Adolph Freiherr Knigge
Geschichte Peter Clausens
Adolph Freiherr Knigge

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Dreizehntes Capitel

›Signor Clozetti‹ macht herrliche Fortschritte im bürgerlichen Leben,
wird mit einem Adelsbriefe versehn und dirigiert die Finanzen.

Ich war nunmehr mir selbst überlassen, erinnerte mich zwar oft der Lehren, welche mir mein Wohlthäter gegeben hatte, kam aber in so manche verwickelte unvorhergesehene Lagen, daß ich mir mehrentheils mit meiner eignen Vernunft helfen mußte, so gut ich konnte. Wozu nützt aber aller Mutterwitz auf dem stürmischen Ocean der großen Welt, wenn nicht der sichre Compaß der Erfahrung unsre Fahrt leitet?

Die Leser erinnern sich, daß ich Ihnen gesagt habe, die Finanzen des Fürsten seyen in schlechten Umständen gewesen. Es ließ sich voraussehn, daß früh oder spät der Herr Präsident von Mehlfeld desfalls wenn nicht Verantwortung, doch Verdruß haben würde. Was konnte ihm also willkommner seyn, als grade in dieser Crisis einen Deus ex machina erscheinen zu sehn, der ihm aus dieser Verlegenheit hülfe. Es kam nur darauf an, mich, der ich vom Finanzwesen nichts verstand, als was ich aus des Herrn von Justi und andern Schriften gelernt hatte, so in dies Fach zu verwickeln, daß ich freye Hand bekäme, neue Pläne zu machen. Wenn diese dann nicht glückten, wie es gewöhnlich mit den Plänen zu geschehn pflegt, die man ohne Kenntnis des Landes aus Büchern schöpft, fiel hernach die ganze Schuld von Unordnung der Geschäfte und Armuth des Landes auf den neuen Finanzier, und der alte Minister erschien in neuem Lichte, konnte, rein von aller Schuld, seine Rolle von obenher wieder anfangen.

Diesem Entwurfe gemäß ertrug Mehlfeld mit der größten Geduld den Verdruß, sich ohne sein Wissen einen Cammerrath aufgedrungen zu sehn, und nahm nicht seinen Abschied, wie man gehofft hatte. Da nun der Fürst, welcher nicht das Herz hatte, einen Mann ernstlich anzugreifen, sobald er den Schritt that, mich in seine Dienste zu nehmen, dem Präsidenten doppelt höflich begegnete, fing der schlaue Fuchs an, bey jeder Gelegenheit die Kenntnisse des neuen Cammerraths bis in den Himmel zu erheben. Dabey affectierte er, kränklich zu werden, und ließ die kitzlichsten Geschäfte, wobey am mehrsten Verantwortung zu tragen war, liegen, damit zuweilen Klage entstünde, wovon dann immer die Folge war, daß man ihm mit aller Schonung den Vorschlag that, seinem neuen Gehilfen diese Dinge, zu Erleichterung seiner Arbeit, zu übergeben. Auf diese Art hatte er bald alle Gefahr auf mich geladen, da ich theils zu thätig, um irgendeine Arbeit von mir zu weisen, theils zu wenig mit dem Gange der Geschäfte bekannt war, um, ehe ich dergleichen übernahm, mir vorher vollkommnes Licht über die Lage der Sache zu verschaffen und mich außer Verantwortung zu setzen.

Indessen hatte ich mehr Glück wie Verstand, und manches gerieth mir besser, wie mein Feind erwarten konnte. Ich brachte an einem Salzwerke eine Maschine an, welche ich nur im Aufriß gesehn hatte, die aber herrliche Wirkung that und dem Fürsten eine ansehnliche Ersparung verschaffte.

Nun schien es aber dem Herrn von Mehlfeld Zeit zu seyn, seinen Kopf gänzlich aus der Schlinge zu ziehn und zugleich den Neid der übrigen Dienerschaft seinem Gegner auf den Hals zu laden. Zu diesem Endzwecke mußten Kammerdiener und andre Menschen von der Art dem Fürsten den Anschlag an die Hand geben, den Herrn Cammerrath Clozetti zum Cammerdirector zu machen, den Präsidenten von Mehlfeld aber mit Beybehaltung seines Gehalts in Ruhe zu setzen. Dies geschah dann, als ich kaum sieben Vierteljahre bey der Cammer gedient hatte, und alle alten Räthe schüttelten die Köpfe darüber.

Allein noch etwas fehlte zu dem Plane, etwas, das zugleich Adel und Bürgerschaft gegen mich aufbringen sollte, und dies Etwas war ein Adelsbrief. Der Fürst war so sehr von meinen Verdiensten eingenommen, daß es keine Mühe kostete, ihn zu bewegen, mir ein solches Ding zu kaufen, und ich war Narr genug, der Eitelkeit nicht widerstehn zu können, es anzunehmen.

Es wurde daher von dem Kaiser ein Adelsbrief für mich verschrieben. Ich stellte mich, als wüßte ich nichts davon, und da erschien dann auf einmal ein großes Buch, in Samt eingebunden, an welchem ein kaiserliches Siegel von Metall hing. In diesem Documente war der Herr Cammerdirector Clozetti sowohl wegen seiner persönlichen Vorzüge als wegen der treuen Dienste, die seine Vorfahren im Kriege dem teutschen Reiche geleistet hätten, in den Reichs-Adelstand erhoben und ihm der Name Claus von Clausbach gegeben, dabey demselben ein Petschaft ertheilt, bestehend in einem von oben hinunter getheilten, halb weißen, halb rothen Schilde, und sowohl in diesem Schilde als oben auf dem Helm ein schwarzer Bär mit einem Schwerte in der Hand zu sehn.

Was die Tapferkeit meiner Vorfahren betraf, so wußte ich mich eigentlich auf nichts weiter zu besinnen (denn mein Vater war, wie bekannt, Schuster gewesen), als daß mein Oheim väterlicher Seits in der Bataille bey Roßbach als Corporal bey der Reichsarmee gedient hatte, nach derselben aber vermißt worden war.

Ich darf meine Schwachheit, wertheste Herrn und Damen! als ein ehrlicher Geschichtschreiber nicht verbergen, sondern gestehe frey, daß mein Adelsbrief mir unerhört viel Freude machte, daß ich mein Petschaft vier- bis fünfmal auf verschiedne Art stechen ließ und daß ich herzlich schmunzelte, als ich den ersten Brief unter meiner hochadligen Aufschrift bekam. Ich bedankte mich ehrerbiethigst bey dem Fürsten für seine Gnade, ließ meinen Adelsbrief den Collegien in Abschrift einreichen, empfing die Glückwünsche von der ganzen Stadt und werde, was dem Cammerdirector Claus von Clausbach ferner widerfahren ist, wenn Sie es erlauben, im dritten Theile erzählen.

 
Ende des zweythen Theils.


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