Adolph Freiherr Knigge
Geschichte Peter Clausens
Adolph Freiherr Knigge

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Achtes Capitel

Fortsetzung des Manuscripts. Ankunft in Holland.

Ich muß Sie, meine hochgeehrtesten Leser! gehorsamst um Verzeyhung bitten, wenn Ihnen etwa des Herrn Brick Handschrift ein wenig zu lang scheinen sollte, und Sie noch um einige Nachsicht ersuchen, im Fall Sie es lieber sähen, daß ich in Erzählung meiner eignen Begebenheiten fortführe. Vom zehnten Capitel an (das verspreche ich wie ein ehrlicher Schriftsteller) soll nie wieder von dem Herrn Brick noch von seinem Manuscripte die Rede seyn, und indessen erlauben Sie immer, daß hier auf dem Schiffe, wo Sie mich ohne alles Abentheuer ruhig mit einer Pfeife Tabac haben sitzen gesehn, daß hier meines verstorbnen Freundes sonderbare Begebenheiten den leeren Raum ausfüllen dürfen. Zudem steht so närrisches Zeug in diesem Aufsatze, daß, wenn ich auch bey der kurzen Schiffahrt das sonderbarste Schicksal gehabt hätte, mir doch nimmermehr so viel hätte aufstoßen können. Sie wissen, daß wir herrliches Wetter hatten. Aber wäre auch Sturm gewesen, an welche Küste hätten wir verschlagen werden können, wo es so bunt wie in des Herrn Brick südlichen Ländern hergegangen wäre? Oder wären wir gescheitert und Alle ertrunken, ja! so hätte ja die ganze Music ein Ende; oder wären wir auf eine wüste Insel gekommen, hätten Hunger und Noth gelitten, hätten losen müssen, wer von uns geschlachtet werden sollte, und ich wäre dann per plurima vota gegessen worden – Nun! das könnte doch wahrlich auch keine Lust für Sie seyn – Genug! ich denke, Sie erlauben mir, nach meinem eignen Plane fortzufahren. Also frisch an das Werk!

Fortsetzung des Manuscripts

»Die Erzählungen meines wohlthätigen Schulmeisters wären mir aus jedes Andern Munde verdächtig gewesen. Indessen bat ich denselben: er möchte mich doch in den Stand setzen, einige dieser sonderbaren Gebräuche und Sitten mit eignen Augen zu sehn. Er war sogleich willig dazu, und da er ohnehin in die Residenz mußte, wohin er vor den Rath der Priester vorgeladen war, um sich wegen einer Anklage zu rechtfertigen (Man gab ihm nämlich Schuld, er habe einst seinen Schülern gesagt: Ein gutes häusliches Beyspiel sey mehr werth wie die öffentlichen Reden von hundert Priestern), so machte ich mich mit ihm auf den Weg dahin. Wir mußten durch ein paar kleinere Städte gehn, und da nahm ich wahr, wie auch bis hierher schon die unvernünftige Nachahmungssucht der vent-i-tischen Sitten gedrungen war. Die Bürger waren scharenweise in die Hauptstadt gelaufen, hatten dort ihre besten, von gutem, schönen, dicken Stoffe gewirkten Kleider um den halben Preis verkauft und leichtes, elendes Zeug dafür erhandelt, welches die neumodische Farbe von des vent-i-tischen Knaben Unflathe hatte. Der oberste Richter in einer kleinen Stadt, dessen eigentliche Besoldung sehr geringe war, der dagegen aber auf die ungerechteste Weise große Summen erpreßte, um einen unzweckmäßigen Aufwand zu treiben, hatte sich kürzlich eine vent-i-tische Köchin angeschafft, und in seinem Hause durfte keine andre Sprache geredet werden. Weil nun der Erif eine ausländische Beyschläferin hatte und öffentlich über Treue, häusliche Pflichten und eheliche Bande spottete, so waren auch aus jedem kleinen Bürgerhause Friede, Eintracht, Religiosität und Tugend verbannt. Ich erfuhr nachher, daß fast alle Fürsten in diesem Welttheile den Luxus, das Verderbnis der Sitten, die Ungewissenhaftigkeit und den Hang zu sinnlichen Freuden unterstützten, weil sie dann um desto despotischer über ein Volk regieren könnten, das durch so lose Bande aneinander hält, so leicht zu trennen, so leicht von ernsthaften Gedanken ab, auf Spielwerke aufmerksam zu machen ist, das ferner durch ein Heer schwer zu befriedigender Bedürfnisse, welche der Tyrann zu seinem Vortheile lenken kann, leicht unter sich uneinig und von Fürsten abhängig zu machen ist; das endlich, wenn es durch Luxus und Laster arm und entnervt wird, nie Muth hat, ein ungerechtes Joch abzuschütteln.

Ich habe vergessen, Euch zu sagen, daß in den großen und kleinen südlichen Staaten, welche ich damals durchreiste, eine so sonderbare Verschiedenheit in Münzsorten, Maß und Gewicht herrschte, daß man fast bey jeder Meile Weges eine andre Rechnung lernen mußte, folglich ein Fremder nicht nur oft betrogen wurde, sondern auch die Geschäfte der Einwohner dieser kleinen, aufeinander eifersüchtigen Staaten dadurch ungemein erschwert wurden.

