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Danshō

Die gewerbsmäßige Hingabe von Männern im gleichgeschlechtlichen Verkehr bezeichnet man mit »Danshō«. Danshoku ist das Stammwort und gleichbedeutend mit Nanshoku, wie wir oben gesehen haben.

Bis 1907 war der gleichgeschlechtliche Verkehr durch das Strafgesetzbuch verboten. Obwohl nach der anfänglichen Strenge seit 1871 u.Z. später vielfach Milderungen eintraten und die Polizei ein Auge zudrückte, schien man doch neuerdings (das Buch von Karsch-Haack erschien 1906) schärfer gegen alle Äußerungen der »öffentlichen« Unsittlichkeit vorzugehen. Gegen »unzüchtige« Bücher und Bilder wird der Kampf schon seit längerer Zeit geführt, und die geheime Prostitution (ob es sich um das männliche oder weibliche Geschlecht handelt, bleibt sich gleich) wird nach Möglichkeit unterdrückt, obwohl diese Unterdrückung in Japan, wie überall, in den größeren und ganz großen Städten ihre Schwierigkeiten hat und praktisch nie durchgeführt werden kann. Die folgenden Angaben aus Satows Stoffsammlung beziehen sich hauptsächlich auf die Vergangenheit, wodurch ihnen aber ihr großer geschichtlicher Wert nicht genommen wird.

Außer den oben angegebenen Namen für die Wakashū sind Wörter, die besonders darauf hinweisen, daß es sich um gewerbsmäßige Preisgabe handelt, für den passiven Päderasten in den Unterlagen nicht vorhanden. Die Absteigequartiere oder Häuser, in denen Wakashus für das Danshoku zur Verfügung standen, nannte man in erster Linie »Kagema-Chaya« oder »Kagema-Jaya«, ein Kagema-Teehaus. Von dem Kagema ist oben die Rede gewesen; es ist ein junger Schauspieler unter 14 Jahren, der noch nicht die Bühne betritt; es handelt sich also vielleicht nur um einen Vorwand, der einen Beruf heranzieht, bei dem früher Mitglieder vorhanden waren, die weibliche Kleidung trugen, weil sie weibliche Rollen spielten und zum Teil auch wirklich gleichgeschlechtlich veranlagt waren. In der Yedo-Periode (also vor 1867 u. Z., d. h. vor der Reformation in Japan) gab es Kagemajayas in Tōkyō, Ōsaka und Kyōto, sie wurden aber auf Befehl des Bakufu, der Regierung des Tokugawa-Shogunates, im Dezember des neunten Tempō-Jahres (1838 u. Z.) verboten. Aber in Tōkyō wurde das »Geschäft« im geheimen auf dem Tempelgebiet von Yushima Tenjin Jinja, Auch hier sei darauf hingewiesen, daß Jinja immer einen Shintō-Tempel bezeichnet; der buddhistische Tempel wird mit der Anhängesilbe ji kenntlich gemacht. Yushima-mashi, Hongō, bis zum Anfang der Meiji-Periode weitergeführt. Die Kagema dieses Ortes sollen wie die andern jungen Leute gekleidet gewesen sein, was an sich ohne weiteres begreiflich ist, da sie nicht auffallen durften.

Ein anderer Name für ein Kagemajaya war »Yoshichō«, eine ganz unverdächtige Bezeichnung, denn sie stammt von dem Stadtteil Yoshicho, Nihombashi, Tōkyō, wo solche Betriebe in der Yedo-Periode in größerer Anzahl vorhanden waren. Und doch hat gerade »Yoshichō« eine große Verbreitung gefunden, weil man auch die Kagemas selbst, also die »Angestellten« dieser Häuser als »Yoshichō« bezeichnete. Wir sind diesem Wort wiederholt begegnet, weil es offenbar sehr volkstümlich war und deshalb auch in Senryūs und Volksliedchen verwendet wird. Diese Yoshichōs bedienten die Gäste ihres Hauses nur vom vierzehnten bis siebzehnten Jahr, weil sie dann wegen der festen Haare am Anus »unbrauchbar« wurden. Sie blieben aber dann, wie wir gesehen haben, für weibliche Besucher im Hause, wo sie von den Hofdamen und üppigen Witwen aufgesucht wurden. Dies mag ein Beweis dafür sein, daß es sich nicht ausschließlich um gleichgeschlechtlich veranlagte junge Leute handelte, denn diese letzteren werden wohl für den mann-weiblichen Verkehr ungeeignet gewesen sein. Es wäre aber auch möglich, daß die althergebrachte Sitte sie zu diesem Verkehr zwang, wenn sie nicht das Haus, in dem sie bisher angestellt waren, verlassen wollten.

