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Hatsu-Hana. Das erste Auftreten der Menstruation

»Hatsu-Hana« bedeutet »die erste Blüte«; diese Bezeichnung ist aber für Japan nichts eigentümliches, sondern in vielen Gegenden der Erde verbreitet, aber bei einem blumenliebenden Volk, wie es die Japaner sind, mußten wir diesen Ausdruck und ähnliche erwarten. So sagt man auch »Hana«, die Blüte, die Blume, für die Menses im allgemeinen. In demselben Sinne wie Hatsu-hana, die erste Blüte, sagt man auch »Hatsu-no-Tsuki«, der erste Mond, d. h. das erste Monatliche.

 

Es ist in Japan Sitte, das erste Auftreten der monatlichen Blutung bei einem jungen Mädchen für die Umgebung nicht unbemerkt vorübergehen zu lassen. Die Eltern freuen sich, daß aus dem bisherigen Kind eine mannbare Jungfrau geworden ist. Dieser Freude gibt man dadurch Ausdruck, daß man den Verwandten und Nachbarn Sekihan ins Haus schickt, was diese dann veranlaßt, den Eltern ihre Glückwünsche darzubringen. Sekihan ist roter Reis, d. h. Reis, der mit roten Bohnen zusammen gekocht ist; man stellt diese Speise, die gewöhnlich bei feierlichen Gelegenheiten gegessen wird, auch so her, daß man eingeweichten Klebereis mit gekochten roten Bohnen zusammen dämpft. Die allgemeine Verwendung des Sekihan als Festspeise läßt darauf schließen, daß nicht in erster Linie die rote Farbe bei der Zusendung an Verwandte und Nachbarn maßgebend war, um ihnen in sinnbildlicher Weise das frohe Ereignis des Hauses anzuzeigen, aber die Sitte hat doch in bestimmter Absicht diese Festspeise gewählt, denn sie erspart jede weitere Erklärung über den Zweck der Zusendung. Der Brauch wird als »Hatsuhana-iwai«, Gedächtnisfeier der ersten Blüte, bezeichnet.

 

Um das Mannbarwerden eines Mädchens zu bezeichnen, hat das Volk die Redensart: »Jūsan pakkuri Ke ha gaete«, die Blutung ist das und die Schamhaare sind ihr gewachsen. Und ein Sprichwort lautet: »Jūsan pakkuri Ke jūroku«, Die monatliche Blutung kommt im Alter von dreizehn Jahren und das Schamhaar wächst im Alter von sechzehn Jahren. Ein Senryū aus der Yedo-Periode bezweifelt jedoch seine Allgemeingültigkeit:

»Jūsan to Jūroku
         Tada no toshi de nashi.«

»Dreizehn und sechzehn sind nicht in allen Fällen das Alter.«

Im folgenden bringen wir einige Senryūs, die sich mit dem Hatsu-Hana beschäftigen:

»Ike no hata Hana saku koroni
         Kusa mo hae.«

»Wenn die Blume blüht, dann beginnt auch um den Teich herum das Gras zu sprießen.« Diese dichterische Äußerung eines naturliebenden Volkes besagt lediglich: »Wenn die erste Blutung erscheint, beginnen die Schamhaare hervorzuwachsen.« Kusa, das Gras, als sinnbildliche Bezeichnung der Schamhaare, begegnet uns öfter in Senryūs und Volksliedchen.

Es ist in Japan Brauch, bei Verletzungen als Volksmittel die offenen Wunden mit Tabakstaub zu bestreuen, um das Blut zu stillen. Über diesen Brauch macht sich ein Senryū in folgender Weise lustig:

»Hatsu-hana ni tabako wo tsuke te
         Ō sawagi.«

»Es entstand eine große Aufregung, als man bei der ersten monatlichen Blutung Tabak verwendete.« Anscheinend gilt dieses spöttische Verschen solchen Eltern, die ihre Töchter nicht rechtzeitig über das ihnen Bevorstehende aufklären. Es soll wohl darauf hingewiesen werden, daß ein Mädchen die erste Blutung als eine Verwundung ansehen und sie nach dem Brauch mit Tabakstaub behandeln könne. Die Aufregung würde dann wohl durch das Geschrei entstehend gedacht sein, das das Mädchen infolge der beißenden Schmerzen ausstoßen würde.