Es war gegen Mittag, als wir in der Residenz ankamen. Vor einem großen Gebäude sahen wir einen gewaltigen Zulauf des Volks. Ich fragte, was das zu bedeuten hätte, und da erfuhr ich, daß hier etwas getrieben wurde, das mir auch unerhört fremd schien. Dem Landesherrn war durch böse Rathgeber eingeblasen worden, eine neue unmerkliche Art von Auflage, zu Vermehrung seiner der Befriedigung unmäßiger Leidenschaften gewidmeten Cassa, zu gründen. Zu diesem Endzwecke hatte man eine Art von Spiel eröffnet und Einheimische und Fremde eingeladen, daran Theil zu nehmen. Man rechnete nämlich, wie ich schon gesagt habe, in den dortigen Ländern statt unsres Geldes nach Steinen. Nun war ein großes verschlossenes Behältnis gemacht, welches sich ungefähr wie ein Rad umdrehn ließ. Darin war eine kleine Öffnung. Man konnte durch dasselbe einen Stein hineinwerfen, auf welchen man vorher seinen Namen schrieb. Wenn eine Anzahl Steine hineingeworfen waren, wurde die Maschine schnell herumgedreht, und das Loch blieb offen. Fiel nun im Drehn von ungefähr ein Stein heraus, so bekam Derjenige, dessen Name auf dem Steine stand, die ganze Sammlung, welche grade darin war. Geschah dies aber in einer festgesetzten Frist nicht, so gehörte das Ganze der Regierung. Nun kann man sich leicht vorstellen, wie selten sich bey der schnellen Bewegung der erste Fall zutrug. Folglich stand sich der Landesherr bey diesem Spiele, welches er mit seinen Unterthanen trieb, sehr gut. Allein die Hoffnung des Gewinnstes verleitete Arme und Reiche täglich, eine Menge Steine daran zu wagen; und nicht selten sah man einen Unglücklichen, der hier sein letztes Steinchen verloren hatte, mit gesenktem Haupte traurig davonkriechen. Soll ich es bekennen? Auch ich war närrisch genug, den einzigen Stein, den ich hatte, daran zu wenden. So sehr verblendete mich diese prächtige Anstalt, die Ankündigung, welche ein Herold ausrief: Hier könne Jeder in einem Augenblicke reich werden, und endlich das Gepränge, welches hierbey herrschte. Ich warf meinen Stein hinein, und – o Wunder! – Man hatte vielleicht nicht schnell genug gedreht – Genug! er kam bald wieder herausgeflogen, und ich erhielt (obgleich man allerley Einwendungen versuchen wollte, mir meinen Gewinnst vorzuenthalten) hundert Stück Steine, vielleicht den Ruin von zwanzig Familien, zur Beute.

Wer war in solchen Umständen froher wie ich? Nun wollte ich meinen Reichthum mit meinem Wohlthäter theilen; allein, zu meiner Verwundrung wollte er von diesem Sündengelde nichts annehmen, und alles, was ich von ihm erlangen konnte, war, daß er mir erlaubte, ihn ein paar Tage lang in einem guten Gasthofe freyzuhalten.

Da mein redlicher Begleiter etwas lange durch die Chicanen der Priester aufgehalten wurde, hatte er volle Zeit, mir alle Merkwürdigkeiten der Stadt zu zeigen – Und was für Inconsequenzen sah ich da nicht, sah, wie die Menschen sich untereinander durcharbeiteten, rieben, quälten, jagten, verfolgten, vorzogen und unterdrückten um – Nichts! sah, wie ihnen alles so wichtig schien, was so klein war, wie zu ihren Festen, Verzierungen und Feyerlichkeiten, Armuth im Öconomischen, Politischen und Intellectuellen, Geschmacklosigkeit und Langeweile, [sie] das Gewand der Pracht, des guten Tons, der Weisheit und des Vergnügens borgen wollten. Ich kaufte mir ein gutes Kleid und ließ mich, durch Hilfe meiner schiefen Nase, an den Hof führen. Dort erwartete ich, um den Fürsten, um den Ersten und Besten seines Volks her die Edelsten der Nation versammelt zu finden. Aber was für Geschöpfe liefen hier herum? Ein Haufen leerer, müßiger, unwissender Männlein, von zwey oder drey ausstudierten Schelmen bey ihren schiefen Nasen herumgeführt, durcheinander gehetzt und in beständigem pudelnärrischen Kreislaufe erhalten, um dem Erif ein Spielwerk zu verschaffen, worüber er vergessen mußte, auf jener Herrn Schleichwege Acht zu haben.

Bey einem großen Feste am Hofe nahm ich etwas wahr, das mir sehr characteristisch vorkam. Der Erif saß auf einer hohen Bühne und hatte zum Zeichen seiner Würde einen Stock in der Hand, auf welchem oben die fein in Stein ausgearbeitete Figur eines Raubvogels befestigt war – Es schien der Talisman der landesväterlichen Gewalt zu seyn.

