Adolph Freiherr Knigge
Geschichte Peter Clausens
Adolph Freiherr Knigge

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Sechstes Capitel

Peter schreibt an Reyerberg. Ein kleines Abentheuer.
Abreise nach Holland.

»Nun, mein lieber Herr Claus!« rief der Officier. »Alles ist in Ordnung. Wir können übermorgen in See stechen. Morgen laufen wir in der Stadt herum, und diesen Abend wollen wir, denke ich, recht fröhlich hinbringen. Lassen Sie uns den Windbeutel, den Lippeville, oder wie der alte Kerl heißt, hier in den Gasthof zum Abendessen bitten! Er soll uns Geschichtchen erzählen. Der Mann ist weit in der Welt gewesen, mag allerley erfahren haben – Kommen Sie!« »Herzlich gern!« erwiderte ich. »Nur lassen Sie mich vorher einen Brief schreiben!«

Ich setzte mich hin, schrieb an meinen lieben Reyerberg nach Hamburg und gab ihm Nachricht von dem, was mir begegnet war. Der gute Ludwig mochte wohl in die größte Verlegenheit meinetwegen gerathen seyn, als er des Morgens Brick tot im Bette gefunden hatte und ich verschwunden war. Jetzt meldete ich ihm den ganzen Zusammenhang, versprach, sobald mein Geschäft in Holland geendigt seyn und ich meine Frau an den rechten Mann gebracht haben würde, zu ihm nach Hamburg zurückzukehren. Dabey berichtete ich ihm, daß ich eine kostbare Handschrift besäße, die vielleicht unser Beyder Glück machen würde, aber in der That war, was ich bis itzt mit Ihnen, meine lieben Herrn! davon gelesen hatte, nicht von der Art, daß wir damit bey Fürsten etwas zu gewinnen hoffen durften. Wenn auch das Ganze nicht vielleicht ein politischer Roman war, wie ich es noch dafür anzusehn Ursache fand, so konnte doch die Entdeckung eines Landes, wo weder Luxus noch Laster, sondern Unschuld und Freyheit herrschen, wenig Reiz für unsre Regenten haben – Das ist kein Land für europäische Tyrannen! Bey welchem Zipfel soll es der Despotismus angreifen? Wie soll man Menschen unterjochen, sie mit der närrischen Grille erfüllen können, daß ihrer hunderttausend Kluge Einem Mittelmäßigen gehorchen müssen, wenn dieser Einzige sich Jenen nicht nothwendig zu machen versteht? Und wie kann er das, wenn sie keine solche Bedürfnisse haben, deren Befriedigung in seiner Macht ist, wenn sie nichts brauchen, als was ihnen die mütterliche Erde liefert, und, sobald ihnen ein Theil davon entzogen wird, sich ein anders wählen? Die noch dazu durch undurchdringliche Festungswerke von der übrigen Welt abgesondert sind und endlich unter einem höhern Schutze stehen, der sie vor Cultur und Corruption bewahrt? Wenn sie ohne Rauchtabak und Schnupftabak, ohne Gold, Silber, Brot, Bier, Branntwein, Priester u.d.gl. leben können? –

