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Yūkaku. Das Vergnügungsviertel

In dem Wort »Yūkaku« ist nichts enthalten, was auf den eigentlichen Zweck dieser Vergnügungsviertel, den Geschlechtsverkehr, hinweist, obwohl es die gebräuchliche Bezeichnung für die an einem bestimmten Platz zusammenstehenden Yūjoyas, die Freudenhäuser, ist. »Yukai« ist lediglich Vergnügen, Lust, ohne jede Nebenbedeutung, und in Yūjoya, das Freudenhaus, um nicht das nicht hierher passende Wort Bordell zu gebrauchen, und in Yūjo, das Freudenmädchen, steckt als Stammwort »Yūjō«, Freundlichkeit, Freundschaft. Hierin gibt sich eben die Anschauung des Japaners über den Geschlechtsverkehr an solchen Stätten kund. Er ist sozusagen nicht einmal die Hauptsache im Yūkaku, denn für viele scheint das Herumgehen eben das Vergnügen, die Lust zu sein, die in dem Worte zum Ausdruck kommt. Es ist eine Art Abendunterhaltung, die sich die Japaner durch den Besuch des Vergnügungsviertels verschaffen, das immer wieder gern gesehene Schauspiel der Licht- und Prunkstadt, auch »Iromachi«, die Stadt der Liebe, oder »Irozato, Irosato«, das Dorf der Liebe, genannt. »Iro« ist, wie wir an anderer Stelle gesehen haben, in erster Linie »Liebe«, hat aber auch die Nebenbedeutung »Geschlechtsverkehr«.

Der bekannteste Name für die Stadt der Liebe ist »Yoshiwara«, das »Binsenfeld, Binsenmoor« bedeutet.

Jedenfalls ist Yoshiwara zu einem Eigennamen geworden, ob nun das Binsenfeld in der Nähe von Tōkyō die Veranlassung dazu war oder die kleine Provinzstadt Moto-Yoshimara im Tōkaidō, aus der bei Verlegung der Hauptstadt von Kiōto nach Yedo zu Beginn des 16. Jahrhunderts u. Z. 20 bis 30 Freudenmädchen, die durch ihre Schönheit auffielen, nach Yedo gekommen sind und dem Vergnügungsviertel den Namen gegeben haben. Moto-Yoshiwara würde »das alte, ursprüngliche Binsenfeld« bedeuten, und tatsächlich ist Moto-Yoshiwara früher die Bezeichnung des Yūkaku von Tōkyō gewesen. In dem Buch »Morisada Mankō« (Morisada's Handschriften), verfaßt von Kitagawa Morisada und erschienen gegen Ende der Yedo-Periode (etwa 1860 u. Z.), wird davon gesprochen, daß damals vor jedem Haus des Moto-Yoshiwara eine Art Straßenlampe aufgestellt war. Ähnliche Straßenlampen brannten auch in anderen Yūkakus, aber im Moto-Yoshiwara allein hatte diese Lampe ihren besonderen Namen; sie hieß »Tasoya-Andō«; das Wort war aber, wie Kitagawa Morisada erklärt, verstümmelt aus Tasogare-Andō. Da Tasogare Abenddämmerung bedeutet, handelt es sich also um eine Lampe, die bei Beginn der Abenddämmerung angezündet wurde. Wir haben es offenbar mit einem Brauch des ältesten Yoshiwara zu tun, den die späteren Gründungen übernommen haben; es ist die rote Laterne der früheren deutschen Bordelle. Dieser alte Brauch kann aber auch einen Hinweis darauf enthalten, daß das Yoshiwara von Yedo sich erst nachträglich als Moto-Yoshiwara, als das ursprüngliche Yoshiwara bezeichnet hat, als »Nachahmungen« an anderen Plätzen auftauchten.

Für die Unentbehrlichkeit der Yūkakus im Leben der Japaner spricht die Tatsache, daß bei Bränden, denen sie infolge der Bauart der Häuser aus Holz und Papier sehr leicht ausgesetzt waren, man nicht etwa wartete, bis alles in alter Pracht und Herrlichkeit wieder fertig dastand, sondern ein vorläufiges Yoshiwara in aller Eile schuf. Dafür hatte man sogar einen besonderen Namen »Karitaku«, die vorläufigen Wohnungen. Das erste Karitaku wurde nach dem großen Feuer, das am 7. November des vierten Empō-Jahres (1676 u. Z.) im Yoshiwara ausgebrochen war und auf den Stadtteil Honjo, Tōkyō, übergegriffen hatte, zu Sanya und Minowa in der Nähe von Tōkyō aufgebaut.

Das Wort Karitaku gehört heute der Vergangenheit an, denn solche großen Brände, die das ganze Viertel zerstören, sind nicht mehr möglich, da alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen sind und ein großer Teil der Häuser bereits aus Stein gebaut ist. Aber von den in Japan so häufigen Erdbeben werden auch die Yūkakus nicht verschont und das große Erdbeben des zwölften Taishō-Jahres (1923 u. Z.) hat den letzten Zeugen der alten Zeit, das Mikaeri-Yanagi zerstört. Es war eine alte, sehr große Trauerweide, die an der linken Seite des Ōmon, des »großen Tores«, des Haupteinganges zum Yoshiwara Yūkaku von Tōkyō stand. Wie das Volk glaubte, drehten sich die Besucher, wenn sie morgens früh nach einer im Yoshiwara verbrachten Nacht sich auf den Heimweg begaben, an diesem Baume noch einmal um. Sie blickten zurück nach dem Joroya, dem Freudenhause, in dem sie gewesen waren, und riefen sich noch einmal das Mädchen, das ihnen Gesellschaft geleistet hatte, ins Gedächtnis zurück. Bei den Anschauungen, die die Japaner vom Geschlechtsverkehr haben und nach den Umständen, unter denen sich dieser Geschlechtsverkehr im Yoshiwara vollzog, zu urteilen, wird es wohl jeden Tag vorgekommen sein, daß einer oder mehrere einen letzten Blick von diesem Baume aus auf das Haus ihrer Freude warfen. Deshalb hieß dieser Baum »Mikaeri-Yanagi«, die rückwärts schauende Weide, d. h. der Baum, von dem man noch einmal rückwärts schaut. Es liegt aber in dem Wort Mikaeri noch ein Begriff, der sich im Deutschen nicht in der Übersetzung ohne Umschreibung wiedergeben läßt: daß man sich nach dem Rückwärtsschauen mit einem Ruck losreißen muß (mikagiru). Damit ist meiner Ansicht dem Empfinden des Japaners beim Verlassen des Yoshiwara ein gutes Zeugnis ausgestellt.

Wir wollen hier noch erwähnen, daß ebenso wie der Name des Yūkaku von Tōkyō, Yoshiwara, von einer örtlichen Zufälligkeit, dem Binsenfeld, abhing, auch das Yūkaku von Nagasaki einer solchen Zufälligkeit seinen Namen »Maruyama«, der kreisrunde Hügel, verdankt. Weitere Einzelheiten hierüber sind in den Unterlagen nicht vorhanden; von den Insassen des Maruyama werden wir noch sprechen.


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