Ich bemerkte in allen Palästen Bildnisse und Statuen – nicht der Größten, sondern der Vornehmsten im Staate ausgestellt – – nicht wie sie aussahen, sondern – wie sie gern ausgesehn hätten; und der treue Künstler blieb unberühmt, unbelohnt, indes der Meißel des Schmeichlers bis in den Himmel erhoben wurde.

Ihr werdet nachher hören, daß ich mich nicht begnügte, nur allein diese Stadt, dieses Land kennenzulernen, sondern daß ich auch, in Gesellschaft eines weisen Mannes, eine Reise in die kleinen, umliegenden Staaten machte. Folglich gilt, was ich hier sagen werde, nicht alles von dieser einzigen Provinz, sondern ist aufgesammelt von der ganzen Nation.

Menschenfurcht, Muthlosigkeit, Verehrung Dessen, den das Glück zufälligerweise erhoben, durch ein verjährtes Vorurtheil geheiligt – Das alles erhielt das arme Volk in einer beständigen Unthätigkeit, und indes man die Menschen einschläferte und sie selbst sich täglich mehr an das Joch gewöhnten, webten, von allen Seiten, Eigennutz, Priester- und Erifsdespotismus ihr Gewebe fester aneinander und verschlungen darin Jeden, der sich noch rühren konnte oder wollte. Diese drey großen Ressorts spielten höchst künstlich, sooft sie es nöthig fanden, gegeneinander oder miteinander, je nachdem es die Convenienz erforderte. Wann die Priester des weltlichen Arms bedurften oder einen ehrlichen Mann durch die dritte Hand stürzen wollten, predigten sie Gehorsam gegen die Obrigkeit, schrien über Empörung und verfolgten Den, der zu frey redete. Kam aber ihr Eigennutz mit dem Interesse des Staats in Gegensatz, so lehrten sie, daß die Pflichten gegen die Götter weit über die Verbindlichkeiten gegen die Regenten gingen. Von einer andern Seite wußten die Erifs, sooft sie der Volksreligion wie eines Zaums und Gebisses bedurften, die herrlichsten Vorschriften zu geben, was in ihren Ländern über die Natur der Götter geglaubt und gesprochen werden durfte. Auch zeigten sie dann selbst ein öffentliches Beyspiel von Anhänglichkeit an ihren Glauben. Sobald sie aber Gelegenheit fanden, gewissere Vortheile zu erlangen, bekannten sie ebenso öffentlich das Gegentheil. Waren die Vorschriften der Volksreligion zu strenge für ihre Sitten, so schlugen sie sich zur Parthey der Irreligiösen. War ihnen aber der Aberglaube bequemer zu Reinigung ihrer Gewissen, zu Versöhnung ihrer Unthaten, dann glaubten sie die allerlächerlichsten Fratzen. Alle diese Beyspiele verbreiteten sich aus der Residenz in die kleinern Städte und von da unter das Landvolk – Und schon waren diese südlichen Völker so tief gefallen, hatten so sehr im Intellectuellen und Physischen abgenommen, daß es ein Jammer anzusehn war. Von ernsthaften, erhabenen Wissenschaften, dem Studium der Natur, nützlichen Bemerkungen, Nachforschungen über das Wesen und den Zweck aller Dinge und Creaturen ab, war ihr Geschmack auf nichtswürdige, oft sehr gefährliche, erniedrigende Kleinigkeiten gefallen. Durch die abscheulichsten, unnatürlichsten Laster sowie durch Druck, Armuth, Weichlichkeit und Faulheit war die ganze Generation so schwach und entnervt geworden, daß itzt kaum unter Hunderten Einer das gewöhnliche Menschenalter erreichte. Doch waren sie ehemals ein so starkes, männliches Volk gewesen.

