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Nanshoku Shijû-Hatte

Wie wir an anderer Stelle dargelegt haben, bedeutet Shijû-Hatte: die achtundvierzig Kunstgriffe der Ringer, im übertragenen Sinne: die Stellungen beim Koitus, wobei die Zahl 48 ausscheidet, da es die Japaner niemals zu der Systematik der Inder gebracht haben und eine Zusammenstellung von ausgerechnet 48 Stellungen beim Koitus überhaupt nicht vorhanden ist. Wenn wir daher beim Nanshoku, bei dem gleichgeschlechtlichen Verkehr unter Männern, von Shijû-Hatte sprechen, so handelt es sich um den Analkoitus, aber hier ist die Zahl der Stellungen noch viel geringer, als diejenige, die wir beim Koitus zwischen Mann und Frau aufzählen können, zumal die Unterlagen keinen Anhalt dafür bieten, daß in Japan beim gleichgeschlechtlichen Verkehr unter Männern andere Handlungen außer dem Analkoitus vorkommen.

Die Art und Weise der einfachen Ausübung des Analkoitus wird in dem Buch »Shûdô-Hiden« (Die Geheimlehre der Päderastie), verfaßt von Mitsuo Sadatomo und erschienen im dritten Keichô-Jahr (1598 u.Z.), wie folgt beschrieben:

»Karakomi to iu wa tsuba wo sukoshi shimeshi shizen to tsuku nari, oshi ni itamazaru nari.«

»Unter Karakomi versteht man das langsame Einführen des Penis (beim Analkoitus), unter Verwendung von ein wenig Speichel, dann geht es schmerzlos vor sich.« Das Wort Karakomi gehört zum Kauderwelsch der Päderasten; es könnte »das vollkommene Eindringen« bedeuten.

In demselben Buch wird eine Stellung beim Analkoitus erwähnt, die der Verfasser als »Age-Hibari« bezeichnet, was wörtlich: die aufsteigende Feldlerche bedeutet. Zu dieser dichterischen Bezeichnung gibt der Verfasser die folgende Beschreibung, die sehr prosaisch und nicht recht verständlich ist:

siehe Bildunterschrift

Kyatatsu-Kaeshi.

»Diese Stellung wird ausgeführt, als ob eine Feldlerche in die Luft aufsteigt; mit andern Worten: man führt sein Glied in ganz kunstloser Weise ein, und auf diese Weise hat man keine Schmerzen.«

Deutlicher drückt sich derselbe Verfasser in seinem Buch »Shûdô Hiden« aus, wenn er eine Stellung, die er als »Sakaotoshi«, einen Abhang hinuntereilen, folgendermaßen beschreibt:

»Es gibt eine Stellung, die man Sakaotoshi nennt; das heißt: man führt den Penis langsam vom Steißbein (Koccyx) her in den Anus ein.«

Das wäre also der Analkoitus a posteriori; merkwürdigerweise hat sich das Wort Sakaotoshi auch beim Koitus »von hinten« zwischen Mann und Frau erhalten, indem man »Hiyodori-goe-no-Sakaotoshi« dafür sagt, d.h.: den Abhang von Hiyodori-goe hinunter reiten. Wir haben diese Redensart an anderer Stelle ausführlich besprochen und mit einer bildlichen Darstellung belegt.

Wenn der Wakashu beim Analkoitus auf dem Rücken liegt und der vor ihm kniende aktive Päderast dessen Beine auf die Schultern nimmt, dann nennt man diese Stellung »Kyatatsu-Kaeshi« oder »Kyatatsu-Gaeshi«, die umgeworfene Fußbank; eine scherzhafte Bezeichnung, weil eine umgeworfene Fußbank auch ihre Beine gen Himmel streckt. Das Bild stammt aus dem Buch »Kôshoku Tabi Makura«, das wollüstige Reisekopfkissen.

Wenn beim Analkoitus der Penis des aktiven Päderasten mit dem Kot, den Faeces des Wakashu in Berührung kommt, so bleibt wohl am Eichelkranz, an der Corona glandis, in der Furche davon hängen. Dies nannte man mit einem Fachausdruck »Kin-no-wa«, der goldene Ring. Diese Bezeichnung rührt daher, daß die Faeces bei den Japanern, die fast ausschließlich von pflanzlicher Nahrung leben (Reis, Gemüse, allenfalls Fische), wie bei Kindern gelb sind. Die beiden folgenden Senryūs beschäftigen sich ausschließlich mit buddhistischen Priestern (Oshō), bei denen die pflanzliche Ernährung ganz streng durchgeführt wird, und die wohl auch Veranlassung zu dem Fachausdruck »Kin-no-wa« gegeben haben. Die Bezeichnung »Goldner Ring« kommt allerdings in den beiden Senryūs nur in Umschreibungen vor.

»Kiiro na erimaki
         Oshô sama kitsui suki.«

»Der hohe buddhistische Priester hat ein gelbes Halsband sehr gern.«

Ii Oshō kuso no wagesa wo
         Ko ni kakeru.«

»Der gutmütige buddhistische Priester legt gern ein Band von Kot um den Hals seines lieben Sohnes!« Die scherzhafte Bezeichnung: »Sohn« oder »mein Sohn« für den Penis kommt häufig vor; man sagt »Musuko«, Sohn, in der Sprache des niederen Volkes, oder auch »Segare«, mein Sohn; von diesem Wort haben wir oben gesprochen und Senryûs als Belege angeführt.

Anstatt Kin-no-wa gebraucht man auch in päderastischen Kreisen als Fachwort »Hachimaki«, die Kopfbinde, die ja auch in Japan viel von Männern getragen wird, um das Haar zusammenzuhalten, wo der Beruf es erfordert (Arbeiter, Ringer usw.).


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