Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vorwort des Sammlers

Lafcadio Hearn schrieb in seinem Buch »Out of the East«, daß es in Japan weder Kuß noch Umarmung gibt, ausgenommen bei Mutter und Kind. Havelock Ellis sagt ebenso in seiner Abhandlung über den Kuß, daß im japanischen Schrifttum nichts über das Küssen und das Umarmen enthalten sei. Ich kann nur annehmen, daß sie beide mit den wirklichen japanischen Sitten und Gebräuchen nicht hinreichend vertraut waren, zumal es damals in keiner fremden Sprache irgendwelche Nachschlagewerke gab, aus denen sich die genannten Schriftsteller über das japanische Geschlechtsleben hätten unterrichten können.

Um den ausländischen Forschern und Gelehrten einen Führer in die Hand zu geben, der sie in die Geheimnisse des japanischen Lebens einweihen sollte, setzte ich mir als Ziel, den Stoff soweit irgend möglich in einem Wörterbuch zu sammeln. Als ich meine Tätigkeit hierfür begann, traten mir zunächst zwei Schwierigkeiten entgegen:

Die erste war der Mangel jeglicher Vorarbeiten; es war nichts an Stoff vorhanden, da sich die erforderlichen Bücher usw. im Besitz von Sammlern befanden und nur sehr mühselig zu erreichen waren.

Die zweite Schwierigkeit bestand in dem Fehlen entsprechender Werke in ausländischen Sprachen, die ich heranziehen konnte, denn diese Bücher waren in Japan verboten, obwohl es sich um Bücher fremder Länder handelte.

Aber der Gedanke, daß es außer dem bekannten Werk meines Freundes, des Prof. Dr. Friedrich S. Krauss, »Das Geschlechtsleben der Japaner«, kein einigermaßen umfassendes Buch über diesen Gegenstand in einer fremden Sprache gab, spornte mich an, mich nach Kräften zu bemühen, ein solches Werk zu schaffen. So ist mein »Encyclopaedic Dictionary of the Japanese Sexual Life« entstanden. Es soll ein Spiegel sein, in dem man die Geschichte des japanischen Geschlechtslebens in Vergangenheit und Gegenwart erblicken kann. Mein Streben ging darnach, nicht nur den Forschern der Sexualwissenschaft, sondern auch den Folkloristen ein zuverlässiges Sachwörterbuch in die Hand zu geben. Dieses Ziel stand mir immer vor Augen und daher habe ich keine Gelegenheit versäumt, nutzbare Nachrichten und Angaben jeder Art zu sammeln, die man in keinem andern Nachschlagewerk eines fremden Landes finden kann. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß mancher Forscher seine Freude daran haben wird, wenn er in meiner Sammlung die japanischen Seitenstücke findet zu der Erzählung von »dem Mann, der ein Lamm auf den Leib seiner Frau malte«, zum »Goldenen Esel von Apuleius«, zu den Geschichten von »Le Moyen de Parvenir«, von Boccaccios Decamerone, von Diderots Les Bijoux Indiscrets, zur Sage von Pygmalion und Galateia, usw. Die zahlreichen Bilder, deren Nachzeichnungen ich nach den Urdrucken mit größter Sorgfalt selbst hergestellt habe, sollen nach meiner Absicht die in meiner Arbeit enthaltenen Angaben in einer faßbareren und deutlicheren Form wiedergeben, als es oft durch die Beschreibung allein möglich ist.

Der hier gebotene Stoff stellt das zusammengefaßte Ergebnis einer etwa siebzehnjährigen Sammlertätigkeit dar. Besonderen Dank schulde ich den Herren Jijima Kagetsu, Deguchi Yonekichi, Imamura Tomoye, Dr. Katō Genchi, Mitamura Gengyo, Miyatake Gwaikotsu, Nakayama Tarō, Ozaki Hisaya, Motoyama Keisen, Miyatake Shōzō, Saitō Shōzō, Takahashi Katsutoshi, Tanaka Ryokkō, Umemoto Takayo, Uchida Kunihiko, Yanagida Kunio, Fujisawa Morihiko. Sie sind meine hauptsächlichsten Gewährsmänner, aus deren Arbeiten ich vieles entnommen habe, was meinen Anschauungen und Nachforschungen zweckdienlich war.

Sehr dankbar bin ich dem Herrn Minakata Kumakusu in Kishū, Mitglied des ehemaligen Investigation Comittee of Orientals beim Britischen Museum in London, dessen wertvolle Abhandlung über die Folklore von Japan ich benutzen durfte.

Tokyo, Januar 1930.

Tamio Satow.


 << zurück weiter >>