Alle diese Vorwürfe treffen aber nur den größten Theil der mehr oder weniger kleinen Staaten dieses Welttheils, denn außer daß einige liebenswürdige, väterlich für ihre Unterthanen gesinnte Erifs die Wohlfahrt ihrer Kinder mit unermüdeter Sorgfalt beförderten, folglich eine Ausnahme vom Ganzen machten, so gab es auch noch mitten unter diesen zwey große Reiche, von weisen, mäßigen und edlen Erifs beherrscht. Diese sahen in ruhiger Stille dem Unwesen zu, machten ihre Unterthanen (wenigstens nach ihrer Überzeugung; und das ist für Menschen genug gethan) so glücklich wie möglich, wachten, arbeiteten, kämpften für sie und hielten sich für die ersten Diener im Staate. Freylich machte die höchst verworrene Staatsverfassung dieses ganzen Welttheils, dessen einzelne Provinzen unabhängig und eingeschränkt, in Verbindung und getrennt, nach ausländischen, vor zwölfhundert Jahren ersonnenen, jetzt nicht mehr passenden Gesetzen und dann wieder zwischendurch nach einer ungeheuren Menge specieller, sich oft widersprechender Landesverordnungen regiert, diese verwickelte Verfassung, dies höchst abentheuerliche Gemische, sage ich, machte, daß beyde große Männer, welche immer Rücksicht darauf nehmen mußten, unmöglich ihre Provinzen gänzlich nach einem einförmigen Plane regieren konnten, und doch war es ohne offenbar gewaltsame Ungerechtigkeit nicht möglich, die kleinen Länder gradeswegs unter sich zu vertheilen. Man ließ diese also, wie billig, in Ruhe. Allein die kleinen Herrschaften arbeiten sich dennoch selbst ihrem Untergange entgegen, und ich bin überzeugt, daß in hundert Jahren ein großer Theil derselben eingeschmolzen und die ganze, so sehr zusammengesetzte Verfassung ohne alle Gewalt über den Haufen gefallen seyn wird. Denn erstlich bekommen die jungen Erifs die elendeste Erziehung von der Welt, werden von Jugend an mit dem lächerlichen Vorurtheile von natürlichem Rechte zur Oberherrschaft erfüllt, mitten unter Schmeichlern aufgefüttert und entweder den Händen eigennütziger Priester oder unwissender, selbst nicht erzogner, oft nur politische und ökonomische Vortheile suchender Schiefnasen übergeben. Da werden ihnen dann, wie es leicht zu denken ist, keine vernünftigen Grundsätze der Regierungskunst, keine klaren Begriffe von den gegenseitigen Verhältnissen der Fürsten und Unterthanen gegeneinander, kurz! es wird ihnen nichts Zweckmäßiges beygebracht, sondern, indem man ihnen in den wenig Stunden, worin man von dergleichen redet, nur obenhin allerley schwankende, verfälschte Ideen beybringt, ohne sie auf ihr wahres Interesse aufmerksam zu machen, wird der übrige Theil der Zeit mit elenden Spielwerken, Zerstreuungen und solchen Vergnügungen, welche allerley heftige Begierden erregen, verschleudert. Auf diese Art wächst der neue Landesvater heran, und es ist ein Werk des Schicksals, ob er wollüstig, grausam, hartherzig, weichlich, verschwenderisch, schwach, unthätig oder das Gegentheil wird.

Sodann zerrüttet der Hang zur leeren Pracht, die hochmüthige Nachahmung der größern Erifs (welche oft die armseligsten Schauspiele liefert) bald, in den ersten Jahren der Regierung, den Zustand der Finanzen. Alsdann bleibt nichts übrig, als die Unterthanen auf die ungerechteste Art zu schinden. Diese verarmen, erholen sich wohl einmal wieder, verarmen noch einmal, können nichts mehr geben, nicht wieder zu Kräften kommen, wandern aus oder thun einst einen kühnern Schritt, aus Verzweiflung, um des Jochs loszuwerden. So frißt ein kleines Land nach dem andern sich auf, und es ist leicht abzusehn, worauf das endlich hinausgehn wird, da indes die größern Staaten durch weise Anordnungen, durch Gerechtigkeit, durch Frieden und durch den Ruin der andern immer mächtiger und blühender werden. Wie es bey den einzelnen Provinzial- und allgemeinen Nationalgerichtshöfen herging, mag ich gar nicht erzählen. Nur so viel will ich sagen, daß dort der Mächtigre und Reichre, wenn er auch seine ungerechte Sache nicht gewinnen kann, die herrlichsten, gesetzmäßigsten Mittel in Händen hat, der ärmern Gegenparthey hundert Jahre lang das Ihrige vorzuenthalten, bis diese, muthlos und gänzlich verarmt, in den Händen des Räubers läßt, was sie nicht wiederbekommen kann.

Es gibt auch sogenannte freye Staaten mitten in diesem großen Welttheile. Aber diese führen nur den Namen davon, indem ein kleiner Haufe von Verschwornen das Volk unter dem Privilegium der Freyheit durch Cabale, Klatscherey, Bestechung, Überstimmung, Aberglauben, Intoleranz, Verhindrung der Aufklärung, schlechte Schulanstalten u.d.gl. in einer noch ärgern Tyranney hält. Mehrentheils ist dann das Volk stolz darauf, reden zu dürfen, was es will, und die Vornehmern haben die Freude zu thun, was ihnen beliebt.

Das, meine lieben Freunde! waren die traurigen Bemerkungen, welche ich in diesen fremden Ländern machte und die mir tausendmal eine warme Sehnsucht nach meinem Vaterlande einflößten.

Den alten Mann, von dem ich Euch geredet habe, traf ich in einem Gasthofe an, wo ich zu Mittage speisete. Es saß da eine große Gesellschaft von allerley Leuten, die durcheinander sprachen und über Politik, Religion, schöne Wissenschaften und Gott weiß über was alles mit herzlichem Wohlgefallen an sich selber urtheilten. Nur mein alter Nachbar hörte alles mit Lächeln an und – redete nichts dazu. Das Gespräch fiel auch auf die verschiednen Mißbräuche in der Regierung, auf die Bedrückungen der Unterthanen, auf Ungerechtigkeit, Bestechung, Inconsequenz, Planlosigkeit u. s. f. Dies dauerte so bis zu Ende der Mahlzeit fort, da dann der alte Mann, sobald er satt war, aufstand und in einen nahegelegenen Garten ging, wie er immer nach Tische zu thun pflegte. Ich sah ihn einsam auf- und niederwandeln und beschloß, mich wo möglich zu ihm zu gesellen. Sobald ich auf ihn zuging, blieb er freundlich stehn, und nach einigen gemeinen Höflichkeitsbezeugungen wurde ich bald in ein sehr interessantes Gespräch mit ihm verwickelt, welches ich Euch in der Hoffnung, daß Ihr Vergnügen daran finden werdet, hier, soviel ich mich dessen noch erinnere, herschreiben will.

