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Yogarinaku. Laute der Befriedigung

Die Japanerin ist beim Koitus sehr lebhaft. Im Abschnitt über die Freudenmädchen sehen wir, daß sich nach dem Urteil eines Arztes selbst diese ihre Erregbarkeit und Reaktionsfähigkeit bewahren. Dieses Urteil, das man zunächst nicht erwartet, wird durch die japanischen Quellen bestätigt, die wir an anderer Stelle angeführt haben. Die Gefühlsäußerungen dieser Mädchen werden sehr geschätzt und bilden, wie die angeführten Senryūs beweisen, einen besonderen Anreiz für die Männer, wodurch in besonderen Fällen der Ruf und der Wert solcher Mädchen steigt. Wie es auch in einem dieser Senryūs heißt: »Nun schrei los! Ich bin hergekommen, um es zu hören!« »So erfreut sich ihr Geschäft allgemeiner Beliebtheit.« Und ein anderes lautet: »Ein billiges Freudenmädchen der Bunya-Art wird sehr gut verkauft, weil sie im Schlafzimmer sehr laut seufzt!« Bunya sagt man nur bei Freudenmädchen, während das gleichbedeutende »Yogarinaku«, aus der Befriedigung heraus schreien, im Volk allgemein gebräuchlich ist.

siehe Bildunterschrift

42. Liebesspiele. Holzschnitt aus einem erotischen Buch von Shigemasa ()1739 – 1819

Eine solche Äußerung beim Koitus, die aber nicht aus unbestimmten Tönen, sondern aus Worten der Umgangssprache besteht, haben wir im Abschnitt Harikata angeführt: »Are, Are!« oder auch: »Are, Are! mō iku!«, im Deutschen: »Ah, Ah!«, »Ach, Ach!«, »Ah! Ah! Jetzt kommt es mir!« Statt Are sagen die Frauen auch nur A, das auch im gewöhnlichen Leben ein Ausdruck der Freude oder auch je nach der Betonung, wie bei uns, auch des Kummers oder des Schmerzes sein kann. In Verbindung mit iku wird auch kurz gesagt: »A iku!« »Ah, es kommt!« Iku, wir müssen im Deutschen das Losgehen dafür sagen, ist in der Umgangssprache allgemein für den Orgasmus gebräuchlich, wobei das Volk zwischen der Ausstoßung des männlichen Samens und den Absonderungen der Frauen keinen Unterschied macht. Ein Senryū sagt:

»Iku-iku to yū toki
         Makura ikiwakare.«

»Wenn sie: ›Es kommt! Es kommt!‹ herausstößt, dann fliegt das Kissen für immer weg!« Mit andern Worten: sie bewegt sich so heftig, daß das Kopfkissen hinweggeschoben wird. Ikiwakare bedeutet eigentlich: auf Lebenszeit verreisen, sich auf Lebenszeit trennen; das ist selbstverständlich groteske Übertreibung des Volksdichters, um die an Iku anklingenden Silben Iki verwenden zu können. »Iki-goto«, wörtlich eine stilgerechte Sache, eine vornehme Sache, hat die Nebenbedeutung von Liebesränken, Liebesgeschichten, geschlechtliche Beziehungen; Iki hat mit Iki in Ikiware nichts zu tun, aber die Volksdichter legen ja nur auf das gesprochene Wort Wert, ohne sich um die Schreibweise der Wörter zu kümmern, deshalb sind so viele Senryūs das, was wir als Kalauer bezeichnen würden. Eine scherzhafte Umschreibung für den Penis lautet: »Ikita-Goyō-no-mono«, das lebendige Ding für Ihren Gebrauch oder für Ihren Dienst. Goyō no mono, das Ding für das Geschäft, den Dienst, ist ein Harikata, ein künstlicher Penis; siehe den Abschnitt »Harikata«.. Ein alter Beleg aus dem Schrifttum findet sich in dem erotischen Buch »Kōshoku Koshibagaki« (Die wollüstigen kleinen, aus Reisig gefertigten Hecken), das im neunten Genroku-Jahr (1696 u. Z.) erschien. Dort heißt es:

»Ikita-goyō-no-mono oki ni irimashita
         ka to samazama no te wo tsukushi.«

»›Wenn dies lebende Ding für Ihren Dienst nach Ihrem Geschmack ist!‹ sagte er und erschöpfte seine Geschicklichkeit auf mancherlei Art.«

Wie wir an der unten angeführten Stelle gesehen haben, wird es in einem Senryū als starke Übertreibung gerügt, wenn eine Frau im Augenblick der höchsten Befriedigung: »Oh, Mörder! Oh, Mörder!« ruft. Es ist schon besser, wenn eine Frau »Shinu!«, ich sterbe, sagt. Denselben Ausdruck finden wir bei Chinesinnen und Koreanerinnen; die ersteren sagen: »Ssu Liao!«, ich sterbe, und die letzteren »Aigo chu getsu so!«, ich bin am Sterben, oder: »Chu nun da!«, ich sterbe. Ein Senryū, das mit dem oben angeführten bis auf die Eingangsworte gleichlautend ist, sagt:

»Shinu shinu to yū toki
         Makura iki wakare.«

»Wenn sie: ›Ich sterbe! Ich sterbe!‹ herausstößt, dann fliegt das Kissen für immer fort!« Wir erinnern hier daran, daß das japanische Kissen, das Makura, kein Kissen in unserem Sinn ist, sondern ein Holzblock in der Gestalt einer abgestumpften Pyramide; auf diesem Holzblock liegt ein kleines Polster, auf dem die Frau mit dem Nacken liegt, um ihre Frisur nicht zu beschädigen. Daß dieses Makura bei heftigen Körperbewegungen sich leicht verschiebt, ist aus seiner Form, die man auf mehreren unserer Bilder sieht, begreiflich. Ein Kissen, wie es in den breiten Betten der Fremden verwendet wird, nennt der Japaner »Naga-Makura«, das lange Kissen, oder »Tono-Makura«, das Herrenkissen; Tono = Tonosama, der hohe Herr, der Lord. Bildlich wird Makura in vielen Redensarten verwendet, z. B. »Makura-no-togi«, wörtlich: eine Aufwärterin beim Kissen, d. h. beim Bett. In demselben Bett schlafen, den Koitus ausüben; »Makura wo kawasu, wörtlich: das Kissen wechseln. Als Paar in demselben Bett schlafen; »Makura wo hajimu,« wörtlich: ein Kissen zum erstenmal gebrauchen. Ein volkstümlicher Ausdruck für den ersten Koitus, aber auch: zum erstenmal in demselben Bett schlafen.

siehe Bildunterschrift

43. Die Mutter mit dem Kind. Farbenholzschnitt v. Shunsho (1726-1793) aus einem erotischen Buch.


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