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Makura-Geisha. Das käufliche Singmädchen

Es muß von vornherein betont werden, daß im allgemeinen die Geishas für käuflichen Geschlechtsverkehr nicht zu haben sind. Deshalb haben wir als Überschrift »Makura-Geisha«, die Kissengeisha, gewählt, weil in diesem Spitznamen zum Ausdruck gebracht ist, daß die so zubenannte Geisha sich preisgibt. Ein Volksliedchen aus dem 12. Meiji-Jahr (1879 u. Z.) stellt das Kopfkissen (Makura) und die dreisaitige Gitarre der Geisha (Samisen) in folgender Weise gegenüber:

»Geisha Geisha to na bakari Geisha
         Samisen kirai de Makura suki.«

»Wenn man ›Geisha! Geisha!‹ zu ihr sagt, dann ist das nur die Anrede, denn sie haßt die Gitarre und liebt das Kopfkissen.« Damit ist natürlich nicht gesagt, daß alle Singmädchen das Kopfkissen lieben; um den Sinn des Verses wiederzugeben, müßte man übersetzen: »Wenn man zu einem Singmädchen, das die Gitarre haßt und das Kopfkissen liebt, ›Geisha! Geisha!‹ sagt, so ist das nur die Anrede.« Schon der Ausdruck »Korobu«, fallen, der ganz im deutschen Sinn »seine Keuschheit verlieren« gebraucht wird, und zwar hauptsächlich bei den Geishas, beweist, daß die geschlechtliche Preisgabe eine Ausnahme ist. Von der Kehrseite werden wir später reden. Ein Senryū sagt:

»Sā koto da Koronda hara e
         Kobu ga deki.«

»Ach! Wie schrecklich ist es, wenn man eine Geschwulst auf den Leib bekommt, nachdem man gefallen ist.« Damit ist selbstverständlich eine Schwangerschaft gemeint, die das Singmädchen für einige Zeit, manchmal auch für immer, aus ihrem Beruf sich zurückzuziehen zwingt. Früher brauchte es noch gar nicht zur Schwangerschaft gekommen zu sein; bis in die frühe Zeit der Meiji-Ära (bis etwa 1870 u. Z.) verkauften die Geishas des Yoshiwara Yūkaku ihre Keuschheit nicht und wer diese Regel verletzte, verfiel dem Gewohnheitsrecht. Dieses bestand darin, daß die betreffende Geisha auf der Hauptstraße des Yoshiwara ziemlich nackt auf allen Vieren herumkriechen mußte. Auf dem nachfolgenden Bild sehen wir eine solche, dem Lynchgesetz der Korporation verfallene Geisha, wie sie verspottet und von einem Hund angebellt über die Straße kriecht. Das Bild stammt aus dem Buch »Tōkyō Gijō« (Das Buch über die Geishas von Tōkyō), verfaßt und mit Bildern versehen von Suita Dōshi, erschienen am 28. Oktober des 16. Meiji-Jahres (1883 u. Z.). Diesem Buch (Bd. 2) sind auch die Angaben über das Gewohnheitsrecht der Geishas entnommen. Gi-jō bedeutet: Abhandlung über die Geishas; Gi ist ein Wort für Geisha und Sängerin.

Es gibt Geishas, die im freien Beruf leben, und solche, die bei einem Unternehmer als Angestellte arbeiten. Die letzteren nennt man deshalb »Kakae«, d. h. sie ist in fester Beschäftigung bedienstet. Über diese angestellten Singmädchen gibt das erwähnte Buch über die Prostitution in Japan folgende Auskunft:

»Es gibt drei Arten von Geishas. Die eine davon ist nach dem ›Shichibu-System‹ angestellt, wonach die Geisha dem Unternehmer einen gewissen Betrag für den Lebensunterhalt, z. B. 3½ Dollars monatlich, für Reis usw. bezahlt und dafür zu sieben vom Hundert (Shichibu) der Einnahmen berechtigt ist; von dem Betrag werden selbstverständlich fällige Zinsen und Vorschüsse abgehalten; sie hat ihre eigenen Kleider, die sie selbst bezahlt. Die nächste Klasse ist das ›San-bu‹, das System zu drei vom Hundert, das genau so arbeitet wie das Sieben-vom-hundert-System; diese Geisha enthält natürlich weniger Entlohnung und bezahlt infolgedessen auch weniger an den Unternehmer für ihren Unterhalt, zuweilen auch gar nichts. Sie kauft und bezahlt ihre Kleidung selbst.

siehe Bildunterschrift

Korobu-Geisha.