 

Ich: ›Aber wie in aller Welt kömmt es denn, daß alle diese ungeheuren Mißbräuche gar nicht abgeschafft werden, wenn doch Jeder darüber redet, Jeder dagegen schreyet? Ich dächte, auf diese Art müßte doch die Wahrheit bis zu den Ohren Ihrer Erifs und Großen des Reichs kommen.‹

Der Mann: ›Zuverlässig!‹

Ich: ›Und dann würden Diese doch wohl Anstalten zu Verbesserungen machen.‹

Der Mann: ›Das ist eine andre Frage.‹

Ich: ›Warum? Lassen Sie mich immer zur Ehre der Menschheit glauben, daß es ihnen nur an Einsicht, nicht an gutem Willen fehlt!‹

Der Mann: ›Es fehlt wohl hie und da an beydem. Im Ganzen aber fehlt es auch an Gewalt.‹

Ich: ›Wie das? Ist denn Ihr Erif nicht unumschränkter Herr?

Der Mann: ›Das ist er. Aber er ist es nicht über den Strom der Cultur, der unaufhaltsam seinen Weg geht, den nichts hemmen kann, ist nicht Herr über das große Grundgesetz, nach welchem diese Erde regiert wird, nämlich den beständigen Circel des Irdischen.‹

Ich: ›Also glauben Sie, daß auch diese Verderbnis der heiligsten Dinge, die Verderbnisse der Staatsverfassungen, der Religionssysteme und das Herabsinken der Sittlichkeit mit zu dem Plane der Gottheit in dieser besten Welt gehören?‹

Der Mann: ›Gewiß! denn sie hängen in der Kettenreyhe zusammen. Alles auf dieser Erde kann nur einen gewissen Grad von Vollkommenheit erlangen. Würde es darüber hinaussteigen, so hörte es auf, sich für diesen Planeten zu passen. Wenn es also diesen höchsten irdischen Grad erlangt hat, so fällt es wieder, und die Maschine muß aufs Neue aufgezogen werden. Der Mensch steigt von Einfalt der Sitten durch stufenweise Cultur bis zu dem höchstmöglichen Grade der Verfeinerung hinauf, und mit diesem Samen wächst zu gleicher Zeit der Keim des Verderbnisses mit auf. Die Früchte werden zugleich reif, und wo die höchste Cultur ist, da war noch immer bis itzt (wenigstens bey uns; wie es bey Ihnen in Europa ist, weiß ich nicht) zugleich die ärgste Corruption. So geht es auch im Politischen. Von der Freyheit an, durch Errichtung der Staaten, bis zum äußersten Mißbrauche des Despotismus und endlich im Religiösen vom dümmsten Aberglauben, durch die Aufklärung, bis zur höchsten Freygeisterey – Und dann grenzt gleich wieder das andre äußerste Ende daran. Von der Freygeisterey geht es unmittelbar wieder zum Aberglauben über. Wenn der Mensch sich überzeugt hat, daß es Wahrheiten gibt, welche sein Verstand nie ergründen kann, so wird er muthlos, länger zu forschen, und glaubt nun lieber alles gradehin, was ihn nur einschläfern kann. Der Despotismus zerstört sich selbst, indem er sich entweder entkräftet und die Beute des Nachbars wird oder die Wunde so arg macht, daß endlich der Kranke vor Schmerz aufspringt. Der von Wollüsten entnervte Staat muß wie ein alter Sünder wieder anfangen, sich an leichte Speisen zu halten, wenn entweder der Magen nichts mehr vertragen kann oder der übermäßige Genuß Ekel macht – So geht alles auf dieser Erde seinen Circel fort, und wer etwas Höheres oder Tieferes sehn will, muß es in andern Planeten aufsuchen. Alle Reformationsanstalten, die dahin abzielten, einen andern Plan zu Erziehung des Menschengeschlechts zu entwerfen, waren Hirngespinste, Mißgeburten, in dem Kopfe eines Mannes entstanden, der die Welt nicht wahrhaftig kannte, Mißgeburten, erzeugt aus der Hurerey der gesunden Vernunft mit der Fantasie. Solchen Systemen bin ich seit Kurzem sehr feind geworden. Da sucht sich Einer ein Plätzchen aus und bauet sich ein Häuschen, ein hohes, hohes Häuschen darauf. Er meint, es sey ein fester Boden, weil er und seines Gleichen darauf herumspringen können. Er guckt auch wohl aus dem obersten Dachfenster seines Thurms mit seinen Freunden heraus und lacht herzlich der armen Leute, die da unten sind. Auf einmal kömmt aber ein dicker Mann, klemmt sich durch die kleine Hausthür hinein – Siehe! da bleibt ihm das ganze Haus auf den Schultern hängen, und er rennt damit fort – Oder ein schwerer Lümmel tanzt rechtschaffen auf dem Boden herum, und der ganze Bettel stürzt übereinander.‹

