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Inkyo. Der Penis im Volksmund und im Schrifttum

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34. a) »Bilder ohne Worte«. Aus einem Kissenhuch von Morunobu (1646-1714).

Im Abschnitt »Götter und Geister« haben wir das gebräuchlichste Wort »Chin« für den kindlichen Penis kennen gelernt und dort gesagt, daß es für sich kaum vorkommt, sondern nur in Zusammensetzungen zu finden ist. Am gebräuchlichsten ist die Verdoppelung »Chinchin« (bei Fujisawa, nicht bei Inouye), mit Vorsetzung der Höflichkeitssilbe O »Ochinchin«, das auch als »Ochin« abgekürzt wird, wie wir im Abschnitt »Götter und Geister« bei dem Geschichtchen vom Matsudake gesehen haben. Von den Zusammensetzungen mit Chin bedeuten »Chimbō« merkwürdiger Stock, Stab, und »Chimbokko« oder »Chimboko« merkwürdige Hellebarde, sonderbarer Spieß; ko und kko sind Zusatzsilben ohne jede Bedeutung, die die Wörter klangvoller machen. Fujisawa hat »Chinpo, männliches Glied«, bei Inouye fehlt das Wort. Die Erklärungen der angeführten Wörter als »merkwürdiger Stab«, »sonderbarer Spieß« kommen mir etwas gezwungen vor, ganz abgesehen davon, daß man bei einem kindlichen Penis kaum von Stab oder Spieß reden wird. Bei den Wörtern »Ochinko« und ohne die Höflichkeitssilbe »Chinko« versucht man keine Deutung, während man bei »Chimpoko« zur Erklärung »sonderbarer Speer« greift. Es handelt sich in allen Fällen um volkstümliche Bezeichnungen für den Penis eines kleinen Knaben, die das Wort Chin enthalten, so daß die Vermutung nahe liegt, daß es sich um frei erfundene Anhängsel handelt, ebenso willkürlich, wie die Umdrehung vom Chimpoko zu Pokochin, das aus der Umgangssprache nicht zu erklären ist. Es handelt sich wohl um einen Scherz der Erwachsenen.

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34. b) »Bilder ohne Worte«. Aus einem Kissenhuch von Morunobu (1646-1714).

Zu einer ebenso scherzhaften Verwendung ist das Wort Chin in dem Ausdruck »Odawara-Chōchin« gekommen, obwohl es sich auch hier nur um einen zufälligen Gleichklang handeln kann. Das Odawara-Chōchin, auch kurz Odawara oder Chōchin genannt, ist eine kleine zylindrische Papierlaterne. In der Volkssprache bedeutet das Wort den Penis eines alten Mannes und im übertragenen Sinne einen impotenten Mann, d.h. einen Mann mit dem Penis eines alten Mannes, der keiner Erektion mehr fähig ist. Damit ist der Penis gewissermaßen als kindlicher Penis bezeichnet. Das nebenstehende Bild ist der Zeitschrift »Tsuki to Suppon Chi«, D.h. Närrisches von Mond und Schnappschildkröte, wir würden sagen »Lustiges Kunterbunt«., Nr. 28 vom 4. April des 12. Meiji-Jahres (1879 u.Z.), entnommen.

siehe Bildunterschrift

Odawara-Chōchin.

Es stellt einen sehr alten Priester, den Heiligen namens Oenu, dar, der als Sinnbild seines hohen Alters ein Odawara-Chōchin in der linken Hand trägt; in der rechten hält er eine der üblichen Kopfstützen, auf der eine heilige Schrift oder ein Gebetbuch aufgeschlagen liegt. Ein anderes Bild, auf dem ein impotenter Ehemann ein Odawara-Chōchin wie ein blankes Schwert handhabt, bringen wir im Abschnitt »Yūfukan, der Ehebruch«.

Ein sehr altes Wort für den Penis ist »Chūbō«, der Mittelpfahl, der Pfahl in der Mitte; Satow erklärt Chūbō als das Stammwort von Chinbō (Chimbō) und damit aller Ableitungen hiervon. Nun haftet dem Wort Chūbō zweifellos etwas Phallisches an und dies bringt mich auf die Vermutung, ob hier nicht Beziehungen zur Schöpfungssage bestehen, wie sie in dem alten Geschichtsbuch Kojiki niedergelegt ist. In dieser Schöpfungssage ist die Rede vom Himmelspfeiler, ferner vom Zentralpfeiler des Landes, der Insel Onogoro, und schließlich von der hohen Halle, in der wohl die Säule stand, die von dem Götterpaar Isanagi und Isanami umwandelt wurde, ehe sie zur ersten Begattung schritten. Es handelt sich wahrscheinlich um das Urbild eines Beischlafhauses, wie es später in Japan Sitte war. Auf menschliche Verhältnisse übertragen, mußte aus diesem Pfeiler oder der Säule ein Pfahl werden, denn die Beischlafshütten waren nicht größer, als zweckdienlich. Wir hätten also im Chinbô der Kindersprache die Erinnerung an das Chūbō der alten Sage aufbewahrt; ein Fall, der in der Volkskunde gar nicht so selten nachweisbar ist.

Bisher haben wir von Wörtern gesprochen, die von den Kindern selbst für den Penis gebraucht werden. Es gibt aber auch bei den Erwachsenen eine große Anzahl, fast immer scherzhafter, Bezeichnungen für den Penis der noch nicht mannbaren Knaben. Der Erwachsene bringt damit auch gewissermaßen seine Überlegenheit über den kleinen Penis der Jungen zum Ausdruck. Deutlich sichtbar ist dieser Zug in »Rōsoku-Chimbō«, Wachslichtpenis, Kerzenpenis. Chimbō ist an sich schon der kleine Penis eines Knaben, aber das Volk unterstreicht diese Kleinheit noch, indem es ein Wachslicht, wie sie für die Papierlaternen verwendet werden, zum Vergleich heranzieht.

