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Yarō, der Liebling

Das in der Überschrift gebrauchte Wort »Yarō« gibt den Begriff des passiven Päderasten, des Lustknaben, am allgemeinsten wieder. In der Umgangssprache bedeutet Yarō Bursche, aber im Sinn von bäuerisch, grob, roh, eine Bezeichnung, die wohl etwas zu hart wäre für diese Weichlinge, die ursprünglich gewissermaßen ein Luxusgegenstand waren und als die auch dem Scherz und Spiel, der Unterhaltung und dem angenehmen Zeitvertreib dienenden Jünglinge der Teehäuser, die »männliche« Geisha (Karsch-Haack), erst viel später in Betracht kommen. Das Bild ist dem Buch »Fūryū Monji Ningyō« entnommen, das von Chikubadō Jiraku verfaßt und in der Kyōho-Periode (1716 bis 1735 u. Z.) veröffentlicht worden ist. Der Titel bedeutet etwa: Die Puppe der ästhetischen Ausdrücke. In dem Bilde kommt das Weibische eines Yarō alten Stils mit Prunkgewand und Fächer vorzüglich zum Ausdruck.

siehe Bildunterschrift

Yarō.

Der Kagema, wörtlich: der Hausschauspieler, war ursprünglich ein junger Schauspieler unter vierzehn Jahren alt, der noch nicht auf der Bühne auftrat, also eine Art Schauspielerlehrling. Diese Kagemas, die durchwegs Frauenkleider trugen, wurden als passive Päderasten von den Okitsu gebraucht, scheinen aber selbst nicht oder zum größten Teil nicht gleichgeschlechtlich veranlagt gewesen zu sein, da sie auch von Witwen besucht wurden. Ihre hauptsächlichsten Kunden waren die buddhistischen Priester. Erst viel später verstand man unter Kagema die männliche Unzucht, nämlich die gewerbsmäßige. In früheren Zeiten nannte man einen solchen jungen Schauspieler auch »Iroko«, einen hübschen Jungen, mit der Nebenbedeutung, daß er mit Männern Liebesverhältnisse hatte. Ein Iroko war also ein passiver Päderast und deshalb wurde das Wort für gleichbedeutend mit Kagema angesehen und hat sich in diesem Sinne bis heute erhalten. Iro bedeutet heute sowohl Liebe, als auch Geschlechtsverkehr. Da früher alle weiblichen Rollen von jungen Männern gespielt wurden, nannte man diese Schauspieler »Onnagata«, Frauengestalten oder Frauenfiguren. Heute bedeutet dieses Wort außerdem auch eine Schauspielerin ohne jede anrüchige Anspielung; man sagt aber besser onna yakusha oder joyū.

Ein häufig gebrauchtes Wort für einen passiven Päderasten ist »Wakashū«, ein junger Mann, ein Bursche. Feiner ist das Wort »Chigo«, Kind, das aber auch Page oder Edelknabe im Sinne des Nanshoku bedeutete, so daß man auch gewöhnlich »Chigo-San« sagte. San ist eine Abkürzung von Sama, ein höflicher Titel, der dem Namen von Personen nachgesetzt wird, so daß Chigo-San etwa »der junge Herr Page« sein würde. Nach dem Buch »Bishōnen Ron« (Eine Unterhaltung über einen schönen Jüngling, wir würden sagen: über einen Adonis), verfaßt von Kōmurō Shujin, besteht folgender Brauch:

 

»Namentlich in den Gruppen der Mittelschüler ist der Unfug der Pagenjagd (Chigogari) sehr verbreitet. Ich habe gehört, daß sich dieser Unfug zum Zweck geheimer Vergnügungen in dunklen Nächten abspielt. Eine Angriffsbande von fünf bis sechs Schuljungen taucht um ein Haus herum auf, in dem ein hübscher junger Mann wohnt, um diesen als ihr Opfer zu verschleppen. Einer von ihnen stellt sich als Lockvogel auf und geht an das Haus heran, um jenen herauszulocken. Er faßt den jungen Mann dann am Arm und verleitet ihn zum Mitgehen. Sobald sie an einen geeigneten Platz kommen, gibt er mit einem lauten Pfiff ein Zeichen, das die anderen hören müssen. In demselben Augenblick kommt die Gruppe der Jungen, die im Hinterhalt gelegen haben, herbei und dann schleppen sie ihr bemitleidenswertes Opfer an irgendeine abgelegene Stelle und hier vergewaltigen sie es in schimpflicher Weise.«

 

Ein wirklicher Page oder Knappe, der einem Edelmann aufwartet und zu seinem Gefolge gehört, ist der »Koshō«; aber trotzdem das Wort in diesem Sinne keine anzügliche Nebenbedeutung hat, ist es zu einem Gassenwort für einen passiven Päderasten geworden. »Watari-Koshō« oder »Watari-Goshō«, ein Reise-Page, war ein Wort der Umgangssprache in der Hōyei-Periode (1704–1710 u. Z.). Ein solcher Reise-Page stand in den Diensten eines Daimyō (eines hohen Lehnsherren) oder eines Hatamoto (eines Vasallen des Shōguns, des früheren Herrschers in Japan) und hatte die Stelle eines passiven Päderasten bei diesen Edelleuten.

Statt Wakashu sagt man auch »Shōjin«, ein junger Bursche, und den Mann, der einen solchen jungen Burschen liebt, bezeichnet man als »Shōjin-Zuki«, eigentlich Shōjin-Tsuki, d. h. der einem solchen jungen Burschen nachläuft, in dem Sinne, daß er ein Liebhaber der Päderastie ist, so daß man daraus ein Gassenwort für einen aktiven Päderasten gemacht hat. Es ist aber nicht sehr gebräuchlich und kann die eingangs dieses Abschnittes gemachte Bemerkung über selten vorkommende Benennungen für einen aktiven Päderasten nicht umstoßen, zumal das Wort ziemlich farblos ist.

siehe Bildunterschrift

23. Ein Mann mit seinem Liebling (Yarō). Farbenholzschnitt des Utamaro (1753 – 1806)

Eine unmittelbare Beziehung auf das Weibische und Weibliche bei dem passiven Päderasten hat das Wort »Oniyake«, der Weibische oder der Weibliche (von niyakeru), das aber auch als Bezeichnung des Anus gebraucht wird. In dem Buch »Kinō wa Kyō no Monogatari« (Das Gestrige als Erzählung von heute) steht folgendes:

»Oniyake no harikata.«

»Der Phallos eines passiven Päderasten.« Satow nimmt an, daß es in der Yedo-Periode künstliche Glieder, Harikatas, zur einsamen Selbstbefriedigung gleichgeschlechtlich veranlagter Männer gegeben hat. Heute sei es ihm aber nicht möglich, im Schrifttum oder auf Bildern diese Art der im Geschlechtsleben verwendeten Instrumente nachzuweisen.

 

In die Niederlassungen der alten Kriegerkaste, des Buke, hatten die passiven Päderasten unter dem Decknamen eines »Kōgu-uri«, eines Verkäufers von Gefäßen zum Verbrennen des Weihrauches, Zutritt. Frauen durften diese Niederlassungen, die wir als Barackenlager bezeichnen könnten, nicht betreten. Ob in dem Kōgu, dem Gefäß für den Weihrauch, eine Anspielung auf den »Beruf« dieser angeblichen Verkäufer liegt, geht aus den Unterlagen nicht hervor.


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