Rudolf Köpke
Ludwig Tieck
Rudolf Köpke

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7. Die Heimat.

In Deutschland war zunächst St. Gallen wichtig wegen seiner Handschrift der Nibelungen. In Manheim nahmen 328 Müller's Papiere seine Aufmerksamkeit in Anspruch. Er trat mit der Götze'schen Buchhandlung, auf welche der Schwan'sche Verlag übergegangen war, in Unterhandlung. Sein Freund Le Pique, der inzwischen nach Manheim versetzt worden war, unterstützte ihn dabei. Der von Müller bezeichnete Koffer fand sich. Er enthielt alte Papiere, Briefe, Entwürfe und Zeichnungen, eine Masse unzusammenhängender und schwer zu lesender Blätter, über welche in kurzer Zeit keine Uebersicht zu gewinnen war. Erst später konnte er die Sichtung und Anordnung durchführen. Das Ergebniß war kein so bedeutendes als er erwartet hatte. Unterdeß war das Vorhandensein der Müller'schen »Genoveva« weiter bekannt geworden, und schon ließen sich böswillige Stimmen vernehmen, Tieck verdanke seine eigene Dichtung der Kenntniß derselben, und habe daher Grund mit der Bekanntmachung zu zögern, oder sie dem Publicum ganz vorzuenthalten. Nachdem er daher den Stoff geordnet hatte, überließ er die Besorgung der neuen Ausgabe seinem Freunde Le Pique. Doch die Verhandlungen mit Müller gingen nur langsam. Misverständnisse mit der Verlagshandlung kamen hinzu. Erst 1811 erschien die neue Sammlung von Müller's Schriften in Heidelberg.

Von Manheim ging man nach Heidelberg, wo Tieck Creuzer wiedersah, und auch Voß besuchte, der kurze Zeit vorher dorthin versetzt worden war. Voß empfing seinen alten Bekannten von Giebichenstein her mistrauisch; wie er selbst später drucken ließ, sah er in ihm einen Angehörigen jenes Ordens, dessen Bekämpfung seine Lebensaufgabe war, einen Obscuranten und heimlichen Katholiken. Ueberhaupt bemerkte Tieck, daß man seinem Aufenthalte in Italien die wundersamsten Deutungen unterlegte. Glaubte man früher ihn für die katholische Kirche gewinnen zu können, so war man jetzt überzeugt, er sei wirklich übergetreten.

329 In Frankfurt verweilte er einige Zeit. Er sah Brentano und dessen Schwester Bettina, die eigenthümlich und excentrisch erschien. Tieck und seinen Dichtungen wie der jüngern Literatur hatte sie ihre Theilnahme zugewendet. Ihr verdankte er die Bekanntschaft mit Goethe's Mutter. Es war eine noch im höchsten Alter regsame und theilnehmende Frau, die selbst an manchen kleinen Eitelkeiten des Lebens Gefallen fand. Von dem Sohne wußte sie natürlich vieles zu erzählen. Auf einem Bücherbrete in ihrem Zimmer habe sie lange sechs Bände Manuscript aus Goethe's früherer Zeit bewahrt, welche die älteste, später verworfene Bearbeitung des »Wilhelm Meister« enthielten. Von dem Inhalt theilte sie manches mit; hier sollte die Heirath Wilhelm's und Marianens den Abschluß machen. Leider gelangte Tieck nicht zur Einsicht dieser merkwürdigen Papiere.

Von der Mutter ging er den Sohn in Weimar zu besuchen. Auch diesmal verlebte er einige Abende mit Goethe. Doch wenn er an seine Jugendliebe dachte, fühlte er sich ihm fremder geworden. Dazu hatte namentlich der erkältende Eindruck der »Natürlichen Tochter« beigetragen. Kurz zuvor hatte Goethe Oehlenschläger kennen gelernt. Der nordische Dichter, der nach Weimar gekommen war, der deutschen Poesie seine Huldigungen darzubringen,. hatte ihn ganz für sich gewonnen. Auch sprach Goethe schon von den »Nibelungen«, wie er im Vereine mit Oehlenschläger den Versuch gemacht habe, sie zu lesen, was denn freilich nicht sonderlich habe von Statten gehen wollen.