Der dritte Plan ist derjenige des ›nen-kin‹, einer Lehrzeit von drei bis sieben Jahren, gewöhnlich von drei Jahren. Das Haus besorgt die Kleider und leiht sie dem Mädchen; es ist aber Tatsache, daß sie ihm meistens in Rechnung gestellt werden, so daß es für eine lange Zeit hinaus mit Abzahlungen belastet wird. Die Folge hiervon ist, daß man zwar annimmt, das Haus leihe die Kleider dem Mädchen kostenlos, in Wirklichkeit geht aber alles, was das Mädchen beiseite legen könnte, in die Rechnung auf, die dann schließlich von der Geisha bezahlt werden muß. Das Haus sieht daher seinen Vorteil darin, daß sie die Geisha mit allerlei unnötigen Kleidungsstücken versieht, sodaß sie mit hunderten von verschiedenen Kniffen ausgepreßt und auf diese Weise die Beute einer Bande von Blutsaugern und Schmarotzern wird. Alles Geld, das diese Geishas verdienen, zerfließt ihnen derart unter den Händen, daß sie lediglich für habgierige Müßiggänger, die von ihnen leben, sich abmühen und abarbeiten.«

Nach diesen Ausführungen kann man sich ein Bild davon machen, wie das Leben der meisten Geishas, aus der Nähe betrachtet, im Unterschied gegen ihr Erscheinen in der Öffentlichkeit auszusehen pflegt.

 

Mit dem gänzlichen Verschwinden der Geishas wird noch auf lange Zeit hinaus nicht zu rechnen sein. Sie sind in vielen Fällen noch ein Stück Repräsentation, wenigstens die höhere Klasse der Singmädchen. Die Bestellung bei den Unternehmern geschieht nach feststehenden Regeln durch das »Kippu«, worunter eigentlich eine Fahrkarte oder ein Paß zu verstehen ist. Es gibt drei Arten von Kippus: das weiße bezeichnet die höchste Klasse der Geishas; mit dem blauen bestellt man die zweite Klasse, und das rote Kippu bezeichnet eine Geisha der dritten Klasse, die sich preisgibt, also zugleich Freudenmädchen ist. –

Eine Geisha, die auf eigene Rechnung arbeitet und nicht von einem Unternehmer abhängig ist, nennt man »Jimae«, ihre eigene Herrin, oder auch »Kayoi«, das eigentlich »vorwärts und rückwärts gehen« bedeutet, im übertragenen Sinne »jemand, der aus dem Hause geht«; man nennt aber auch ein Freudenmädchen so, wenn es nicht in einem Freudenhause lebt, sondern auf eigene Rechnung »ausgeht«. In den Yūkakus bezeichnet man die oben erwähnte »Kakae« die Angestellte, als »Kodomo«, die Tochter, woraus man aber auf die Behandlung dieser Mädchen keine Schlüsse ziehen darf, denn es hat in der Fachsprache der Yūkakus diese Bedeutung vollständig verloren und bezeichnet dort eine Geisha oder ein Freudenmädchen.

Eine Geisha, die sich nicht zum Geschlechtsverkehr hergibt, heißt »Ironashi no Geiko«, ein farbloses Singmädchen; Geiko ist dasselbe wie Geisha. Das Farblose bezieht sich auf die Farbe der Vulva, die nicht durch Geschlechtsverkehr verändert, also noch jungfräulich ist. Sie zeigt daher noch ein reines Rot, während bei Freudenmädchen durch den häufigen Koitus eine dunkle, purpurrote Färbung entsteht.

Die einfachste Bezeichnung der Singmädchen ist »Esu«, der Buchstabe S, als erster Buchstabe des englischen Wortes singing-girl. Ebenso harmlos klingt auch »Soresha«, die Frau von Beruf, worunter man zunächst eine Frau aus der Halbwelt versteht, im engeren Sinn eine Geisha. Eine Ex-Geisha, eine frühere Geisha, bezeichnet man dementsprechend als »Soresha-agari«; in agari steckt aber die Bedeutung des Aufstiegs und wir wissen ja, daß Geishas noch in jüngster Zeit Gräfinnen, Fürstinnen und Ministerfrauen geworden sind und ihren Platz als Hausfrau und Mutter in jeder Beziehung gut ausgefüllt haben.

