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Omma. Der Monatsgürtel

siehe Bildunterschrift

Omma.

Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, daß die Japaner, das männliche sowohl als das weibliche Geschlecht, anscheinend aus einer uralten Überlieferung heraus, sehr reinlich veranlagt sind. Daß die Frauen dies einer Erscheinung gegenüber bekunden, wie es die monatliche Reinigung ist, kann nicht überraschen. Schon seit alter Zeit wurden Papiertampons verwendet, um Kleidung und Lager gegen Verunreinigung zu schützen. Die Vorsichtsmaßregeln sind, wahrscheinlich nach Aufhebung der Absonderung in besonderen Häusern, verbessert worden. Neben dem Papiertampon wurde noch ein äußerer Schutz angebracht, das »Omma«, das Pferdchen, das Pony, oder »Uma«, das Pferd, genannt wird. Die Bilder zeigen uns zwei solcher »hausgemachten« Monatsgürtel. Der einfachere besteht ganz aus Papier, an dem Schnüre zur Befestigung am Leib der Frau angebracht sind. Das Bild stammt aus einem alten Buch, dem »Ono-no-Baka-mara Usoji Zukushi«. Das zweite Bild zeigt einen Monatsgürtel aus neuerer Zeit, der nach einer Anweisung gleichfalls im Haus hergestellt wird. Die eigentliche Binde ist ein Streifen aus Baumwollenstoff, auf dem ein mit Baumwolle gefülltes Papierkissen liegt. Nach dem Umbinden wird das lose Ende angezogen, so daß das Kissen fest gegen die Vulva zu liegen kommt.

»Uma«, das Pferd, hat in Beziehung zum Geschlechtsleben mehrere Bedeutungen. Es ist ein Spitzname der Freudenmädchen in dem Sinne, daß sie ihr Leben damit hinbringen, die Männer auf ihrem Leibe reiten zu lassen. Von der zweiten Bedeutung, ein kräftiger Penis, haben wir schon gesprochen. Die dritte Bedeutung geht uns hier zunächst an, da »Uma« auch ein Gassenwort für die Menses ist, aber im allgemeinen für den Monatsgürtel gebraucht wird, indem man den Sattelgurt des Pferdes als Vergleich heranzieht. »Omma«, das Pferdchen, ist eine Verkleinerungsform von Uma, hat aber nur die eine Bedeutung »Monatsgürtel«, weshalb wir es als Überschrift dieses Abschnittes gewählt haben. In dem Buche mit humoristischen Erzählungen »Ichikawa Sanshō« (Nette Geschichten mit dreimal wiederholtem Lachen), das während der Yedo-Periode erschien, steht folgendes Geschichtchen:

»Der erste Verwalter eines Marstalles kam zu Yamadashi Sarudayū, dem Oberhaupt eines Stammes, und berichtete: ›Sawakage hat seit einigen Tagen wieder Schmerzen!‹ ›Ach, du meinst die Hofdame (Nagatsubone) ist wieder unwohl?‹ ›Nein, nein! Ich meine das Omma (das Pferdchen)!‹ ›Natürlich! Das ist ja eine bei den Frauen ganz bekannte Sache!‹«

Der Witz des Geschichtchens beruht auf zwei Voraussetzungen: Einmal haben die Hofdame und das Pony denselben Rufnamen (Sawakage) gehabt, und dann nimmt das Stammesoberhaupt als selbstverständlich an, daß die Nagatsubone einen Monatsgürtel trägt, wenn sie unwohl ist. Wahrscheinlich handelt es sich um ein wirklich vorgekommenes Mißverständnis, das seinem komischen Anstrich verdankt, daß es weiter erzählt wurde.

Eine Eigentümlichkeit im japanischen Denken hat gerade das Pferd in besondere Beziehung zum Monatsblut gebracht, so daß sogar die Sonderwörter für den Monatsgürtel, die mir zur Verfügung stehen, sämtlich auf das Pferd Bezug nehmen. Außer Uma und Omma wird auch »Tazuna« in der Volkssprache für den Gürtel gebraucht, und Tazuna bedeutet »der Zügel«. Die Unterlagen bieten nichts zur Erklärung dieser Tatsache. Das Pferd spielt im Shintōglauben zwar eine große Rolle, aber die Frau war unrein, so lange sie ihre Blutung hatte, und durfte, wie wir gesehen haben, weder das Tempelgebiet betreten, noch Gegenstände des Kultes berühren. Irgendwie muß hier aber doch ein Zusammenhang bestehen, denn wenn man aus den Toren des Tempelgebietes, den Tori-i, ein Gassenwort für den weiblichen Geschlechtsteil machte, und auch sonst Anspielungen auf den Kult im Geschlechtsleben gebrauchte, mag auch das Pferd, dessen Abbildungen als Weihegeschenke und Amulette, neben den im Tempelgebiet lebenden Pferden, überall zu sehen sind, als Vergleich für geschlechtliche Dinge herangezogen worden sein.