Ueberraschend war es ihm in einer Mittagsgesellschaft bei Goethe mit einem Landsmanne, dem Kapellmeister Himmel aus Berlin, dem Componisten des gefeierten Singspiels »Fanchon« zusammenzutreffen. Die Eitelkeit und Selbstgenügsamkeit dieses Mannes war bekannt. Er schlug seinen 330 Werth sehr hoch an, und wirkte durch die naive Art, dies auszusprechen, mitunter komisch. Auch dem Dichterfürsten gegenüber verließ ihn seine Sicherheit nicht. Er suchte zu beweisen, er sei ebenso sehr Sprachtalent als Musiker; dadurch habe er sogar die Beamten der Vaticanischen Bibliothek in Staunen gesetzt. Hebräische, chaldäische und andere orientalische Handschriften habe er in rascher Folge durchgesehen und Stellen daraus laut gelesen. Endlich fragt einer der Beamten, wer er denn sei. »Der Kapellmeister Himmel aus Berlin!« Voll Schrecken aber ruft jener aus: »Sie mögen wol der Teufel sein, aber kein Kapellmeister aus Berlin!« Mit stillem Lächeln, in olympischer Ruhe, hörte Goethe diese Märchen an.

Ohne zu wissen in welchen Beziehungen Tieck zu Reichardt stehe, unterwarf Himmel seinen ehemaligen Amtsgenossen als Musiker wie als Menschen einer scharfen Kritik. Auch Tieck kannte Reichardt's Schwächen, aber er hielt es für Pflicht ihn gegen ungerechte Angriffe zu schützen. Himmel stutzte. Er lenkte ein, und gutmüthig suchte er Tieck in seiner Weise zu versöhnen. Als Tabacksraucher schätzte er ein treffliches Weichselrohr, das er besaß, ganz besonders hoch, er bot es Tieck als Friedenspfeife an. Dieser mußte des gutgemeinten Geschenks lachen, das für Niemand weniger paßte als für ihn, den abgesagtesten Feind des Rauchens.

Endlich im Herbste traf er in Dresden ein, wo er die nächsten Wochen zu bleiben beschlossen hatte. Sogleich erzählte ihm der Maler Hartmann, Oehlenschläger sei angekommen und wünsche seine Bekanntschaft zu machen, bald darauf traf er diesen selbst auf der Galerie.Oehlenschläger in seinen »Lebenserinnerungen«, II, 26, stellt sein erstes Zusammentreffen mit Tieck etwas anders dar, doch bemerkte dieser im Gespräche darüber ausdrücklich, daß Oehlenschläger's Gedächtniß hier nicht ganz treu gewesen sei. Oehlenschläger war eine reichbegabte und überschwängliche nordische Natur. Voll erregten Gefühls und Phantasie, jedem Eindrucke offen, ließ er sich in Verehrung und Abneigung 331 leicht bestimmen. Doch er war auch voll starken Selbstbewußtseins, das als hoher nordischer Nationalstolz, und bald als kleinliche persönliche Eitelkeit erschien. Er überschätzte seine Originalität, und hielt manches für Eigenthum, was er deutschen Anregungen verdankte. Widerspruch konnte er nicht vertragen, noch viel weniger Tadel. Eine leise Andeutung war hinreichend, ihn in heftigen Zorn zu versetzen. Er besaß eine Beredtsamkeit, gegen die man vergeblich ankämpfte. Er hörte auf keinen Einwurf, und beachtete keinen Versuch des andern Theils, zu Worte zu kommen.

Nächst Goethe, den er schwärmerisch verehrte, hatte er Tieck's Poesien mit Eifer studirt, und in ihnen vielleicht ein noch verwandteres Element gefunden. Am Abend desselben Tages sahen sie sich in einer Gesellschaft wieder, die Hartmann bei einem Italiener versammelt hatte. Im Sturme suchte Oehlenschläger Tieck's Freundschaft zu erobern, und trug ihm mit leidenschaftlichem Enthusiasmus Brüderschaft an. Seitdem sahen sie sich öfter. Oehlenschläger theilte dem neuen Freunde seine nicht längst vollendete Tragödie »Hakon Jarl« mit; obgleich Tieck sie als einen Beweis des Talents anerkannte, war er doch mit dem fünften Acte nicht einverstanden. Sogleich suchte der Dichter im Gegentheil zu beweisen, wie gerade dieser der beste sei. Bald darauf verließ er Dresden.