Ich: ›Das wäre ja sehr betrübend! Es wird doch noch in jedem Zeitalter einige bessere Männer geben, die von dem Verderbnisse des Jahrhunderts nicht angesteckt sind?‹

Der Mann: ›Vielleicht! und wenn Diese‹ –

Ich: ›Nun ja! und wenn Diese sich verhindern –

Der Mann: ›So können sie miteinander klagen, sich trösten, helfen, gewisse Wahrheiten fortpflanzen, lehren‹ –

Ich: ›Nicht nur lehren, dächte ich, sondern auch handeln, auf das Ganze wirken, den Strom wenigstens aufhalten.‹

Der Mann: ›Unmöglich! Das ist eine Grille!‹

Ich: ›Ich weiß es wohl, man wird ihnen von allen Seiten entgegenarbeiten. Aber sie müssen sich ins Geheim verbinden.‹

Der Mann: ›Da habe ich Sie, wo ich Sie gern sehn wollte. Also geheime Verbindungen? Das ist ein süßer Traum, den ich auch oft und unter verschiednen Gesichtspuncten geträumt habe. Allein die Erfahrung hat mich gelehrt, und das noch kürzlich, daß man nur viel Zeit damit verliert, die man auf ganz einfache Art, in seinem gewöhnlichen häuslichen und politischen Circel, viel nützlicher hinbringen könnte, indes man eine Menge Leute nach einem gemeiniglich sehr componierten Plane zu einer unbestimmten Thätigkeit in Bewegung setzt und endlich einen kleinen Circel von Menschen, die man in seinem oft falschen Enthusiasmus für die edelsten hält, begünstigt, um gegen alle Übrigen ungerecht zu seyn.‹

Ich: ›Also sind Sie gegen alle geheime Verbindungen?‹

Der Mann: ›Gegen alle nach studierten Plänen handelnde, auf Reformation abzielende geheime Verbindungen. Sie bleiben nicht lange geheime Verbindungen, weil nichts in der Welt geheim bleibt; und dann fällt aller Nutzen weg. Sie bleiben nicht lange unentweyht, weil nichts in der Welt unverändert bleibt; und dann haben wir das alte Lied. Die Staaten, die Religionssysteme, die öffentlichen Anstalten zu Bildung der Jugend, alle diese Dinge waren auch herrliche Anstalten zum Besten der Menschheit; was sind sie aber jetzt?‹

Ich: ›Das kömmt daher, weil man in der Grundlage gefehlt hat. Jetzt sehen wir die Fehler ein und können also in der Stille, mit bessern Menschen, einen festern Plan ausführen.‹

Der Mann: ›Und wie werden Sie einen Plan erfinden, der in jedes Zeitalter, in jede Staatsverfassung hineinpaßt? Was in diesen zehn Jahren das kräftigste Mittel ist, kann vielleicht in den folgenden zehn Jahren Gift seyn, welches Sie selbst, in menschlicher Kurzsichtigkeit, den Nachkommen zubereiten. Es hat doch vor unsrer Zeit auch kluge Männer gegeben, auch sind von denselben zuweilen Bündnisse von der Art errichtet, aber auch jedesmal nach einer kurzen Reyhe von Jahren zerstört, entweyht oder zum Bösen gemißbraucht worden. Glauben Sie mir! gewöhnlich werden solche Anstalten zu Reformationen der Staaten, Religionen und Sitten von Malcontenten gemacht, die bey der jetzigen Einrichtung ihr Conto nicht finden. Privatleidenschaft, gekränkte Eitelkeit oder so etwas wird dann die Triebfeder, und diese Menschen sind, wenn sie Macht erhalten, ebenso intolerant gegen Leute, welche nicht ihrer Meinung sind, wie die Tyrannen, welche sie stürzen wollen. Glauben Sie mir! wer nur auf dem Platze, worauf er steht, mit vernünftiger Rücksicht und Duldung der allen menschlichen Unternehmungen anklebenden Unvollkommenheit die möglichste Summe des Guten thut, soviel er kann, ohne sich um Andre zu bekümmern, außer daß er gute Grundsätze ausbreite, wo er nur darf – Mit Einem Worte! wer so edel handelt, wie er vermag, und die Gelegenheit dazu nicht entwischen läßt, aber auch nicht ängstlich sucht, der thut, ohne geheime Verbindung, vollkommen genug.‹

Ich: ›Aber vereinte Kräfte wirken doch mehr. Wenn nun die zerstreueten Edlern sich einander aufsuchen, sich vereinigen, jüngere Leute in ihr geheimes Bündnis ziehen, Diese bilden, sich einander beystehn, befördern, dem Bösen sich widersetzen und so nach und nach eine neue, glücklichre Generation bilden, die dann allgemeine Aufklärung verbreitet, welche der Grund aller Tugend und Weisheit ist, so, daß auf dem ganzen Erdboden ein auf reife Erfahrung von Jahrhunderten gestütztes Vernunft- und Sittenregiment herrschen würde; wenn‹ –