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34. c) "Bilder ohne Worte". Aus einem Kissenbuch von Morunobu (1646-1714).

Eine ähnliche Bezeichnung für den Penis eines kleinen Knaben ist »Shiji« oder »Shinji«, der Fingerähnliche, ein Wort der Mundart der Provinz Aizu. Eine humoristische Erzählung hierzu findet sich in dem Buch »Shizen Shōwa« (Lustige Geschichten aus dem Stegreif) von Yamanaka Emi:

»Zu Beginn der Meiji-Ära lebte in Shizuoka ein Lehrer der englischen Sprache namens Miyasaki Shunji, der später zu einer Schule in der Provinz Aizu übertrat. Während seines dortigen Aufenthaltes machte er im Haus einer gewissen Offiziersfamilie einen Besuch. Als auf sein Klingeln hin ein Dienstmädchen erschien, gab er diesem seinen Namen in folgender Weise an:›Ich heiße Miyasaki Shunji!‹ Das Mädchen wurde ganz rot und ging ohne ein Wort zu sagen in das Innere des Hauses. Das kam dem Gelehrten damals ganz sonderbar vor, später aber begriff er, weshalb das Mädchen so rot geworden war, als sie das Wort ›Shunji‹ hörte. Sie hatte nämlich ›Shinji‹ verstanden, wie man in jenem Bezirk den Penis eines Kindes zu bezeichnen pflegt.«

In der Provinz Tōhoku im nordöstlichen Japan hat man des Vollklanges wegen die Silbe ko an Shiji angehängt und sagt »Shijiko«.

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Aotōgarashi.

Ein volkstümliches Wort für den Geschlechtsteil eines Knaben ist »Aotōgarashi«, die grüne Schote des spanischen oder Cayenne-Pfeffers, Tōgarashi, das Capsicum der Botanik. Tōgarashi selbst wird auch wie Aotōgarashi verwendet. In dem Buch »Fūzoku Sangokushi« (Erklärung der Sitten und Gebräuche) steht folgendes zu lesen:

»Dieser Knabe ist erst in diesem Jahr vierzehn Jahre alt geworden, aber seine Stimme bricht sich schon und es scheint, als ob er bald mannbar sein wird! Laßt mich einmal sein Aotōgarashi sehen, wie es wächst!«

Das obenstehende Bild, das die »grüne Schote« sehr deutlich sehen läßt, ist von Utamaro gezeichnet; es stammt aus einem erotischen Buch der Yedo-Periode.

Aus dem Pflanzenreich entnommen ist auch der Vergleich des Penis eines kleinen Knaben mit dem »Shii-no-mi«, dem Samen der Lebenseiche, Quercus cuspidata. –

Von dem kleinen Penis eines Knaben muß man den kleinen Penis eines erwachsenen Mannes wohl unterscheiden. Einen solchen nennt man »Uraboso«, eine schmächtige Spitze, und versteht darunter einen Penis, der eine seiner Größe nicht entsprechende kleine Eichel hat. In dem erotischen Buch »Inyō Tegoto no Maki« (Handbuch für Männer und Frauen) von Insai Hakusui (Keisai Eisen) findet sich folgende Angabe:

»Uraboso, Chū-no-ge, Kono mara Arabachi ni mochiuru ni wa oisni yoshi sono hoka niwa tsugo ashiki nari.«

»Dieser Penis ist nur für die Defloration einer Jungfrau mit Vorteil zu gebrauchen, aber es hat keinen Zweck, ihn bei anderen Frauen anzuwenden.« Das nicht übersetzte Chū-no-ge ist eine kurze Erklärung zu Uraboso, es bedeutet »Minderwertigkeit der Mitte«, oder mit einem anderen Schriftzeichen, »der Säule«, so daß wir Chū auch hier in der Bedeutung Penis hätten. Arabachi ist wörtlich: ein neues Gefäß, im übertragenen Sinn: die Jungfernschaft; im Abschnitt »Harikata« findet man weiteres darüber.

In der Umgangssprache nennt man die Peniseichel, die Glans penis, »Kari«; es ist eine Abkürzung von »Karikubi«, die Corona glandis. Kubi ist soviel wie Hals oder Kopf. Ist das Collum glandis, der Eichelhals, die Einbuchtung hinter der Eichel angeschwollen, so nennt dies das Volk »Karidaka«, die erhöhte Eichel.

Scherzhafte Bezeichnungen der Glans sind: »Kasa-no-Dai,« der Kappenhalter, der Mützenhalter, wobei die Vorhaut als Kappe oder Mütze angesehen wird; »Ten-Mado,« ein Fenster in der Zimmerdecke, ein Oberlicht; der Sinn ist nicht ganz klar. Ob damit dasselbe gemeint ist, wie mit »Rokei«, das die entblößte Eichel nach dem Zurückschieben der Vorhaut bezeichnet, wäre möglich; bei entsprechender Einbildungskraft, über die das Volk ja verfügt, könnte man in dem Wulst der Vorhaut die Fassung des Fensters sehen, aus dem die Eichel herausblickt. Gewöhnlich sagt man »Muke-Mara« oder »Mukure-Mara«, der entblößte Penis, der abgestreifte Penis, wenn man die Eichel ohne Vorhaut meint.