Während dieses harmlosen Verkehrs waren kriegerische Stürme losgebrochen, unter denen die deutsche Erde erbebte. Der verhängnißvolle October des Jahres 1806 war gekommen. Preußen war in den Sturz der ältern Staaten hineingerissen worden. Mit dem dichterischen und literarischen Stillleben war es zu Ende.

Schon von Italien hatte Tieck auf die politische Lage des Vaterlandes den Blick voll Besorgniß zurückgewendet. Man konnte sich dem drückenden Gefühle nicht entziehen, daß man 332 einer entscheidenden Zeit entgegengehe. Während der Rückreise waren die Dinge rasch gereift. Mit jedem Schritte, weiter gegen Norden, mehrten sich die drohenden Anzeichen. Als er in Weimar eintraf, waren die Häuser mit preußischer Einquartierung gefüllt. Alles war voll ängstlicher Erwartung. Die Schlacht entschied Preußens Schicksal, und die Eroberung ergoß sich jetzt über die fernen Provinzen.

Der Sturz des Staates bedrohte die Existenz der Einzelnen; auch manche Freunde Tieck's wurden betroffen. Zu diesen gehörte Reichardt. Von den neuen Lehren erfüllt war er nach Frankreich gegangen, und hatte die Revolution in verschiedenen Entwickelungspunkten kennen gelernt. Zuerst 1792. Die Frucht dieser Reise waren seine »Vertrauten Briefe über Frankreich« gewesen; dann abermals 1802. In Paris hatte er mannichfache Verbindungen angeknüpft, auch mit dem Grafen Schlaberndorf, dem bekannten Sonderlinge. Wie dieser war auch Reichardt ein Gegner des neuen Herrschers. Hier entstand jenes Buch: »Napoleon Bonaparte und das französische Volk unter seinem Consulate«, zu dem ihm Schlaberndorf manche Daten gab. Es erschien 1804. Seine kühne Sprache machte Aufsehen; bald begannen die Nachforschungen französischer Agenten nach dem unbekannten Verfasser. Jetzt, da die feindlichen Truppen vorrückten, mußte Reichardt auf seine Sicherheit denken. Er hatte beschlossen nach den östlichen Provinzen zu gehen; nur mit großer Vorsicht konnte er sich in die Nähe der Franzosen wagen.

In dieser Zeit hatten sich Tieck und einige Andere in Sandow, dem Gute seines Freundes Burgsdorff, vereint. Hier traf auch Achim von Arnim ein. Er brachte einen Begleiter mit, der für seinen Bedienten gelten sollte. Es war Reichardt. Solche Vorkehrungen schienen um so nothwendiger, da auch dieses Gut mit französischer Einquartierung belegt worden 333 war. Man hatte einen Husarenoffizier als Gast erhalten. Es war ein Mann von straffer, militärischer Haltung; des Deutschen schien er nicht mächtig zu sein.

Man saß bei Tische und unterhielt sich unter so eigenthümlichen Umständen gut genug. Tieck fand, daß Herr Richard, so hieß der französische Offizier, ein ganz angenehmer Mann sei. Da fiel ihm eine häufig wiederkehrende Bewegung des Fremden auf. Lachend hatte er im lebhaften Gespräche mit der Hand auf die Lende geschlagen. Mit voller Gewißheit trat eine alte dunkle Erinnerung vor seine Seele. Der Franzose war Niemand anders als Hensler, Reichardt's Stiefsohn, sein Jugendfreund, der seit Jahren für ihn verschollen war.