Mein Brief war eben fertig, so daß ich Licht bestellen wollte, um ihn zu versiegeln, und dann meinen Officier im Wirthszimmer aufzusuchen, da er unterdessen ausgegangen war, den alten Sieur Lippeville zu uns zu bitten, als leise an meine Thür gepocht wurde. Ich rief »herein!« und siehe da! es trat ein junges liebliches Mädchen mit schönen braunen Augen und schwarzen Haaren in das Zimmer. Sie redete mich französisch an: »Verzeyhen Sie«, sagte sie. »Ich glaube fast, unrecht zu kommen.« »O! nichts weniger, mein Kind!« antwortete ich und stand von meinem Stuhle auf, ihr entgegenzugehn. »Ein so hübsches Frauenzimmer kömmt nie unrecht bey mir. Treten Sie ja näher!« »Um Verzeyhung!« erwiderte sie. »Ich suchte meinen Stiefvater hier« – »Und der ist?« – »C'est le Sieur de Lippeville, Monsieur, pour Vous servir. Je le croyois ici, mais voyant que Vous ètes seul, Vous m'excuserés, Monsieur« – Sie wollte fort – »Ey! wohin so eilig?« – »Um des Himmels willen, lassen Sie mich ja fort!« rief sie. »Mein Vater ist gar strenge. Wenn er mich hier allein bey einem hübschen Herrn fände, was würde er sagen?« Ich merkte nun wohl, was für Art Frauenzimmer ich vor mir hatte, und ich glaube dem edlen Herrn von Lippeville nicht zu viel Unrecht zu thun, wenn ich vermuthe, daß dies Stieftöchterchen von ihm abgeschickt war, den fremden Herrn die Zeit zu vertreiben und dagegen einige holländische Ducaten mit nach Haus zu bringen. Einem Manne von seiner Art konnte man schon zutrauen, daß er bey seinen jetzigen Umständen nebenher einen kleinen Handel von dieser Art triebe und daß, als er mir erzählt hatte, er habe eine Witwe mit einigem Vermögen geheyrathet, das Capital einer jungen Stieftochter mit in Anschlag gebracht war.

 

Peter Claus war aber nicht so neu in der Welt, um sich in einer solchen Schlinge fangen zu lassen. Zehn oder zwölf Jahre früher möchte es freylich wohl ganz anders ausgefallen seyn. Der Herr von Lippeville wäre dann zu rechter Zeit in das Zimmer getreten, um den gekränkten Vater, den Rächer der entehrten Tochter zu spielen und den armen Peter die Thorheit theuer bezahlen zu lassen. Bey meiner vielfachen Erfahrung aber (und ich war ja auch ein verheyratheter Mann) hielt ich mich mit diesem jungen Frauenzimmer gar bescheiden in den Schranken der Ehrbarkeit. Weil indessen, wie der Apostel Paulus und Yorick (ich weiß nicht, ob bey einerley Veranlassung, genug! sie erzählen es Beyde) versichern, daß der Teufel ein Widersacher ist, der nur Gelegenheit sucht, uns Schelmstreiche zu spielen, so fand ich nöthig, ein wenig auf meiner Hut zu seyn. Man hat doch im siebenunddreyßigsten Jahre (man müßte denn gar zu arg bey Höfen sich durchgelebt haben) auch noch Fleisch und Blut, wovon bekanntlich ersteres zu den drey geistlichen Feinden gehört und letzteres, wenn es anfangt, recht heftig zu laufen, leicht mit unsern Grundsätzen davonrennt. Desfalls versäumte ich nicht, aus Vorsicht die Stubenthür, welche das hübsche Frauenzimmer noch in der Hand hielt, nachdem ich sie davon weggeführt hatte, sorgfältig – halb offenstehn zu lassen.

»Setzen Sie Sich nur einen Augenblick wenigstens, mein schönes Kind!« sagte ich – Sie that es, nach einiger verstellten Weigerung.

Ich habe es schon oft bemerkt, beste Leser! daß, wenn uns Liebe zum Guten, oder Eigensinn, oder Nothwendigkeit, oder Furcht treibt, unser sinnliches Vergnügen gewissen Grundsätzen aufzuopfern, wir uns ungern begnügen, bloß das stille Bewußtseyn zu schmecken, das Böse nicht gethan, sondern überwunden zu haben – Nein! wir wollen mehr, wir möchten herzlich gern zugleich etwas Gutes ausführen, so etwas Erhabnes, um durch den Kitzel, den uns eine große That macht, den Verlust zu ersetzen, den die bezwungne Sinnlichkeit an jenem entbehrten Genusse gelitten hat – so spielt bey uns immer eine Leidenschaft der andern einen Possen, und dreymal glücklich ist noch Der, welcher die Kunst versteht, dies Satanspack auf solche unschädliche Art aneinander zu hetzen.