»Shishiki-Gankō« ist eine dunkelrote, bei der Erektion des Penis angeschwollene Eichel und wird als gleichbedeutend mit einem kräftigen, strotzenden Penis gebraucht. Ein Senryū sagt:

»Shishiki-gankō
         Okyō kato Gejo omoi.«

»Die Dienstmagd dachte zuerst, daß mit Shishiki-gankō die buddhistischen heiligen Schriften gemeint seien.« Okyō sind die Sutras der Buddhisten, ohne die Vorsilbe O Kyō. Die Dienstmagd hat statt Kō in Shi-shiki-gan-kô fälschlich Kyō verstanden und infolgedessen zunächst an die buddhistischen Schriften gedacht. Viel Witz liegt in dem Senryū nicht; es will sich in erster Linie über die dumme Magd lustig machen.

Ein sonderbarer Ausdruck für die Peniseichel oder das Collum glandis ist »Uma-Dome«, das wir zunächst einmal mit »Pferde, halt!« übersetzen wollen. Unter Uma-dome versteht man ein von zwei Stangen gehaltenes Anschlagbrett, das gewöhnlich mit einem schmalen Dach versehen ist. Manchmal ist es auch ein Brett, das unter einem Schutzdach aufgehängt ist. Auf diesen Anschlagbrettern befinden sich Verordnungen der Regierung, daß man von diesem Platz aus keine Pferde heranführen darf. Solche Tafeln sind gewöhnlich vor dem ersten Zugangstor zu einem Shintōheiligtum (Torii) angebracht, wonach man auch diesen Platz vor dem Tor Uma-dome nennt. Doma ist der ungedielte oder ungepflasterte Vorraum eines japanischen Hauses. Möglicherweise hat die Einbildungskraft des Volkes in dem kleinen Schutzdach, von der Seite gesehen, einen Vergleichspunkt für die Peniseichel gefunden. Uma, das Pferd, ist ja ein beliebter Volksausdruck für den Penis.

Das verbreitetste Wort für die Peniseichel ist »Atama«, der Kopf. Den unteren Teil der Eichel, die Stelle, an der sich das Frenulum praeputii befindet, nennt man »Ito-guchi« oder »Ito-kuchi«; Ito, Bindfaden, entspricht dem deutschen »Bändchen«. –

Unter den vielen volkstümlichen Namen für den Penis sind manche Umschreibungen, die wir ähnlich auch bei anderen Völkern antreffen, weil sie naheliegend sind. »Sei«, die Kraft, die Stärke, womit man auch die Hoden bezeichnet; »Yōkwa«, das männliche Ding, das veraltete »Nikugu«, das Fleischding; »Tanden«, der Teil des Unterleibs einige Zoll unter dem Nabel; »Sakuzō«, das Männliche; »Genyō«, der männliche Ursprung, gehören hierher. Das letzte Wort ist aus dem Chinesischen japanisch zurechtgemacht.

Mit den alten Schöpfungssagen hängt zusammen »Niboko«, der rote Speer, ein sehr alter Name für den Penis. Von dem Ame-no-Sakahoko, dem umgedrehten Juwelspeer, ist im Abschnitt »Götter und Geister« die Rede gewesen. Übertragungen sind »Gyoku-Kei«, der Juwelenstab; das dem Chinesischen Yü Tung Hsi nachgebildete »Gy-oku-Tozai« und »Tamaguki«, der Perlenstab. Von letzterem sagt ein Senryū:

»Tamaguki wa kabura-zuke ka to Gejo omoi.«

»Die Dienstmagd glaubte anfangs, das Tamaguki wäre eine eingesalzene weiße Rübe!« Damit soll das Mädchen vom Lande verspottet werden, als ob es einen Penis nicht von einer weißen Rübe unterscheiden könne. Das ist natürlich eine groteske Übertreibung des Volksdichters, um die Landmädchen lächerlich zu machen. Es scheint fast, wenn man das oben angeführte Senryū heranzieht, als ob es eine besondere Gattung von Senryūs gäbe, die alle die Redensart aufweisen: »kato Gejo omoi,« die Dienstmagd glaubte zuerst.

Wie weit die Bezeichnung des Penis als »Chūrei«, Luftgeist, mit Glaubensvorstellungen zusammenhängt, geht aus den Unterlagen nicht hervor.

Viele volkstümliche Ausdrücke für den Penis, die sozusagen eine geschichtliche Vergangenheit haben, werden heute gebraucht, ohne daß man noch an ihre Entstehung denkt. Zu diesen gehört »Komusō«. Unter Komusō verstand man früher einen Samurai, einen Ritter, d. h. ein Mitglied der Kriegerkaste, dem man wegen eines politischen Vergehens seinen Besitz genommen hatte oder der ohne Besitz aus dem Dienst entlassen worden war und nun in der Verkleidung eines bettelnden Spielmanns umherzog und auf dem Shakuhachi, der geraden Bambusflöte, spielte. Um sich unkenntlich zu machen, verbarg ein solcher Komusō gewöhnlich sein Gesicht durch einen tief heruntergehenden Binsenhut. Darin sah die Einbildungskraft des Volkes die Peniseichel und dachte sich so den Komusō als einen Penis. Ein Senryū sagt:

»Kintama no ue ni
         Komusō hirune suru.«

»Auf den Hoden macht der Penis ein Schläfchen.« Ein phallosähnlicher Pilz, Dictyophora phalloides, wird als Komusōdake, der Penispilz, bezeichnet (Inouye). Die militärischen Lehnsleute, Adel und Ritterschaft, hatten während der Tokugawa-Periode D. h. die Zeit während der das Shōgun-shoku, das Schogunat, die weltliche Herrschaft, in Händen der Familie Tokugawa war, 1600–1867 u. Z. für den Penis das Wort »Ichimotsu«, das eine Ding, das sich beim Volk erhalten hat, aber gewöhnlich in der Verstümmelung »Ichimatsu« gebraucht wird. Die Entstehung des Wortes ist nicht ganz klar; es kann eine Abänderung von »Yui ichi no mono«, nur das eine Ding, sein, oder auf »Ichi-motsu«, ein prächtiges Pferd, ein Schlachtroß, zurückgehen. Dem Volk ist die Abstammung natürlich nebensächlich, da es mit dem sehr beliebten Wort »Ichimatsu« dem Klang nach auch den Begriff »Bürste« oder »Pinsel« verbinden kann. Eine Anspielung auf das prächtige Roß findet man in dem folgenden Senryū:

»Chōkō ga Ichimotsu
         Shikamo Uma no yo.«

»Chao Kao's Penis war fast wie derjenige eines Pferdes.« Chao Kao, japanisch Chōkō, war ein Huan Kuan, ein Eunuch der Ch'in-Dynastie, der in Diensten des Kaisers Shih Huang Ti stand. Anfangs war er Verwalter eines Gefängnisses und nach dem Tod des Shi Huang setzte er einen andern Kaiser auf den Thron und machte sich zu seinem ersten Minister. Später machten sich zahlreiche Heerführer in verschiedenen Teilen des chinesischen Reiches selbständig; Cha Kao brachte den zweiten Kaiser um und setzte den dritten auf den Thron, wurde aber dann von einem Eunuchen namens Kan T'an erschlagen. Das ist es, was die Geschichte berichtet; wie aber die Erinnerung an diese Geschehnisse im dritten Jahrhundert v. u. Z. sich in Japan im Volke erhielt und wie man gerade die Kunde von dem großen Penis des Eunuchen Chōkō bis heute überlieferte, ist nicht aufzuklären.

In den erotischen Büchern der Yedo-Periode kommt das Wort »Menashi-bō«, der blinde Knabe, für den Penis vor. Das nebenstehende Bild stammt aus »Hakki Yakyō Yōkai no Zu« (Bilder vom nächlichen Herumstreifen der Gespenster?). Es handelt sich anscheinend um die Darstellung einer sagenhaften Gestalt oder eines Gespenstes, das als bettelnder Blinder umherzieht, in der Hand den langen Stab zum Abtasten des Weges. Me-nashi, wörtlich: Ohne Auge; Menashi bedeutet sonst immer bildlich: einen gewöhnlichen Menschen, einen Menschen ohne Geschmack,einen Pedanten.

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Menashi-bō.

Eine ähnliche Bezeichnung, wie der blinde umherziehende Bettler ist »Fūrai-bō«, der Wandersmann, als volkstümliches Wort für den Penis. Ein Beleg aus dem Schrifttum findet sich in dem erotischen Buch »Shunshoku Umegoyomi« (Ein Lesebuch für die Frühlingslandschaft, wenn der Pflaumenbaum blüht) von Insuitei:

»Waga matagura ni buratsuki iru Fūrai-bō, onna to sae
         mirutokiwa tachimachi ni ikari.«

»Zwischen unseren Schenkeln strolcht ein Wandersmann herum, der sich sofort aufregt, wenn er plötzlich eine Frau erblickt.«

Ein scherzhafter Ausdruck für den Penis ist auch »Yakkai-Bō«, der lästige Stock, Stab oder Pfahl; unter Weglassung von Bō können wir im Deutschen sagen: der Störenfried. Ein Senryū lautet:

»Yakkai wo matagura ni matsu
         Hitorimono.«

»Der Junggeselle hat einen Störenfried zwischen den Schenkeln.« Mit andern Worten: Der Unbeweibte empfindet den Penis als lästig, wenn eine Erektion eintritt.

Diesen Pfahl zwischen den Schenkeln bezeichnet das Volk auch als »Naka-Ashi«, das mittlere Bein, wofür wir im Deutschen den Ausdruck »das dritte Bein« haben. Ein Senryū sagt:

»Naka no ashi bakari wa
         Sasanu momoshiki ya.«

»Das dritte Bein wird von dem Hosenmacher niemals in die Hosen eingesetzt.« Das soll heißen: Sein drittes Bein setzt er wo anders hin!

Mundartliche Bezeichnungen des Penis, für deren Deutung keine Unterlagen gegeben werden können, sind: in der Provinz Nagasaki »Mozaemon«; im Bezirk Hakata in der Provinz Hizen »Donben«; auf dem Lande »Dambe«, das aber in einigen Provinzen Japans auch für die Vulva gebraucht wird. Nicht deutbar ist auch der alte Name »Hodare« für den Penis und das vielleicht damit zusammenhängende heute noch gebräuchliche »Hode«. Ein Beleg hierzu findet sich in dem erotischen Buch »Fūryū Kyoku Samisen« (Geschmackvolle Lieder zum Samisen, der dreisaitigen Gitarre der Japaner):

 

»Futoku takumashiki Wariki no yōna Hode wo futumomo no sokora made mo iresase te.«

 

»Dann laß ihn den Penis, der so groß ist, wie ein gefällter Baum, zwischen die Schenkel hineinstoßen.«

Auch das mundartliche »Dede-Inoko« kann nicht leicht gedeutet werden. Dedemushi ist eine Schnecke, im Sinn von Ungeziefer (mushi); Inoko ist ein Schwein, so daß man Dede-Inoko vielleicht als eine scherzhafte Bezeichnung für ein Spanferkel betrachten kann.