Eine mehr scherzhafte Bezeichnung einer Geisha ist das in der Umgangssprache übliche »Neko«, eigentlich die Katze, aber als Ableitung von »nekomu«, einschlafen, als »schlafende Schönheit« gedeutet, worüber wir im Abschnitt »Das Vorspiel« gesprochen haben. Satow ist der Ansicht, daß man in der Bezeichnung »Neko« für eine Geisha etwas Spöttisches zu sehen habe, weil das Samisen, die einheimische dreisaitige Gitarre, mit Katzenhaut überzogen sei.

Eine Geisha, die auf den Wunsch eines Gastes sich in Geschlechtsverkehr mit ihm einläßt, ist eine »Mizuten«, eine, die fällt, ohne daß es jemand bemerkt. Darin liegt der Begriff des Heimlichen, wozu das Singmädchen, wie wir oben gesehen haben, nach den alten Anschauungen gezwungen war. Für einen solchen heimlichen Koitus hat man auch einen besonderen Ausdruck zur Verfügung, dessen sich die Geishas unter sich bedienten: »Shigeri« oder mit Voraussetzung der Höflichkeitssilbe O »Oshigeri«. Die eigentliche Bedeutung des Wortes ist: dicht bei etwas sein, ganz nahe beieinander sein. In diesem Sinn gehört es heute noch der Fachsprache der Halbwelt an; man versteht darunter eine ganz leise Unterhaltung zwischen einem Mann und einer Frau. Daraus hat man dann einen Fachausdruck für den heimlichen Koitus gemacht; in dieser Auffassung ist das Wort seit Ende der Yedo-Periode außer Gebrauch gekommen. –

In den Gesellschaften, zu denen Geishas hinzugezogen werden, geht es zunächst so her, wie es eben in den höheren Schichten üblich ist. Kein Ausländer wird anfangs etwas zu beanstanden haben und vielleicht enttäuscht sein, wenn das, was er zunächst sieht, seinen Erwartungen nicht entspricht. Aber mit vorgeschrittener Stunde und nach dem ununterbrochenen Genuß der starken Getränke, deren Hinuntergießen man gar nicht ablehnen kann, kommt eine Stimmung zum Vorschein, der sich auch die Geishas anpassen und sehr leicht anpassen, da ihre Ausbildung sich auch auf diesen Fall erstreckt. Wir bringen im folgenden ein Lied, das bei solchen Gelegenheiten von den Geishas »im geheimen« gesungen wird; das Lied würde bei uns jedem Herrenabend zur Zierde gereichen. Obwohl es von einer Geisha vorgetragen wird, ist es doch der Annahme nach ein Mann, der singt:

»Yūbe Shimabara de Hirne wo jūnin katte mita dewa nai ka ina; Tako, Kinchaku, Kawarake, Kannuki, Atago-Yama, Uwatsuki, Shitatsuki, Kenaga, ni Maedare, naka de hodo no yoi no ga Manjū-Bobo, naka bosori no Kyūri-mara, tsururi to iretareba, ha-ha, yosa, yosa, naku naku moshiageta.«

Es handelt sich bei diesem Lied um den Besuch eines Mannes in einem Freudenhaus, in dem zehn Mädchen, deren Namen aufgezählt werden, dem Gaste zur Verfügung stehen. Ehe wir eine vollständige Übersetzung des Liedes geben, müssen wir vorher die angeblichen Eigennamen erklären.

Das erste Mädchen heißt »Tako«, Polyp, worunter der Oktopus, der Seepolyp, die Krake, zu verstehen ist. Tako ist eine Abkürzung von Takotsubi oder Takotsubo; Tsubi gilt als verderbt aus Tsubo; in der Umgangssprache bedeutete es die Vulva, wird aber heute nicht mehr gebraucht. Tsubo, der Topf, die Schale, bezeichnet als »Schönwort« heute in der Umgangssprache die Vulva, sodaß eine Takotsubo eine »Polypvulva« sein würde. Man versteht darunter eine verhältnismäßig enge, muskelkräftige Vulva, die den Penis fest umschließt, gewissermaßen wie die Saugarme eines Polyps festhält. Nach Inouye kann Takotsubo auch eine Oktopusfalle sein, denn dieser Polyp ist in Japan ein sehr beliebtes Nahrungsmittel und wird in großen Mengen gefangen. Auch in dieser Bedeutung würde das Wort auf eine solche Vulva passen, weil sie den Penis wie in einer Falle festhält. In der folgenden lustigen Geschichte, die »Sandai-me« (Drei Geschlechter von Frauen) betitelt ist, wird die Polyp-Vulva verwertet:

»Eine junge Frau, die nach der Hochzeit zum erstenmal das Haus ihrer Eltern besuchte, unterhielt sich mit ihrer Mutter. ›Und dann nannte mich mein Gatte ein ganz merkwürdiges Ding!‹ ›Was sagte er denn zu dir?‹ frug darauf die Mutter. ›Mein Mann sagte, ich wäre ein Tako!‹ ›Das ist sehr gut! Als ich mich in dieses Haus verheiratete, sagte mein Gatte auch zu mir, ich wäre ein Tako!‹ In diesem Augenblicke öffnete sich die Hintertür, die Großmutter kam herein und sagte: ›Das ist doch eine ganz merkwürdige Sache, wenn man sagen kann, daß so etwas durch drei Geschlechter hindurchgegangen ist!‹«

Der Scherz besteht darin, daß die Großmutter gewissermaßen auf die bekannte Zähelebigkeit des Oktopus anspielt, indem sie annimmt, daß ihr Oktopus über die Tochter auf die Enkelin übergegangen ist.

Ein Senryū spielt auf die Kraft der Saugnäpfe des Polypen an:

»Mata Tako ni hittakurareru
         Kabuto-gata.«

»Der Polyp hat den Helm wieder einmal heruntergesaugt.« Vom Kabuto-gata haben wir im Abschnitt »Harikata« gesprochen; es ist eine künstliche Eichel aus Büffelhorn oder Schildpatt, die zur Aufnahme der Eichel des Penis bestimmt ist. Es gibt zwei Arten dieses »Helmes«: mit einem Loch in der Spitze und ohne ein solches. Durch die letztere Art des Helmes soll die Empfängnis verhindert werden und wir können annehmen, daß ein solches Kabuto-gata im Senryū gemeint ist. Damit wäre gesagt, daß der Helm seinen Zweck verfehlt hat, da er von der Oktopus-Vulva vom Penis heruntergezogen worden ist. Auch wenn wir annehmen, daß das Kabuto-gata aufgesetzt worden ist, um der Frau eine stärkere Befriedigung zu verschaffen, bleibt im Senryū die Feststellung, daß das Tako kräftig genug ist, um dem Penis den Helm vom Kopf herunterzureißen. In dem erotischen Buch »Amayo no Takegari« (Pilzjagd in einer Regennacht) steht folgende Beschreibung eines Tako-Tsubi:

»Kuchibiru no atsuki wo Bobo no fuchi atsuku shite zoku ni iu Tako-Tsubi to iu mono nari.«

»Eine Frau, die dicke Lippen hat, hat auch eine Vulva mit einem dicken Schlitz (d. h. mit dicken Labia majora) und gewöhnlich bezeichnet man sie als elastische Vulva, Tako-Tsubi.« Wir haben hier die weitverbreitete Volksanschauung vor uns, daß man aus den Lippen des Mundes auf die Schamlippen der Frau schließen kann.

Der Name des zweiten Mädchens im Freudenhaus ist »Kinchaku«, der Geldbeutel, eine Abkürzung von Kinchaku-Bobo, die Geldbeutel-Vulva. Man versteht darunter eine Vulva, die einen sehr kräftigen Constrictor vaginae oder cunni hat, zu deutsch: Scheidenschnürer. Es kommt vor, daß diese Muskeln willkürlich in Tätigkeit gesetzt werden können und die Bezeichnung einer solchen Vulva beruht wohl auf dahingehenden Beobachtungen. Dadurch war auch das Bild des Geldbeutels gegeben, der durch eine Schnur am oberen Ende zusammengezogen werden kann. In einem Senryū wird ein Kinchaku, ein Geldsack, so beschrieben:

»Kinchaku no heri na murasaki
         Naka wa momi.«

»Der Schlitz des Kinchaku ist purpurrot und die Farbe des Innern ist wie Scharlachseide.« Satow gibt als gleichbedeutend mit dem Kinchaku-Bobo, der Geldsack-Vulva, das Wort »Inrō« an. Es bedeutet, einen Satz von kleinen verzierten Kästchen, die am Gürtel getragen werden, um darin Siegel oder Arzneien mit sich zu führen. Das Wort ist in der Gassensprache zu einer Bezeichnung der Vulva geworden, namentlich für ein Kinchaku-Bobo. Die Begründung ist in den Unterlagen nicht enthalten. –