Hätte ich die Demoiselle ganz trocken mit dem Bescheide abgewiesen, daß ihr lieber Papa nicht bey mir sey, und dann freundlich hinzugesetzt: »Ich bedaure also recht sehr und empfehle mich gehorsamst«, so hätte ich genug gethan. Aber sobald ich merkte, welches Handwerk sie triebe, und ich nun wohl einsah, daß ich mich aus Vorsicht in einiger Entfernung von ihr halten müßte, wollte ich mich für diese Verleugnung dadurch schadlos halten, daß ich mir den Ruhm erwürbe, etwas zur Besserung einer Verirrten beyzutragen. Ich faßte sie aus dieser Ursache freundlich bey der Hand, fragte sie, wie alt sie sey, womit sie sich beschäftigte, wie ihre Vermögensumstände wären, ob sie keinen Liebhaber hätte, ob ich ihr in irgendeiner Sache dienen könnte? u.d.gl. Sie drückte mir bey der letzten Frage dankbar die Hand, erzählte: sie sey neunzehn Jahre alt, lebe bey ihrer Mutter, die freylich nicht so reich wäre, daß sie sich auf den Fuß comme les autres filles de mon état kleiden und dadurch einem Manne gefallen könne. Zudem wolle sie nicht heyrathen, liebe die Freyheit, und, setzte sie hinzu, wenn sie jetzt einen Bräutigam hätte, so würde sie es ja nicht wagen, bey einem so wackern Herrn allein im Zimmer zu seyn; dabey würde wenigstens sie ein Vergnügen entbehren, wenngleich mir daran wenig gelegen seyn möchte –

Ich fühlte, daß ich bald mit meiner Predigt hervorkommen müßte, wenn ich nicht das Concept aus dem Gedächtnisse verlieren sollte; also fing ich herzhaft an: »Mein gutes Kind!« sagte ich etwas vertraulicher. »Ich verstehe Sie vollkommen und bin zu sehr mit der Welt bekannt, um nicht zu begreifen, daß es nicht eben Männerhaß ist, der Sie bewegt, gegen den Ehestand eingenommen zu seyn. Es ist wahr, die Freyheit ist ein herrliches Gut, aber um gänzlich frey und unabhängig zu leben, muß man sich in bessern Glücksumständen befinden, wie Sie mir die Ihrigen schildern, sonst zwingen uns Mangel und Nothwendigkeit oft, von dem Willen reichrer Leute abzuhängen, und wenn Diese alsdann für ihr Geld das Recht zu haben glauben, etwas zu fordern, das der Rechtschaffenheit entgegen ist, so können wir nicht widerstehn. Reue nach der That, ein zerrütteter Körper, ein unmuthsvoller Geist und im Alter Krankheit, Elend, Verachtung und Verzweiflung sind dann gewöhnlich die Folgen einer solchen gefälligen Lebensart. Sehen Sie, meine Schöne! so weit kann Mangel führen, wenn nicht Fleiß und Wachsamkeit dabey sind, und hat schon manche ebenso blühende Wange« – Ich klopfte sanft an die ihrige, denn nun hatte ich nichts mehr zu fürchten. Ich glühete von Bekehrungsfeuer, die Sinnlichkeit wurde durch den Stolz glücklich überschrien – Ich fuhr fort – »hat schon manche ebenso blühende Wange bleich gemacht.«