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Ein Festzug beim Toshogu-Schrein

Das Volk hat sich für alle möglichen Verhältnisse seine eigenen Ausdrücke geschaffen. »Numera-bō«, ein schlüpfriger Bursche, ist ein Penis, der beim Baden oder sonstwie naß geworden ist. Ein »Kaku-Mara« ist ein vierkantiger Penis, der wohl sehr selten vorkommt, aber doch in dem erotischen Buch »Onna Saigaku Eshō« (Abcbuch mit Bildern, ein Führer zu einer Frau) der Vollständigkeit halber erwähnt wird, denn dieser Leitfaden für Anfänger will auf alles aufmerksam machen. Ein Penis, bei dem die Schamhaare sich bis auf den Peniskörper hinziehen, ist ein »Mino«, ein Regenmantel aus Stroh oder Hanf, bei dem die losen Teile über die Beine herunterhängen. Ein zarter Penis, der sich wie ein Schwamm anfühlt, ist ein »Fumara«; aber aus dieser Zartheit darf man keine falschen Schlüsse ziehen, denn das erotische Buch »Inyō Tegoto-no-Maki« (Handbuch für das männliche und das weibliche Geschlecht) sagt ausdrücklich von einem solchen zarten Penis: »Seine Kraft ist sehr groß, sodaß er bei den Frauen sehr beliebt ist.« Ein Penis, der dunkler als die Körperhaut ist, wird vom Volk als »In-yake« bezeichnet; es glaubt, daß ein solcher Penis infolge häufigen Geschlechtsverkehrs durch die Berührung von Samenflüssigkeit und Absonderungen der Frau seine Farbe verändert hat. Einen großen kräftigen Penis nennt man bildlich »Prächtige Gestalt«, »Sutenkyū«. Dies ist die wahrscheinliche Bedeutung des Wortes, das während der Yedo-Periode in den erotischen Büchern auftauchte. In den erotischen Erzählungen der Genroku-Periode wird das Wort mit chinesischen Schriftzeichen Sute Kine geschrieben, d. h. ein liegen gelassener, also nicht mehr verwendeter Stößel. In japanischen Lautzeichen schreibt man es mit den Silben Sutenkyō, das dann die oben angegebene Bedeutung angenommen hat, die mit der geschriebenen Wiedergabe nichts mehr zu tun haben kann. Kine, der Stößel, der Klopfer oder der hölzerne Hammer, der zum Reinigen und Enthülsen des Reises dient, ist immer ein volkstümliches Wort für den Penis gewesen. Als phallisches Sinnbild haben wir das Kine bei der feierlichen Ehezeremonie des Kine-Matagi im Abschnitt »Götter und Geister« kennen gelernt. Das Entblößen und Zurschaustellen eines aufgerichteten Penis nennt das Volk »Tsukiya-no-Himachi-Asobi«, das Feiertagsvergnügen eines Mannes, der Reis reinigt. An dem Feiertag der Reisreiniger – sie verehren dreimal im Monat die aufgehende Sonne – werden in den betreffenden Geschäften die Kines, die hölzernen Hämmer zum Zeichen der Ruhe aufwärts hingestellt, worin der Vergleichspunkt zu dem aufgerichteten Penis besteht.

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Tsukiya-no-Himachi-Asobi.

Das vorherstehende Bild zeigt einen solchen Reisreiniger bei der Arbeit; der Balken, an dem der hölzerne Hammer befestigt ist, hat eine bewegliche Achse und wird mit einem Fuß durch das Körpergewicht gehoben und dann in das Gefäß mit dem Reis fallen gelassen. Eine Frau, die offenbar die Anspielung in der Tätigkeit des Reisreinigers begriffen hat, sieht sich nach ihm um. Das Bild stammt aus dem Buch »Yanagidaru Eshō« (Bilderbuch der Weide mit den herabhängenden Zweigen?), Band 1; die Zeichnung ist von Yashima Gogwaku. Es erschien im 1. Tempō-Jahr (1844 u. Z.). Heute wird man diese Einrichtung wohl nur noch auf dem Lande finden.

Eine grotesk übertreibende Bezeichnung für den Penis ist »Namazu«, der Wels, Katzenwels, Silurus; der Vergleich beruht auf der glatten Haut und plumpen, fast walzenförmigen Gestalt des Fisches, der aber bis zu 3 m lang wird. Ein Senryū lautet:

»Shirauwo de Namazu wo nigiru jitsu no koto.«

»Es ist in der Tat wahr, daß sie mit ihren zarten Fingern einen Wels festhalten kann!« Da ist natürlich die übliche scherzhafte Weise der Senryūs, eine Behauptung aufzustellen, die auf der Doppelsinnigkeit des Schlagwortes beruht.

»Dōgu«, das Werkzeug, das Handwerkzeug, ein häufig gebrauchtes Wort der Umgangssprache, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung.