Nachstehend einige Senryūs, die sich mit den erklärten Wörtern beschäftigen:

»Uma ni notteru hima mo maki
         Kugai no mi.«

»Das Freudenmädchen hat keine Zeit, einen Monatsgürtel anzulegen.« Kugai oder Kukai bedeutet eigentlich »die bittere Welt«, oder »die unfreundliche Welt« und wird gebraucht, um »das Leben eines Freudenmädchens« zu bezeichnen. Man hat auch die Redensarten »Kugai no tsutome«, der bittere oder unangenehme Dienst eines Freudenmädchens, und »Mi wo kugai ni shizumu«, »Kugai ni mi wo shizumeru«, ein Freudenmädchen werden. Darin drückt sich also die Ansicht aus, daß das Leben eines Freudenmädchens trotz allem äußeren Glanze und trotz der gewissen Achtung, die man ihnen entgegenbringt, von ihnen selbst als etwas Bitteres empfunden wird. Noch deutlicher kommt das in dem Wort, das mit Kugai gleichbedeutend ist, zur Geltung: »Ukikawatake«, das elende Leben des Bambus, der am Flußufer wächst. Das heißt soviel wie: Dieser Bambus ist jedermann zugänglich, kann ausgerissen werden usw. Man müßte das Senryū übersetzen: »In dem elenden Leben eines Freudenmädchens ist keine Zeit für das Anlegen eines Monatsgürtels.« Ihr »Dienst«, wie es in der oben angeführten Redensart heißt, läßt das nicht zu. Sie täuschen dann die Besucher durch eingeführte Papiertampons, die häufig gewechselt werden. Auf diesen Brauch enthält das folgende Senryū eine Anspielung:

»Oku-sama no Omma mo
         Hitsuji hodo kurai.«

»Selbst die gnädige Frau gebraucht, wenn sie unwohl ist, einen großen Posten Papier, wie ein Schaf.« Der Witz des Senryū besteht darin, daß in Japan allgemein die Ansicht verbreitet ist, daß die Schafe Papier fressen. Okusama ist die höfliche Anrede für eine verheiratete Frau; auch wenn man von ihr spricht, gebraucht man diesen Ausdruck. Das Senryū sagt also wörtlich: »Das Pferdchen der gnädigen Frau frißt geradeso Papier, wie ein (gewöhnliches) Schaf.«

Hier ist somit Omma des Scherzes halber in seiner eigentlichen Bedeutung gebraucht, wie in dem nachstehenden Senryū das Wort Uma:

»Otsubone wa Uma kara
         Ushi e nori kaeru.«

»Die Hofdame wechselt beim Reiten das Pferd mit der Kuh.« Ushi, die Kuh, ist, wie wir im Abschnitt über das Harikata gesehen haben, eine Abkürzung von Ushi-no-Tsuno, das Kuhhorn, womit ein aus Horn hergestelltes Godemiché gemeint ist. Man ist, wie wir gesehen haben, in der Yedo-Periode der Ansicht gewesen, daß gerade die Hofdamen besondere Liebhaberinnen des künstlichen Phallos waren. Das Senryū will also weiter nichts sagen, als daß die Hofdame, wenn ihre Blutung vorbei ist, d. h. wenn sie das Uma, den Monatsgürtel, abgelegt hat, sie sofort wieder zum Harikata greift.

»Omma da yo yoshima to
         Gejo wa hanetsukeru.«

»Die Dienstmagd lehnt das Angebot ab: ›Ich bin unwohl und da ist nichts zu machen!‹« Wörtlich heißt es etwa: »Ein Pferdchen ist da und das ist nicht gut!«

»Tazuna ga yurui to
         Katabira e shimi ga deki.«

»Wenn der Zügel (der Monatsgürtel) nicht fest angezogen wird, verunreinigt man das Katabira durch Flecken.« Das Katabira ist ein dünnes Leinengewand, hier also wohl als Unterkleidung gedacht. Das Senryū enthält jedenfalls eine ganz harmlose und eigentlich selbstverständliche Bemerkung; eine Doppelsinnigkeit oder einen Scherz habe ich nicht herausfinden können. Es muß sich um ein für einen bestimmten Fall angefertigtes Spottgedichtchen handeln, das sich aus nicht mehr feststellbarem Grund erhalten hat. Es könnte auch ein guter Rat für eine Frau sein, die unwohl ist. –


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