Auch Hensler's Lebensgang war kein gewöhnlicher. Ein Jahr früher als Tieck, 1791, hatte er Gedike's Schule verlassen, als Reichardt mit seinen berlinischen Verhältnissen unzufrieden, sich nach Halle übersiedelte. Hier begann er die Rechte zu studiren; doch begleitete er schon zu Anfang des folgenden Jahres seinen Stiefvater nach Frankreich. Er sah Lyon und Paris, und obgleich diese Reise nur wenige Monate dauerte, waren diese Eindrücke doch hinreichend, ihn in einen französischen Demokraten umzuwandeln. In Kiel setzte er seine Studien fort, aber bald ward es ihm zu eng in Deutschland; 1796 ging er abermals nach Paris. Er brach mit dem Vaterlande, um sich dem neuen politischen Leben ganz hinzugeben. Obgleich Schlaberndorf und andere Freunde sich seiner mit Rath und That annahmen, zeigte sich doch, wie schwer es einem Fremden sei, eine Stellung zu gewinnen. Endlich warf er alle deutschen Träume hinter sich, und trat als Commis in ein Handelsgeschäft. Sogar den deutschen Namen legte er ab, nannte sich Richard, und ward zum Franzosen. Mit dem gesammten Frankreich machte er 334 den Uebergang vom revolutionären Freiheitsschwindel zum militärischen Despotismus durch. Er ward mit dem nachmaligen General Guilleminot bekannt, und trat in die Armee. Als sein Stiefvater 1802 nach Paris kam, hatte er eben das Patent als Offizier erlangt. Vier Jahre später kehrte er mit dem Heere des Eroberers in das Vaterland zurück.

So führte ein gewaltiges Weltgeschick nach langer Trennung die Freunde zusammen, die in der Jugend dichterisch und künstlerisch miteinander geschwärmt hatten, und dann ihre verschiedenen Wege durch die Welt gegangen waren. Bald schlug die Stunde der Trennung wieder; Hensler mußte dem Commando weiter folgen. An den spätern Feldzügen nahm er Antheil. Er ging nach Spanien, stieg durch Avancement, und starb nach geschlossenem Frieden als Oberst im Hotel der Invaliden.

Jener Aufenthalt in Sandow im Spätherbste 1806 führte auch zu einer nähern Beziehung zwischen Tieck und Arnim, die sich schon früher in Halle gesehen hatten.

Um mehrere Jahre jünger als Tieck, gehörte auch Arnim zu denen, welche der neuen Richtung der Poesie folgend statt des Ideales Volksthümlichkeit und Natürlichkeit verlangten. Er hatte zuerst in Halle Naturwissenschaften studirt, nicht ohne Hinneigung zur mystischen Seite; dann war er zur Poesie übergegangen. Später hatte er in Göttingen gelebt und im Hause des jüngern Buchhändlers Dietrich viel verkehrt. Im Verlage desselben erschienen 1804 die »Offenbarungen Ariel's« in denen er seine naturphilosophischen Ansichten mit den Ergebnissen der Studien der germanischen Urzeit verband. Denn er beschäftigte sich lebhaft auch mit der ältern deutschen Dichtung.

Während des Aufenthalts in Sandow ward sie in wiederholten Gesprächen zwischen Tieck und Arnim eine Quelle 335 der Kräftigung und Hoffnung für die Zukunft, deren man in dieser schmerzlichen nationalen Niederlage doppelt bedurfte. Tieck theilte seine Bearbeitung der Nibelungen mit. Dagegen verhieß Arnim ihn mit einem Werke der ältern Literatur bekannt zu machen, über das er staunen werde. Ohne sein Geheimniß zu verrathen, suchte er Tieck's Neugier aufs höchste zu spannen. Erst am folgenden Tage kam er mit dem verheißenen Schatze zum Vorschein. Es war das Trauerspiel des Andreas Gryphius »Cardenio und Celinde«, welches er später zur Grundlage seiner phantastischen Dichtung »Halle und Jerusalem« machte. Für Tieck war diese Mittheilung keine überraschende, denn die Anfänge des deutschen Dramas hatten längst seine Aufmerksamkeit erregt.