Über den Namen des dritten Freudenmädchens »Kawarake« ist im Abschnitt »Azumagata« alles gesagt worden. Wir erinnern daran, daß dies Wort zunächst unglasierte irdene Gefäße bezeichnet, wie sie bei feierlichen Gelegenheiten als Wein- oder Ölschalen gebraucht werden. Im übertragenen Sinne ist ein Kawarake eine Vulva, der die Schamhaare fehlen, wie dem irdenen Geschirr die Glasur fehlt. Der Begriff der Minderjährigkeit in dem Sinne, daß es sich um ein noch nicht mannbares Mädchen ohne Schamhaare handelt, scheidet bei der »Kawarake« genannten Insassin des Freudenhauses wohl aus. –

Der Name des vierten Freudenmädchens »Kannuki« bezieht sich eigentlich auf den Scheidenverschluß, wie wir im Abschnitt über die Gynatresie bereits gesagt haben. Ein Kannuki-Bobo ist eine verriegelte Vulva, aber da ein Mädchen mit vollständigem Scheidenverschluß kaum als Insassin eines Freudenhauses in Betracht kommt, müssen wir in diesem Fall nur eine Scheidenverengerung annehmen. Diese Nebenbedeutung haben auch fast alle für Gynatresie gebrauchten Ausdrücke. –

Das fünfte Freudenmädchen führt den schönen Namen »Atago-Yama«, Berg Atago. Dieser Berg Atago ist die höchste Erhebung in der Provinz Kyōto. Aus diesem Grund ist Atago-Yama die Bezeichnung für eine Vulva mit sehr dicken, schwellenden großen Schamlippen geworden. –

Bei dem sechsten Freudenmädchen, genannt »Uwatsuki«, handelt es sich nicht um die äußere Gestalt, sondern um die Lage des Cunnus, denn Uwatsuki bedeutet »hochgestellt«. Man versteht darunter einen Cunnus, der höher liegt, als dies gewöhnlich der Fall ist. Eigentlich sagt man »Uwatsuki-bobo«, ein hochgestellter Cunnus, aber in manchen erotischen Büchern wird als Abkürzung Uwatsuki gebraucht. –

Das Gegenteil von Uwatsuki ist »Shitatsuki«, der Name des siebenten Freudenmädchens. Shitatsuki bedeutet einen tiefer gelegenen Platz oder »im tieferen Teil liegend«, d. h. der Cunnus dieser Mädchen liegt zu weit nach hinten. »Shita«, der Boden, der Fuß, der untere Teil ist in der Mundart der Provinz Chichibu soviel wie Cunnus. In dem Buch »Shizen Shōwa« (Lustige Stegreifgeschichten) des kürzlich verstorbenen Yamanaki Emi, ist folgendes zu lesen:

»Es war einmal ein Arzt in Yedo, den ließ man nach einem gewissen Dorf der Provinz Chichibu holen. In diesem Hause lag die Tochter schon seit längerer Zeit auf dem Krankenbett. Nachdem der Arzt sie ausgefragt hatte, sagte er zu ihr: ›Nun zeigt mir Euer Shita!‹ Als das Mädchen dieses Wort hörte, wurde es rot und ließ schamhaft den Kopf hängen. Ein Mann, der dabei stand, sagt daraufhin zu dem Mädchen: ›Du sollst dem Herrn Doktor dein Bero zeigen!‹ Und so zeigte schließlich das Mädchen dem Arzt seine Zunge. Dort bedeutet eben ›Shita‹ die Vulva und ›Bero‹ die Zunge. Der Arzt machte also diesen Mißgriff, weil er von der Mundart keine Ahnung hatte.«

Nun hat ja allerdings in der Umgangssprache »Shita« auch die Bedeutung »Zunge«, da das Schriftzeichen für Shita so ausgesprochen wird, während Shita, der Boden, der Fuß, ein anderes Schriftzeichen hat, so daß also in Schrift oder Druck niemals eine falsche Auffassung entstehen kann. –