Der Mann: ›O! schweigen Sie! Das ist ein schöner Jünglingsplan, mit dem ich mich auch berauscht gehabt habe, der aber so viel Widersprüche in sich faßt, wie er Worte enthält. Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich einst mit Leib und Seele an einem ähnlichen Projecte krank gelegen bin, daß ich aber itzt meinen Irrthum einsehe. Lassen Sie Sich nur in der Kürze zeigen, was aus Ihrem Plane in wenig Zeit werden wird und nach aller Erfahrung aus Geschichtskunde werden muß. Sie wollen allgemeine Aufklärung der ganzen Welt? – Welch ein Widerspruch! Bey der ungeheuren Verschiedenheit der Organisation, der Lagen, der Schicksale, der Leidenschaften, da verlangen Sie, daß alle Menschen nach einem einzigen, weisen und redlichen Zwecke streben sollen? Das ist nur da möglich, wo noch keine Staaten je gewesen sind, wie in jenem glücklichen Lande, wovon Sie mir neulich erzählt haben; aber nicht bey uns, wo der Samen der sogenannten Cultur so feste Wurzel geschlagen hat. So viel im Allgemeinen! Nun zu den einzelnen Theilen Ihres Plans! Sie wollen die Edlern aufsuchen und also auf Vermehrung der Zahl der Verbündeten denken? Jede Gesellschaft, die auf Vermehrung ihrer Mitglieder bedacht ist, muß nothwendig ausarten. Wenn Sie auch die feinsten Prüfungen vorschreiben, so wird doch, wo nicht gleich, doch in der Folge, Privatleidenschaft, Nachgiebigkeit, Gefälligkeit, menschliche Kurzsichtigkeit und manche andre Rücksicht mit Einfluß auf die Wahl der Mitglieder haben. Und hat sich ein einziges zweydeutiges Subject eingeschlichen und hinaufgearbeitet, so folgen Mehrere nach, und Ihr ganzer schöner Plan ist zerstört. Sie wollen junge Leute bilden? Verstehen Sie darunter Ihre eignen Kinder, so können Sie das ohne geheime Verbindung bewirken. Denken Sie aber dabey an andrer Leute Kinder, so frage ich Sie: Wer gibt Ihnen Macht, Diese so unter Ihren Augen zu haben, daß sie nicht zehnmal mehr falsche Eindrücke anderwärts bekommen, als sie von Ihnen gute erhalten? Geheime Anstalten zu Bildung der Jugend haben schon an sich etwas Verdächtiges und werden leicht gemißbraucht, bilden nur mittelmäßige Menschen und unterdrücken das wahre Genie. Sie werden Sich nicht für so weise und unbefangen halten, daß es Ihnen nicht begegnen könnte, Ihre Privatmeinungen den jungen Leuten für Weisheit zu verkaufen. Irgendein sich einschleichender listiger Bösewicht voll Verstellung wird noch mehr thun, er wird ebenso bald gefährliche Grundsätze unmerklich bey diesen Alltagsmenschen mit unterlaufen lassen – Und was für Unheil kann ein Solcher dann nicht durch Hilfe einer so geheimen Anstalt stiften? Sie wollen Menschen im Politischen befördern? O! zittern Sie vor den Folgen! Dadurch öffnen Sie dem Geiste der Intrigue und Cabale Thor und Thür. Abgerechnet, daß Sie dabey ohne Befugnis Sich in den Fall setzen, aus Vorliebe zu Ihren Zöglingen gegen viel würdigre Menschen ungerecht zu verfahren, so kann auch dieser Zweck in den Händen böser Männer schreckliche Folgen haben. In den ersten Jahren wird Ihre Gesellschaft sehr viel Gutes thun oder vielmehr: das Gute, das vielleicht jeder Einzelne ohnedies würde gethan haben, wird Ihnen sichtbarer werden, weil Sie es erfahren, und das wird Sie täuschen, zu glauben, Sie hätten Wunder verrichtet. Ich räume auch ein, daß in dieser ersten Zeit, wenn die Gesellschaft noch klein ist, der esprit de corps etwas thue – Nun aber werden in den folgenden Jahren schon unter Ihren Zöglingen einige weniger Gute sich eingeschlichen haben. Wenn diese heranwachsen, wird wohl hie oder da Einer darunter die Direction in irgendeiner Gegend erhalten und also natürlicherweise seines Gleichen bilden – Und nun halten Sie einmal den reißenden Strom auf, wenn Sie können! Sie werden Zeit und Mühe verloren und vielleicht über Ihre weiten Aussichten die nahe vorliegende Gelegenheit, der existierenden Welt wahrhaftig nützlich zu seyn, versäumt haben. Doch, hören Sie ferner! Sie wollen das Böse hindern? Wissen Sie auch immer, was böse ist? Wird nicht hier die Beschränktheit Ihrer Einsichten und die Leidenschaft gegen die gute Sache und gegen den guten Mann Sie blenden und mitreden? – Nicht? – So sind Sie dann mehr wie Mensch. Sie wollen aus der Erfahrung von Jahrhunderten die Regeln abstrahieren, nach welchen Ihre Leute handeln sollen? Es bedarf keines so langen Zeitspiegels. Wenn Erfahrung hätte helfen können, so wären wir schon längst Alle weise. Die Quantität der Erfahrungen thut hier nichts. Sie werden dadurch nicht mehr Gewalt gegen die Leidenschaften bekommen, welche sich nicht wegphilosophieren lassen, sondern mehrentheils alle unsre frommen Pläne vereiteln. Sie wollen Aufklärung befördern? Sehen Sie selbst ganz klar? Haben Sie auch genug abgewogen, welchen Grad von Aufklärung jeder Mensch vertragen kann? Meinen Sie, das alles hätten andre Menschen nicht schon vor Ihnen durchgedacht und Diejenigen wären so gänzlich für Narren zu halten, welche die bloß speculativen Wissenschaften zu der Schale ihrer geheimen Verbindung zu machen und aller Thätigkeit im Weltlichen zu entsagen scheinen? – Armer, gutherziger Mann! Wie weit sind Sie noch zurück! Und endlich, wenn auch alle diese Zwecke zu erlangen wären, so würde doch die Maschine, mit welcher man dies große Werk regierte, so compliciert seyn müssen, daß selbst in dieser Composition der Keim der Vergänglichkeit liegen würde – Können Sie nun, bey allen diesen Schwierigkeiten, dennoch eine Anstalt von der Art fest gründen, so können Sie mehr wie der Schöpfer aller Dinge.‹