»Tsuki wo mirukoro
         Dote ni susuki hae.«

»Sobald man das Mondlicht sehen kann, wächst das Schilf an den Ufern empor.« Dote, die Ufer, die Deiche, bezeichnet im übertragenen Sinne die weiblichen Geschlechtsteile, und zwar in erster Linie die großen Schamlippen, weil diese gewissermaßen die Ufer der Schamspalte bilden. Susuki ist hier in derselben Weise wie oben Kusa bildlich für die Schamhaare gebraucht, sodaß dieses Senryū denselben Gedanken, wie das zuerst angeführte, zum Ausdruck bringt: »Wenn das Monatliche erscheint, beginnen die Haare auf den Labia majora zu wachsen!«

Wir wollen hier ein Senryū einschieben, das den Gedanken, die Schamlippen als Ufer zu betrachten, in humoristischer Weise verwertet:

»Dote no kusa nureta de
         Uma wa suberi komi.«

»Das Pferd glitt (in den Sumpf) hinein, weil das Gras am Ufer naß war.« Uma, das Pferd, ist ein bekanntes Gassenwort für einen kräftigen Penis, von dem wir an anderer Stelle gesprochen haben. Das Senryū macht sich also über ein geiles Weib lustig, die in ihrer geschlechtlichen Erregung so starke Absonderungen hatte, daß selbst ein »Hengst« in ihren »Sumpf« hineinglitt.

Ein neues Wort für die monatliche Blutung lernen wir in den folgenden Senryūs kennen: »Okyaku«, der Gast. Obwohl bei Okyaku bereits die Höflichkeitssilbe O vor das Wort Gast (Kyaku oder Kiaku) gesetzt ist, sagt man trotzdem noch höflicher »Okyaku sama«, der Herr Gast. Das Wort wird seit der Yedo-Periode in den Vierteln der Halbwelt von Tōkyō gebraucht. Es entspricht etwa dem Ausdruck, den man bei uns hören kann: »Ich habe Besuch!«

Die als Belege für Okyaku vorliegenden Senryūs beschäftigen sich ausschließlich mit dem ersten Auftreten der Menstruation:

»Hajimete no Okyaku
         Musume wa magomago shi.«

»Beim ersten Auftreten der Blutung ist das Mädchen ganz verwirrt.« Oder: »ganz verlegen.« Wörtlich heißt es: »Wenn ein Gast zum erstenmal kommt, ist das Mädchen ganz verlegen.« – Nach einer alten Erfahrung sollen die jungen Mädchen, auch wenn sie von der Mutter vorbereitet sind, doch beim ersten Auftreten der Blutung sich im Gemüt oft mehr oder weniger beschwert fühlen.

»Hajimete no Okyaku ni
         Aka no meshi wo taki.«

Dieses Senryū ist, wie so oft bei dieser Art von Volksdichtungen, doppelsinnig, weil es wörtlich genommen sich zunächst ganz harmlos anhört: »Wenn ein Gast zum erstenmal erscheint, wird roter Reis gekocht.« Wir haben oben gesehen, daß dieser rote Reis, das Sekihan, eine Festspeise ist. In diesem Sinne sagt das Senryū: Wenn ein Gast zum erstenmal kommt, ist es ein Fest und deshalb wird die Festspeise gekocht. – Wir wissen aber, daß das Sekihan an Verwandte und Nachbarn geschickt wird, wenn bei der Tochter des Hauses der »Gast« zum erstenmal eingekehrt ist. Und darin liegt die zweite Bedeutung des Senryū: Wenn die erste Blutung eingetreten ist, wird der rote Reis gekocht.

»Okyaku oba soryaku ni suna to
         Haha oshie.«

»Die Mutter unterrichtet sie: Wenn die Tante zu Besuch kommt, darfst du nicht launenhaft oder nachlässig sein!« Mit andern Worten: »Du darfst deine erste Blutung nicht nachlässig behandeln!«

Mit der ersten monatlichen Blutung erhält das Mädchen auch den ersten Monatsgürtel, das Uma oder Omma, von dem wir gleich sprechen werden. Man nennt daher auch das erste Auftreten der Blutung »Hatsu-Uma«, die erste Monatsbinde. Im Gegensatz zu der Anschauung des Sprichworts, daß die Schamhaare erst lange nach dem ersten Auftreten der Blutung zu wachsen beginnen, sagt ein Senryū:

»Hatsu-uma no korokara
         Dote ni kusa ga hae.«

Wörtlich würde das etwa bedeuten: »Wir sehen das Gras am Ufer wachsen, wenn das Pferd zum erstenmal hinausgeführt wird.« Das Senryū will damit den Gedanken ausdrücken: »Sobald sie zum erstenmal den Monatsgürtel anlegt, sehen wir die Haare auf den großen Schamlippen wachsen.« Über Kusa, Gras und in übertragenem Sinne: das Schamhaar, haben wir oben gesprochen.


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