Sie schlug beschämt die Augen nieder, und eine Thräne, auf welcher halb Scham, halb Verdruß schwamm, fiel auf ihre rechte Hand, die ich in meiner linken hielt. »Lassen Sie sich«, sagte ich ferner, »durch dies Bild nicht ängstigen! Wie könnte ein so hübsches, gutes Frauenzimmer je Mangel zu fürchten haben, wenn Tugend und Arbeitsamkeit Ihre Schritte leiten? Der Ruf Ihrer Sittsamkeit wird von Ihrer kleinen Wohnung aus in die Nachbarschaft und von da weit umher in die Stadt verbreitet werden. Bey jetziger Zeit, wo es der tugendhaften, häuslichen, edeln Weiber so wenig gibt, wird es Ihnen, wenn Sie zu diesen Wenigen gehören, gewiß nicht an reichen, braven und hübschen Freyern fehlen. Sie werden dann als Frau und Mutter das Glück einer ganzen Familie ausmachen, und wenn diese Reize verblüht sind, wird die Achtung und Ehrerbiethung Ihrer Freunde und Verwandten Ihnen eine neue Bahn von Glückseligkeit eröffnen, die, von keinen Gewissensbissen noch körperlichen Leiden unterbrochen, bis an Ihr Ende Sie begleiten und noch nach Ihrem Tode Ihnen aus dem Munde Derer nachlallen wird, die Ihr Andenken segnen werden« – »Ah, Monsieur«, rief sie aus: »Vous me percés le coeur! Plût au Ciel« – Sie konnte vor Rührung nicht weiterreden – »Nun, mein gutes Kind!« sagte ich, »statt dieser augenblicklichen heftigen Empfindung wünschte ich lieber, daß meine Worte bleibenden, wirksamen Eindruck auf Sie machen möchten. Nehmen Sie« – Ich hatte einen kleinen Ring mit einem grünen Steine am Finger. Er war nicht von großem Werthe. Auf der inwendigen Seite stand mein Namenszug P. C. eingegraben. Gern bekenne ich es, daß, als ich ihn kaufte, ich halb und halb die Absicht hatte, ihn einst als den Preis einer schlechtern Handlung, wie die war, welche ich heute beging, hinzugeben – »Nehmen Sie diesen Ring als ein kleines Andenken von mir an, und wenn Sie je in Gefahr und Versuchung kommen sollten, etwas zu thun, das den Grundsätzen entgegen wäre, von deren Wahrheit Sie itzt gerührt scheinen, so betrachten Sie den Ring und erinnern Sich der Ermahnungen des Mannes, der es wahrhaftig gut mit Ihnen meinte. Und nun, mein Töchterchen! gehen Sie hübsch nach Haus, an Ihre Arbeit!« – Ich führte sie bis vor die Stubenthür, küßte sie auf die Backe und machte die Thür hinter ihr her zu.

 

»Bravo! Peter Claus! Nun! da hast Du doch einmal eine gute Handlung begangen, und das macht Dich so froh, daß es wohl der Mühe werth wäre, mehr dergleichen zu thun, um ein so reines Vergnügen öfter zu empfinden. Es ist wahr, wenn nicht die Furcht gewesen wäre, Du könntest in Verlegenheit gerathen, wenn das Mädchen nicht des verteufelten Kerls Tochter – Doch, sollte man die Quellen aller edeln Handlungen, aller Aufopferungen untersuchen – Genug! es ist geschehn, es ist überstanden« –

Ich siegelte meinen Brief zu, schickte ihn fort, fand den Hauptmann unten und sah etwa eine halbe Stunde nachher den Sieur Lippeville herankommen.

Unsre Mahlzeit war recht fröhlich. Das Bewußtseyn, eine gute That gethan zu haben, macht doch wahrlich so heiter wie sonst nichts in der Welt. Unser Gast zeigte anfangs ein ziemlich zusammengesetztes Gesicht. Es schien, als wenn das Töchterlein ihm etwas von unsrer Unterredung erzählt haben mochte. Ich schwieg sorgfältig darüber. Nach und nach klärte sich indessen bey einer Flasche Wein die Miene des alten Sünders auf, und er fing an, als er ein bißchen im Kopfe hatte, auf unser Bitten allerley Scenen aus seinem Leben zu erzählen.

Da kam nun in Wahrheit tolles Zeug zum Vorschein. Er hatte sich, wie es schien, von Jugend auf um des leidigen Geldes willen zu allem mißbrauchen lassen. Als er Bedienter bey dem französischen Husarenofficier war,Man sehe im ersten Theil! Seite 74. da hatte er im Felde tapfer fouragieren helfen. Der Officier warb hernach um eine reiche Kaufmannstochter, und da mußte Lippeville seinem Herrn helfen, den wohlhabenden französischen Marquis zu spielen. Er wurde nebst einigen andern losen Buben verkleidet, die Rolle von Kammerdienern, Leibjägern u. s. f. zu machen. Dann schrieb er falsche Briefe im Namen der Verwalter von den Gütern des Officiers (die aber im Monde lagen), in welchen sie ihm meldeten, wieviel sie in diesem Jahre eingenommen, verbauet, an Pensionen ausgezahlt und bar überschickt hätten. Der alte Schwiegervater ließ sich dadurch täuschen und gab die Tochter, welche indes schon im Voraus für die Fortpflanzung der Familie gesorgt hatte, dem windigen Husaren, der nichts mehr und nichts weniger war wie ein Aventurier und Spieler.