Ein alter Name für den Penis ist »Hase« oder mit der Höflichkeitssilbe »Ohase«; man erklärt das Wort als »das Männliche« und »Ohase-gata«, ebenfalls ein alter Name für den Penis, als »die Gestalt, die Form des Männlichen«; mit Ohase-gata bezeichnet man auch einen künstlichen Penis, wovon im Abschnitt »Harikata« die Rede ist. »Ohozo« ist wahrscheinlich eine Verstümmelung von Ohase; Hozo ist der Nabel, es kann aber auch die Dolle, den Ruderpflock oder Rudernagel bedeuten, so daß von hier aus eine Deutung von Ohozo möglich wäre. Es sind mehrere Ausdrücke für die Geschlechtsteile im Gebrauch, die mit dem Boot oder Bootsteilen zusammenhängen. Dem Hozo am nächsten kommen »Romara« und »Rosen«, die heute in dem Kauderwelsch der öffentlichen Schausteller in Tōkyō den Penis bezeichnen. In der Yedo-Periode waren die beiden Wörter Fachausdrücke der Händler, die von Booten aus ihre Sachen verkauften. Ein Ro ist ein kurzes Ruder, ein sogenannter Wrickriemen, mit dem diese Kaufleute ihre Boote fortbewegten. Den hölzernen Pflock, an dem das Ruder hing, nannten sie Romara, Ruderpenis, oder Rosen, Ruderpflock, die dann zu scherzhaften Bezeichnungen für den Penis wurden und auf irgendeinem Wege zu den Schaubudenleuten von Tōkyō gelangten.

Ob die ähnlich klingenden Wörter für den Penis »Ohashi«, der Mittelpunkt, der Ausgangspunkt, und das alte Wort »Ohagi« zu Ohase in irgendwelchen Beziehungen stehen, läßt sich nicht entscheiden. In dem erotischen Buch »Hakoya no Himegoto« (Das Geheimnis der Gefilde der Seligen) steht folgendes:

»Kū towa Ohagi wo Hoto no kū nari.«

»Essen bedeutet, daß der Cunnus den Penis verschlingt.« –

»Ita-name« ist der Spitzname für einen Manu, der einen großen und sehr langen Penis hat. Wörtlich bedeutet es »Dielenlecker«, d. h. der Volksmund sagt mit grotesker Übertreibung: Ein solcher Mann hat einen Penis, der bis auf die Dielen des Fußbodens reicht. Ein Senryū sagt:

»Ita-name to
         Oboshiki Hito no
                 Ao-Nyōbō.«

»Ich glaube fast, daß sie die Frau eines Dielenleckers ist, denn sie sieht so blaß aus.« Nyōbō ist ein alter Titel von weiblichen Bediensteten im kaiserlichen Palast. Wie wir im Abschnitt »Götter und Geister« betont haben, scheinen diese Hofdamen im Ruf besonderer Geilheit und geschlechtlicher Ausgelassenheit gestanden zu haben, wovon ja auch an verschiedenen anderen Stellen die Rede ist. Eine Ao-nyōbō ist wörtlich eine grüne, d. h. angehende, halbflügge Hofdame, womit man eine blaß aussehende Frau, d. h. eine Frau bezeichnete, die infolge zu häufigen oder anstrengenden Geschlechtsverkehrs die Spuren der Ausschweifungen im Gesicht trug.

Statt Ita-name kommt auch »Ita-neburi« oder abgekürzt »Ita-nebu« vor, das ebenso mit Fußbodenlecker zu übersetzen ist. Satow gibt dafür die Erklärung: »Wenn der Mann sich herunterbeugt, wird sein langer Penis den Boden belecken.« Aber die Auffassung als groteske Übertreibung trifft meiner Ansicht nach die bildliche Ausdrucksweise besser. In dem folgenden Senryū läßt sich so das Fußbodenlecken ungezwungen erklären:

»Ko-oke kara Namera ga sagaru
         Ita-neburi.«

»Von dem kleinen Faß, auf dem er sitzt, hängt sein langer Penis herunter und beleckt den Fußboden.« Trotz des kleinen Fasses als Sitzgelegenheit ist die Übertreibung klar zu sehen, denn es wird so leicht keinen Penis geben, der in einem solchen Fall den Boden berührt. Wahrscheinlich ist der Ausdruck Ita-neburi auch nur gewählt, um das Wortspiel mit Namera anzubringen. Namera ist eine Ottern- oder Natternart, Elaphis quadrivirgatus; diese Schlange ist hier bildlich für den Penis genommen, Im Abschnitt »Götter und Geister« haben wir gesagt, daß sich in Japan kaum Spuren davon finden, daß man den Penis als schlangenähnlich auffaßt. Dem widerspricht auch das oben angeführte Senryū nicht, denn dem Volksdichter kam es nur darauf an, dem Wortspiel zuliebe, eine bestimmte Schlangenart heranzuziehen. Wir sehen immer wieder, daß solche Wortspiele mit ähnlich lautenden Wörtern in den Senryū sehr beliebt sind. weil nameru, ein anderes Wort für belecken, ähnlich klingt. Im Deutschen läßt sich dieser Scherz (nameru = neburi) nicht wiedergeben.

In dem folgenden Senryū kommt der gleiche Gedanke, der im zuerst angeführten zur Geltung gebracht ist, fast mit denselben Worten zum Ausdruck:

»Ita-nebu to oboshiki hito no
         Ao-nyōbō.«

»Sie muß wohl die Frau eines Mannes mit einem langen Penis sein, da sie solch blasses Gesicht hat.«

In Tōkyō sind »Ete«, »Ete-kichi«, der Starke oder der Geschickte, und »Etemono«, das geschickte Ding, volkstümliche Bezeichnungen des Penis. Man sagt auch verderbt »Ite-kichi«. Ete und Etemono werden auch zuweilen für die Geschlechtsteile einer Frau gebraucht; wir sprechen an anderer Stelle darüber. Ein Senryū lautet:

»Ete-kichi ga dete ware ni naru
         Ashi-zumō«.