Von der »Kenaga«, dem Namen des achten Freudenmädchens, haben wir schon im Abschnitt über die Schaustellungen gesprochen; es war der Spitzname für Frauen, die besonders reichlichen Haarwuchs auf dem Schamberg hatten. Lange Schamhaare haben als ein besonderer Vorzug gegolten, wie in einem angeführten Senryū angegeben ist. Im Abschnitt »Götter und Geister« ist auch darauf hingewiesen, daß an mehreren Orten das lange Schamhaar der Shichinan göttlich verehrt wurde. –

Das neunte Freudenmädchen hieß »Maedare«, die Schürze oder das Schurzfell. Im Abschnitt über die Schaustellungen ist von Maedare die Rede gewesen; das Wort ist eine Abkürzung von Maedare-Bobo, die Schürzen-Vulva. Es handelt sich um verlängerte kleine Schamlippen, die außerhalb der Vulva sichtbar sind; man bezeichnet sie gewöhnlich als »Hottentottenschürze«.

Das zehnte Mädchen, die Auserwählte des Gastes im Freudenhaus, war die »Manjū-Bobo«. Im Grunde genommen ist kein großer Unterschied zwischen Atago-Yama und Manjū-Bobo. Beide bezeichnen eine stark hervortretende Vulva infolge von reichlichem Fettansatz. Der Unterschied liegt lediglich darin, daß bei der Atago-Yama die großen Schamlippen in auffallender Weise plumper geworden sind, wogegen die Manjū-Bobo fester und gewissermaßen einheitlicher geblieben ist. In diesem äußerlichen Aussehen liegt die Veranlassung, daß der Besucher die Manjū-Bobo vorzieht. Von ihr ist ebenfalls im Abschnitt über die Schaustellungen die Rede gewesen. –

Schließlich wäre noch »Kyūri-Mara« zu erklären. Kyūri ist die gewöhnliche Gurke, Mara der Penis; Kyūri-Mara wäre also ein Gurkenpenis. Nach Satow ist dies die volkstümliche Bezeichnung für einen schlanken oder dünnen Penis.

Von Naku, dem Seufzen oder Weinen, mit dem die Frau beim Koitus ihrer Befriedigung Ausdruck gibt, haben wir oben gesprochen.

Nach diesen Deutungen der zum Geschlechtsleben in Beziehung stehenden Wörter des Liedes können wir nunmehr die Übersetzung geben:

»Gestern nacht habe ich ein Freudenhaus von Shimabara aufgesucht und da kamen zehn Freudenmädchen herbei: es waren Fräulein Saugfest, Fräulein Schnürer, Fräulein Haarlos, Fräulein Englein, Fräulein Dicklippe, Fräulein Hoch, Fräulein Zutief, Fräulein Langhaar, Fräulein Schurz, aber die herrlichste von allen ist Fräulein Dickfleisch! Ah! Ah! wie fühle ich mich so wohl, so wohl, wenn ich meinen schlanken Penis hineingleiten lasse und sie mit feuchten Augen seufzend den Hintern mir entgegenhebt!«

An diesem Beispiel eines in intimem Kreise von den Geishas gesungenen Liedes sieht man, daß die aus alter Überlieferung in der Öffentlichkeit gezeigte Zurückhaltung zum guten Ton gehört, solang sich sozusagen der offizielle Teil eines Gesellschaftsabends abspielt. An der Probe eines ausgelassenen Liedes sehen wir aber, daß die Ausbildung der Geishas auch andere Verhältnisse in Betracht zieht. Leider sind solche Lieder, aus denen wir manches lernen könnten, da es sich bei ihnen auch um alte Traditionen handelt, nie aufgeschrieben worden, so daß außer dem oben angegebenen sonst keines bekannt ist. –

In dem Buch »Zokuji Kosui« (Einprägung weltlicher Dinge) von Shoku-sanjin (mit Vorrede, datiert 1788 u. Z.) steht folgendes: »Zu Yagenbori, Yedo, gebrauchten die Singmädchen das Wort Hateshi als ihren eigentümlichen Ausdruck für den Geschlechtsverkehr.« Satow und die Wörterbücher geben Hateshi als das Ende, endlos, ewig im geistigen Sinne. Seit Ende der Tokūgawa-Periode (1867 u. Z.) ist das Wort nur ohne die Nebenbedeutung des Koitus gebräuchlich. Diese Nebenbedeutung könnte nach Satow von dem veralteten Wort Hate, der Hintere, abgeleitet sein. Die Erklärung bleibt trotzdem schwierig. –


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