ficht Euch denn an, uns bei stockfinsterer Nacht da heraus zu narren, um zu sehen, wie die Posten da unten ihre Maroni braten!« begann Marco in seiner derben Manier, als sie den Hügel ober der Schenke erklommen hatten.

Der Tiroler legte seine Hand auf den zuckenden Arm Creppis und sprach ernst und langsam: »Ich weiß mir keine Rechenschaft zu geben, warum ich mich eigentlich gedrängt fühle, Euch zu warnen und zu retten. Aber ich folge meinem Gefühle – hört mich an: Ich kann nicht annehmen, dass die Welschen hier so schlecht mit Spionen bedient sein sollten, um weder zu wissen, dass sich schon seit Langem ein entscheidender Schlag gegen sie vorbereitet, noch dass dieser heute Nacht geführt werden soll oder besser, bereits geführt worden ist –«

»Was? Heute Nacht?« riefen beide wie aus einem Munde.

»So ist's! Gestern begann nach den Dispositionen Weldens der Angriff der Insurgenten auf drei Punkten zugleich, von Bozen aus über die Mendola gegen das Nontal, von Mezzotedesco aus durch die Rochette gegen Molveno und von Trient aus gegen die Giudicaria und das Sarcatal. In diesem Augenblicke steht auf dem linken Ufer der Chiese nicht ein Posten der Legion mehr –«

»Unmöglich!« erscholl es abermals und ungläubiger als vorher.

»Und dennoch wahr!« bekräftigte mit unerschütterlichem Gleichmute der Tiroler. »Doch Ihr habt keine Zeit zu verlieren, wenn Ihr Euch retten wollt«, er zog seine Uhr und ließ sie schlagen: »Halb zwölf! In einer Viertelstunde ist Prezzo von den Kaiserlichen besetzt und die Osteria der Schauplatz eines anderen Spieles als des Mora!«

»Aber, Höll' und Teufel! Ihr Gelbschnabel! Wie könnt Ihr es wagen, zwei alte gewiegte Soldaten mit Euren Deklamationen und Phrasen da aus der Contenance bringen zu wollen. Beweise – Beweise!« polterte Marco grimmig heraus.

»Ihr sollt sie haben – handgreifliche! Folgt mir!« Er nahm Creppis Hand und zog ihn ein kleines Stück Weges abwärts gegen den Fluss zu – der andere folgte.

Auf der dritten Etage des terrassierten Ufers angelangt, rief er leise: »Halt! Hier harret meiner und haltet Aug' und Ohr offen!« damit schritt er rasch hinab.

Der schweigsame Begleiter Creppis mochte seine eigenen Gedanken über diese ihre absonderliche Expedition mit einem wildfremden und sogar verdächtigen Menschen haben, denn er näherte sich dem lauschenden Crappi, um sie anzusprechen, als dieser ihn mit vorgehaltener Hand und einem leisen »schweig« abwehrte.

Aus der Tiefe der Talsohle drang dumpfes Geflüster und Waffenklirren unheimlich empor und plötzlich auch der, wenn auch gedämpfte, doch unverkennbar militärische Anruf einer Schildwache: »Halt wer da!« dem das Knacken des Flintenhahnes folgte.

»Gut Freund! Ich bin's!« erklang darauf die Antwort des Tirolers. »Alles bereit?«

»Alles, bis auf die zweite Kompagnie, die wartet durch die Furt der Chiese!« war die Antwort. –

»Bei meiner Seele, der Bursche hat nicht gelogen!« flüsterte Marco bestürzt: »Aber wo in aller Teufel Namen kommen die Soldaten her? Die müssen von der Trientiner Garnison sein!«

Sein Gefährte knurrte etwas wie eine Antwort, die aber ungehört verhallte, denn unter den wilden Feigenbäumen der Uferterrassen kam der Tiroler schon wieder heran.

»Nun! Wollt Ihr fliehen oder warten, bis der Major kommt, der mir auf dem Fuße folgt? Der dürfte rigoroser sein, einen Mann laufen zu lassen, der Marco Creppi heißt!« raunte der junge Riese dem erbleichenden Marco zu.

»Ihr kennt mich?«

»Ja! Und damit Ihr nicht im Zweifel seid, warum ich Euch gewarnt, obwohl ich Unrecht tat, so wisst, dass ich es um eines Engels willen tat, dessen Namen Ihr kennen müsst!«

Creppi sah verwundert auf: »Und der Name?« fragte er mit hohler Stimme.

»Marie Stark ehemals – und nun mein Weib!« sagte der Tiroler feierlich, wandte sich gegen den Fluss und schritt langsam dem Detachement entgegen, das in dunklen Ringen die Terrassen heraufkam. –

Eine Stunde darauf war die Ostiera von einer Kompagnie Schwarzenberg-Infanterie besetzt, und der weite Hofraum mit Gefangenen erfüllt. Der Kampf war kurz und blutlos gewesen.

Als der Morgen graute, standen vier Kolonnen auf der Straße gegen Condino zum Abmarsche bereit.

Als die Sonne ihr flammendes Haupt erhob hinter den eisigen, rotglänzenden Kuppen der Giudicaria, schwenkten die Kolonnen auf, und drei kräftige Dechargen kündeten dem erstaunten Chiesetale an, dass Prezzo genommen und angebrochen sei der 19. April, der Geburtstag Ferdinands des Gütigen.


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