»Der Ringkampf mit den Beinen ist nun zu Ende, nachdem der Penis entblößt worden ist.« Ashi-zumō ist ein Spiel oder vielmehr ein Zweikampf, der mit den Beinen ausgefochten wird. Die beiden Gegner sitzen gegenüber und suchen sich die Beine derart auseinanderzudrücken, daß der Penis sichtbar wird. Wem es zuerst gelingt, hat den Gang gewonnen. Das nebenstehende Bild stammt aus dem Buch »Kokkei Dake Asobi« (Scherzhafte Spiele, oder Spiele, die nur Scherz sind); es erschien während der Yedo-Periode zu Tōkyō. Das Spiel heißt auch Ashi-sumō. –

siehe Bildunterschrift

Ashi-zumō.

Um die Hoden (Kintama) und den Hodensack (Innō) scheint sich das Volk wenig zu kümmern; die Unterlagen bieten für den Hodensack nur das eine volkstümliche Wort »Fuguri«, dessen Abstammung zudem zweifelhaft ist. Satow meint, es könnte eine Verstümmelung von Fukure sein, und würde dann »die Anschwellung, das Geschwollene« bedeuten. Möglich wäre auch die Ableitung von Fukuro, der Sack.

Die Erektion des Penis heißt in der Schriftsprache und bei den Ärzten: Inkyōbokki und davon abgeleitet die krankhafte Steifigkeit des männlichen Gliedes, der Priapismus: Inkyōbokkishō. Diese gelehrten Wörter sind natürlich im Volk unbekannt; in der Umgangssprache werden dafür Ausdrücke gebraucht, die man in keinem Wörterbuch findet. So bezeichnet man das Aufrichten des Penis mit dem Zeitwort »Oyasu«, und aufgerichtet heißt »Oyū« oder »Oeru«; die Ableitung dieser Wörter ist nicht mehr festzustellen. Ein Senryū, das aus der Yedo-Periode stammt, lautet:

»Oeru kawari ni
         Nyōbō asa ujake.«

»Anstatt einer Erektion steht bei einer Frau morgens (die Vulva) offen.« Mit andern Worten: Was beim Mann die Morgenerektion, ist beim Weib die offenstehende Vulva. Das Senryū knüpft hier an eine volkstümliche Redensart an, die besagt »Asa mara«, d. h. der Penis am Morgen. Es ist eine Anspielung auf die bekannte Tatsache, daß der Penis eines gesunden und kräftigen Mannes sich morgens früh im Bett spontan versteift. Das Volk nennt die seiner Ansicht nach beim Weib entsprechende Erscheinung »Ujake«. Dieses Wort der Umgangssprache bedeutet »sich spalten, aufspringen, platzen«, wie z. B. eine reife Frucht. Es ist eine allgemein im Volke verbreitete Ansicht, daß die gesunde und kräftige Frau morgens früh infolge der Scheidenabsonderungen sehr feucht ist und daß die Vulva angeschwollen ist und auseinanderklafft. Wie fest diese Überzeugung ist, beweist das Senryū im Abschnitt »Ananashi, Die Gynatresie«: »Selbst bei einer Frau mit Scheidenverschluß steht in einer drückend heißen Nacht die Vulva weit offen.«

Mit Oeru hängt »Nama-Oe«, halbaufgerichtet, zusammen. Im Volksmund bezeichnet man damit einen Penis, der noch nicht vollkommen steif ist. Ein Senryū lautet:

»Nama-oe no uchi wa
         Henoko mo teri ga dezu.«

»Im halbsteifen Zustand zeigt der Penis keinen Glanz auf der Eichel.« In diesem Senryū, das der Beobachtungsgabe des Volksdichters alle Ehre macht, scheint ein gewisses Mitleid zum Ausdruck zu kommen mit einem Mann, der es zu keiner vollständigen Erektion bringt.

Einen steifen Penis nennt das Volk scherzhaft »Hara-Daiko« oder »Hara-Taiko«. Taiko oder Ko ist eine Trommel, dai ist groß und Hara der Bauch, so daß also Hara-Daiko die große Bauchtrommel, und Hara-Taiko die Bauchtrommel bedeutet, nicht im Sinne unserer großen Trommel, die ja auch den volkstümlichen Namen Bauchtrommel führt, sondern der steife Penis ist aktiv ein Bauchtrommler. In einem Kinderliedchen heißt es:

»Uma ya Uma mame issho yarukara
         Hara-daiko tatake.«

»Pferdchen! Pferdchen! Schlage einmal (mit deinem steifen Penis) gegen deinen Bauch und ich werde dir ein Eimerchen voll Bohnen geben!« In diesem Liedchen steckt noch eine Anspielung auf die heiligen Pferde des Shintōglaubens, die in den Tempelgebieten zu bestimmten Zeiten von den Gläubigen mit Bohnen gefüttert werden. In dem erotischen Buch »Hanakurabe Tekuda no Adamakura« (Der blühende Wettstreit eines listigen Liebestraumes!) steht folgendes:

»Ikiri tattaru Henoko no atama wo osae sono te wo chotto waki e nokureba Henoko wa pin to hanekaeri, hatari hatari to Hara-daiko tatakeba.«

»Er drückte den Kopf des aufgerichteten Penis herunter und nahm dann die Hand hinweg, so daß der Penis hochsprang und mit einem hörbaren Ton gegen den Bauch schlug.« Im folgenden geben wir zwei Senryūs wieder, die Anspielungen auf das oben Gesagte enthalten:

»Uma no utsu Taiko-no-bachi wa
         Kasu darake.«

»Der Trommelschlegel eines Pferdes ist fast immer mit Hefe bedeckt.« Damit sind die Unreinlichkeiten durch die Absonderungen der Talgdrüsen am Penis des Pferdes gemeint.