Ich: ›Sie machen mich traurig. Also sind Sie so ganz gegen alle Verbindungen von der Art eingenommen?‹

Der Mann: ›Nichts weniger! Aber ich kann nur dreyerley Arten derselben gelten lassen. Die erste ist eine Verbindung von Männern, die in ihrem Schoße gewisse Überlieferungen bewahren, gewisse Wissenschaften treiben und gewisse Pläne ausführen wollen (welche aber keinesweges weder mittel- noch unmittelbar in die Rechte der Staaten greifen), die sich aber auf eine nie zu vermehrende festgesetzte Anzahl eingeschränkt haben. Wenn dann unter Diesen sich einmal ein Mittelmäßiger einschleicht, so kann derselbe wenigstens nicht viel schaden, und wenn er stirbt, wählt man einen Bessern an seine Stelle. Diese Verbindung existiert, lächelt herzlich der übrigen Spielwerke, spielt zuweilen eine Zeitlang mit und bleibt unentheiligt. Die zweyte Art von Verbindung, die ich gutheiße, ist eine solche, die nach einem Plane arbeitet, der einfach und so geordnet ist, daß man ihn jedem Mittheilnehmer vollständig zur Übersicht vorlegen kann, und in welchem sich alle Arten Menschen passen und mehr oder weniger an der Vollkommenheit desselben Theil nehmen können, wo Gute und Schlechte gleichsam durch einen allmächtigen Trieb zu Einem Zwecke hingezogen werden – Und auch eine solche Verbindung existiert hier, wirkt das sichtbar Gute sehr langsam, aber sicher an der Hand der Natur, dreht die Ordnung der Dinge nicht um und wird von jener geheimen Verbindung – nicht regiert, aber geleitet, gestimmt. Die dritte Verbindung, die ich gelten lasse, ist, wenn eine Anzahl guter, in Eintracht lebender Familien sich zu einem neuen Staatskörper absondert und eine Einrichtung macht, die wenigstens so lange Stich hält, wie der Gang der menschlichen Dinge es erlaubt. Aber dann muß sich eine solche Colonie, wenn sie nicht den herrschenden Ton des Zeitalters annehmen will, gänzlich von der übrigen Welt absondern – Und auch dergleichen Colonie gibt es. Ich will Sie sogar mit einer bekanntmachen. Sie wohnt auf einer Insel, wozu nur die Mitglieder des geheimen Bundes, welche die Rathgeber dieses neuen Staats sind, den Zugang wissen. Ich war eben im Begriff, morgen hinzureisen. Wollen Sie mich begleiten? Sie sind der erste Fremde, dem diese Gunst widerfährt. Auch dürfen Sie, nach den Gesetzen, nicht länger wie drey Tage dort bleiben und indes nie von meiner Seite weichen. Sind Sie dazu erböthig?‹

Ich nahm mit Freuden sein Anerbiethen an. Wir reiseten durch mancherley Wege in der Nacht ab, kamen an eine See, fuhren in einem Fahrzeuge von sonderbarer Bauart hinüber, und was ich da in drey Tagen sehn konnte, will ich Euch nun kürzlich erzählen.«

 

So weit war ich wieder mit Lesung der Handschrift des Herrn Brick gekommen, als wir bey Amsterdam die Anker warfen, da ich dann meine Papiere in die Tasche steckte und mit meiner Reisegesellschaft an das Land stieg.


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