Lippeville fing während dieser Zeit an, mit seiner gnädigen Frau vertrauet zu werden, wurde mit ihr ertappt, herzhaft abgeprügelt und fortgejagt.

Darauf half er sich als Kammerdiener an bey dem dänischen Gesandten in Paris, lernte dazumal das bißchen Dänisch reden, welches ihm jetzt so großen Vortheil bringt, führte dem Herrn Gesandten Maitressen zu, welches herrliche Talent ihm die Secretairsstelle bey einem Cardinal verschaffte, bey einem Herrn, der weder recht lesen noch schreiben konnte und außer den Stunden, die er im Schlafe, am Tische und in dem liebreichen Umgange mit einigen siebenzehnjährigen Knaben zubrachte (vermuthlich um ihren Geist zu bilden) seine Hauptbeschäftigung seyn ließ, Fliegen zu fangen, denselben die Flügel auszureißen und papierne Figuren auf ihren Rücken zu kleben, mit denen die armen geplagten Thiere zur größten Freude Seiner Eminenz herumwackeln mußten. Hiebey stand sich Lippeville vortrefflich, ging mit dem Cardinal nach Italien, sah dort alles, was nur zu sehn war, rutschte die Scala santa auf den Knien hinauf und ging endlich, als compagnon de voyage et de débauche, mit dem Vetter Seiner Eminenz unter dem Namen des Capitaine de Lippeville auf Reisen.

Nach dem Tode dieses jungen Herrn, der in Aachen an einer sehr galanten Krankheit starb, theilte er mit den Domestiken desselben die besten Sachen des Verstorbnen und ging sodann nach Spa, wo er am Pharaotische seine ganze Barschaft sitzen ließ, bis auf die Leibrente nach, von der wir aber gehört haben, daß er auch diese in der Folge verlor.

Auf welche Art er sich unterdessen durch die Welt half, das haben wir im siebenten Capitel des ersten Theils gehört.

Es war schon beynahe Mitternacht, als wir auseinandergingen, und den folgenden Tag wendeten wir an, mit Lippeville durch die wahrhaftig schöne Stadt Kopenhagen zu spazieren.

Auch hier fand ich die Erfahrung bestätigt, daß man weit in der Welt umhergefahren seyn kann, ohne desfalls den geringsten Nutzen von diesen Reisen zu ziehn. Hätten wir einen Mann von Kenntnissen bey uns gehabt, so würde uns derselbe, obgleich die Zeit so kurz war, dennoch auf manches aufmerksam gemacht haben, das uns einen Begriff von dem Nationalcharacter, den Sitten und dem Grade der Aufklärung der Einwohner hätte geben können. So aber, mit den Augen, womit der alte Landläufer alle Dinge ansah, war uns seine Führung nicht mehr wie die eines Lehnlakayen werth. Da sahen wir das Wahrzeichen der Stadt, die Bildsäule der Leda, welche zwischen Kopenhagen und Christianshaven, auf der Insel Amac, im Wasser steht, beschaueten die Citadelle Friedrichshaven, gafften das prächtige, wahrhaftig sehenswerthe Schloß in der Altstadt, wie die Kuh das neue Thor, von außen an, betrachteten die Schandsäule auf dem Uhlefeldsplatze, die ich lieber nicht gesehn hätte, und würden nicht einmal das berühmte Hospital Wartow besucht haben, wenn nicht ich, der ich gern mich meiner Menschlichkeit erinnere, die Gewohnheit hätte, in jeder Stadt nach den Hospitälern und Tollhäusern zu fragen. Das, wovon ich hier rede, verdient vorzüglich Aufmerksamkeit. In mehr als dreyhundert Betten – Doch, ich habe Ihnen ja schon im vorigen Capitel versprochen, daß ich Sie mit einer genauen Beschreibung von Kopenhagen verschonen wollte, und ein ehrlicher Mann hält Wort –

Nachdem wir ziemlich ermüdet des Abends zu Hause kamen, nahmen wir Abschied von unserm Führer und bestiegen des folgenden Morgens früh um fünf Uhr das Schiff, um nach Holland zu segeln.


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