»Umakata ga inu to
         Kodomo ga Gei wo sase.«

»Wenn der Pferdeknecht abwesend ist, bringt das Kind dem Pferd Kunststücke bei.« Wie wir oben gesehen haben, zeigen die Kinder besonderes Interesse für das Geschlechtsglied des Pferdes. Das Liedchen ist dem Senryūdichter sicher bekannt gewesen, ebenso auch allen, die das Senryū zu hören bekommen, so daß die Anspielung ohne weiteres verstanden wird.

In der Mundart der Provinz Kagoshima sagt man »Harakeru«, gegen den Bauch stoßen, wenn man die Erektion bezeichnen will. Ein volkstümliches Wort für den Koitus ist »Haragei«, die Vollendung auf dem Bauch, in dem Sinn, daß es einer Frau gelungen ist, durch Kniffe einen Mann so weit zu bringen, daß er bei ihr schläft.

Statt Hara-Taiko gebraucht man auch Taiko allein als Gassenwort für einen steifen Penis. Als Beleg kann folgendes Senryū dienen:

»Kumiuchi ni Taiko wo tataku Isōrō.«

die lapidare Kürze dieses Senryū: »Der Schmarotzer schlägt beim Handgemenge den Bauch!« kann man deutsch nur durch eine Umschreibung wiedergeben: »Als der Schmarotzer das Pärchen beim Koitus belauschte, da schlug ihm der steife Penis gegen den Bauch,« d. h. er wurde so erregt, daß es zu einer heftigen Erektion kam. Isōrō ist ein lästiger Besucher, ein Schmarotzer, der Bekannte stundenlang durch seine Besuche ärgert, die Essenszeit abwartet usw. Im Falle des Senryū hat er die Eheleute beim Koitus überrascht und belauscht, was bei der Bauart des japanischen Hauses gar nicht schwer ist. Kumiuchi ist Ringen, Handgemenge, Gewühl beim Fußballspiel, und hier als volkstümliches Wort für den Koitus gebraucht.

Wie man beim Knaben den Penis als Aotōgarashi, als grüne, d. h. unreife Pfefferschote bezeichnet, so nennt man den steifen Penis des Erwachsenen »Akatōgarashi«, die rote Pfefferschote.

Ist ein Penis bei der Erektion sehr hart, so nennt ihn das Volk »Kimara«, einen Holzpenis, d. h. hart wie Holz. Und wenn das nicht genügt, sagt man »Kanateko-Mara«, ein Brecheisenpenis, d. h. hart wie eine Eisenstange.

Einen sehr kräftigen steifen Penis bezeichnet man mit einem volkstümlichen Ausdruck als »Rokusun-Dōgaeshi«, sechs Zoll vom Leib abspringend. »Dōgaeshi« erklärt Satow als »vom Rumpf zurückprallend. Sich über den Rumpf des Körpers drehend. Die Bezeichnung für einen Penis, der zurückspringt, wenn er aufgerichtet ist«.

Ein altertümlicher Ausdruck für einen erigierten Penis ist »Tsunu-no-fukure«, das angeschwollene Horn; man sagte auch »Tsuno-no-fukure«; heute versteht man unter Tsuno ein Harikata, einen künstlichen Penis.

Eine merkwürdige Nachrede müssen sich die Männer aus Kanda, Tōkyō, gefallen lassen. Man behauptet ganz allgemein, daß bei einem Mann, der in Kanda geboren ist, der Penis nach links steht. Das Volk sagt »Kandakko no Hidari Magari«, was man übersetzen kann: Die Männer aus Kanda haben einen Dreh nach links. Über die Entstehung dieser sonderbaren Volksmeinung ist nichts zu ermitteln gewesen.

Daß ein steifer Penis nicht immer geradeaus zeigt, weiß das Volk sehr genau, und es hat auch seine besonderen Wörter für die Abweichungen. Wir haben im Abschnitt »Harikata« davon gesprochen, daß ein Uwazori, »ein nach oben Gebogener«, oder ein Uwazori-Mara, »ein nach oben gebogener Penis« in den alten erotischen Büchern, die doch schließlich nur die Volksmeinung wiedergeben, als »die bessere Erscheinung« angesehen wird, d. h. diese Art Penis wird als wertvoller angesehen, als die anderen. Wir haben auch einen Beleg aus dem Schrifttum und ein Senryū beigebracht, aus dem hervorgeht, daß diese Art auch als Harikata, d. h. als künstlicher Penis hergestellt wurde. Ein anderes Senryū lautet:

»Uwazori no mara wa Shakuhachi no yō ni oe.«

»Der nach oben gebogene Penis ist wie eine Bambusflöte aufgerichtet.« Das Shakuhachi ist vollkommen gerade und etwa 55 cm lang, so daß in dem Senryū zum Ausdruck kommt, daß ein solcher Penis gerade und auch von entsprechender Länge ist. Deshalb sagt das Volk auch »Shakuhachizori«, aufwärts gebogen wie eine Bambusflöte.

Die andere Art des Penis, die nicht so hoch eingeschätzt wird, bezeichnet man mit einem volkstümlichen Wort als »Shitazori«, ein nach unten Gebogener. –

siehe Bildunterschrift

Kawakamuri.


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