Die sorglich vorbereitete Bearbeitung der Nibelungen hatte inzwischen für ihn die erste Frische verloren. Je nachdem ihm neue Hülfsmittel zugekommen waren, hatte er sie mit unermüdlichem Eifer umgestaltet. Er hatte sie auf fünf Bücher berechnet, die in eine Reihe von Gesängen zerfielen. Die Klage sollte das letzte Buch beschließen. Mit dem jüngern Dietrich waren Verabredungen über den Verlag getroffen, der Meßkatalog für 1805 kündigte bereits die neue Bearbeitung an, und A. W. Schlegel sprach in der »Jenaischen Literaturzeitung« öffentlich darüber.A. W. Schlegel über Tieck's Bearbeitung der Nibelungen in der »Jenaischen Literaturzeitung«, 1805, »Intelligenzblatt« Nr. 121. Dennoch gab Tieck den Plan auf. Ein anderer Bearbeiter war ihm zuvorgekommen. Im Jahre 1807 erschien F. v. d. Hagen's Uebersetzung der Nibelungen. Mit gleicher Begeisterung für älteres deutsches Volksthum und Dichtung, und mit allen Mitteln der damaligen Gelehrsamkeit ausgerüstet, war auch dieser an die Bearbeitung des alten Heldenliedes gegangen.

Im Herbste sah Tieck die Vaterstadt wieder, nachdem der zerschmetternde Schlag gefallen war. Auch jetzt fehlte es nicht an Bewegung und bedeutenden Persönlichkeiten.

336 Johannes Müller hatte dem preußischen Ruhme die Grabrede gehalten. Tieck lernte den berühmten Geschichtschreiber kennen, und auch den damals nahe mit ihm verbundenen Karl von Woltmann, einen Gelehrten von vornehmer und anspruchvoller Haltung, der sich als Diplomat und Weltmann zu bewegen versuchte. Dieser pflegte ungemein graciös und kostbar zu thun, und ward dadurch für Andere verletzend. Beide Geschichtschreiber hatten an den Gesellschaften des Prinzen Louis Ferdinand Theil genommen, der dem Kriege als eines der ersten Opfer gefallen war. Tieck hatte den genialen und unglücklichen Prinzen früher aus der Ferne gesehen. Im Theater saß er zu Zeiten seiner Loge gegenüber. Es war eine glänzende und doch wehmüthige Erscheinung.

Ein dauernder Gewinn war Hagen's Bekanntschaft, die durch die Nibelungen vermittelt worden war. Ein literarischer und freundschaftlicher Verkehr entspann sich, und beide beschlossen auf ihrem gemeinsamen Wege miteinander zu gehen. Später ergab sich daraus ein neuer literarischer Plan, den sie im Vereine ausführen wollten, eine Erneuerung der gesammten Heldensage, wie sie in dem jüngern Heldenbuche vorlag. Zu diesem Zwecke gab Tieck seine früher angefertigte Bearbeitung des »König Rother«, und fügte den kleinen »Rosengarten« und andere Theile der Dietrichssage hinzu. Schon 1808 erschien ein Bruchstück des »König Rother« in Arnim's Einsiedlerzeitung. Indeß ließen Krankheit und wechselnde Verhältnisse auch dieses Unternehmen nicht zum Abschlusse kommen.

Um diese Zeit tauchten noch einmal Erinnerungen an den »Zerbino« und die kleinen Plagen auf, die ihn begleitet hatten. Der holländische Gesandte in Berlin, Goldberg, wünschte durch Hagen's Vermittelung Tieck kennen zu lernen. Bei diesem trafen daher Diplomat und Dichter eines Abends zusammen, 337 man unterhielt sich angenehm, und als man aufbrach, machte der Gesandte Tieck das Anerbieten, ihn in seinem Wagen nach Hause zu fahren. Arglos nahm dieser es an, doch fiel ihm auf, daß der Kutscher die Weisung erhielt, eine andere Richtung als die gewöhnliche einzuschlagen. Als beide im engsten Raume nebeneinander saßen, begann der Diplomat: »Jetzt habe ich Sie sicher! Nun müssen Sie mir ausführlich erzählen, wen und was sie in Ihrem ›Zerbino‹ gemeint haben; ich lasse Sie nicht los!« Und zugleich nahm der Staatsmann, der in dem literarischen Scherze politische Satire witterte, den Dichter in ein scharfes Kreuzverhör. Von Allem, was jener meinte, war Tieck weit entfernt gewesen. Als er daher mit der Forderung antwortete, einen Scherz doch einfach nur als solchen zunehmen, setzte ihn der Gesandte nach einer langen und peinlichen Fahrt endlich vor seinem Hause ab.



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