Von dem Besuch von Frauen im Yoshichō spricht das folgende Senryū:

»Yoshichō de Gobō wo arau
         Onna kyaku.«

Die Bedeutung dieses Senryū ist nicht ohne weiteres klar; wörtlich übersetzt lautet es so: »Der weibliche Gast wäscht im Yoshichō die Klette.« Gobō, die Klette (Lappa major) haben wir oben in der Redensart »Gobō-no-Kirikuchi«, das abgeschnittene Ende der Klette, kennen gelernt, womit der Anus gemeint ist. Eine andere Redewendung bringt aber Gobō offenbar in der Bedeutung von Penis: »Suefuro-oke de Gobō«, die Klette in einer (tragbaren) Badewanne abwaschen. Dieser Gassenausdruck besagt soviel wie »Koitus zwischen einer Frau mit einer weiten Vulva und einem Mann mit einem kleinen Penis«. Diese tragbare Badewanne, die mit einem kleinen Ofen ausgerüstet ist, heißt also »Sue-foro« oder »Sue-boro« und ist ein Gassenwort für eine geräumige Vulva. Ein Senryū sagt:

»Sueforo de Konuka wo arau
         Zurui Haha.«

»Eine schlaue Mutter verkehrt geschlechtlich mit ihrem Schwiegersohn!« Konuka, die Reiskleie, ist ein Gassenwort für den Schwiegersohn; arau bedeutet eigentlich »waschen«, hat aber hier den Sinn von »unerlaubten Geschlechtsverkehr haben«; Sueforo, die geräumige Vulva, haben wir bei der Übersetzung zunächst außer Betracht gelassen, obwohl das Senryū ohne weiteres annimmt, daß eine Schwiegermutter, die also mindestens ein Kind geboren hat, über eine geräumige Vulva verfügt. Aber der Witz des Verschens kommt eigentlich nur bei der wörtlichen Übersetzung zur Geltung: »Eine schlaue Mutter wäscht Reiskleie in ihrer Badewanne!« Erst wenn jemand die sämtlichen Nebenbedeutungen kennt, wird er über die geschickte Ausdrucksweise des Senryū zu lachen imstande sein. Ebenso harmlos ist auch zunächst die Bedeutung von »Sueforo-no-Kuchi«, die Öffnung der Badewanne oder der Mund der Badewanne, während der Eingeweihte darunter den Schlitz des Cunnus oder vielmehr den Eingang der Scheide darunter versteht.

In dem oben angeführten Senryū könnte man hiernach den Sinn finden, daß entweder die Frau, die das Yoshichō besucht, den Penis des Wakashu abwäscht, oder selbst ein Sitzbad in der tragbaren Badewanne nimmt. Den Witz kann ich nicht herausfinden.

Statt Kagemajaya sagt man auch »Kodomo-ya«, das Knabenhaus. Kodomo ist eigentlich ein Kind und bezeichnet Kinder beiderlei Geschlechts; man kann also Kodomo mit Junge oder Mädchen wiedergeben, oder mit Sohn oder Tochter. Es scheint aber, als ob man einen gewissen Nebensinn in das Wort legte, denn »Kodomo«, Tochter, bedeutet in den Vierteln der Halbwelt soviel wie Kakae, die Angestellte in einem Bordell, d. h. ein Singmädchen oder eine Geisha. Wir werden von den Kakae noch zu reden haben. –


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