Adolph Freiherr Knigge
Geschichte Peter Clausens
Adolph Freiherr Knigge

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Fünfzehntes Capitel

Auf welche Art Peter wieder erlöst wird.

Dies Unglück hatte mich doch nun wahrlich ganz ohne meine Schuld betroffen, auch war es nicht von langer Dauer. Doch, wir haben den ehrlichen Ludwig von Reyerberg so lange aus den Augen verloren, daß ich Ihnen erst Nachricht von demselben geben muß, ehe ich zu der Entwicklung meines Schicksals kommen kann. Als er des Herrn Schröders Brief bekam, hatte der gute Junge einige Schulden; er schrieb also wiederum nach Hamburg, bat um Vorschuß und erlangte die Gewährung seiner Bitte. Da dieser Umstand einen Aufenthalt machte, kam er erst im August an den Ort seiner Bestimmung, und zwar grade auf den Tag nach meiner unglücklichen Begebenheit. Sein erster Weg war in mein Quartier, wo er die Nachricht hörte: ich sey die Nacht nicht nach Hause gekommen. Sonderbar! Man war das an mir nicht gewohnt. Denselben Tag sollte ich in dem Hausvater von Diderot die Rolle des Commandeurs machen, aber ich kam nicht zur Probe. Herr Schröder ließ mich suchen; niemand wußte, wo ich war. Seit der gestrigen Comödie war ich gänzlich vermißt worden, und mein Jugendfreund wurde innigst betrübt und verlegen um mich. Da ich nun vergessen hatte, irgend jemand etwas von der Einladung des Hofraths zu erzählen, würde vielleicht nie wieder sich einige Spur von mir gefunden haben, wenn mir nicht die Vorsehung ein unvermuthetes Rettungsmittel zugeschickt hätte, wie man nachher hören wird.

Sobald mich die Seelenverkäufer in das unterirdische Gefängnis geworfen hatten, banden sie mich los, und Einer von ihnen brachte ein Lämpchen. Nun sah ich erst, daß dieser höllische Aufenthalt ein großes Zimmer, aber durch eisernes Gitterwerk in vier Theile getheilt war, und daß außer meinem Käfige noch zwey andre bewohnt waren. Jedes dieser Behältnisse hatte etwa acht Fuß ins Gevierte. Ein Lager von Stroh und eine kleine Bank, sonst war nichts darin, und den ganzen Tag über drang kein Licht in diesen Abgrund als des Mittags und Abends, wenn man den armen Unglücklichen das Essen brachte. Mit den ärgsten Drohungen, uns umzubringen, wenn wir Lärm machten, wurden wir zum Stillschweigen verdammt und uns angezeigt, daß man uns in drey Tagen zu Schiffe führen würde.

Es ist leicht zu begreifen, daß ich diese Nacht ohne Schlaf in dem erschrecklichsten Gemüthszustande zubrachte, aber ich seufzte nur und jammerte in der Stille. Mein nächster Nachbar hingegen ertrug sein Schicksal nicht so ruhig. Er fluchte und tobte in einem Odem fort, allein ich war zu sehr mit meinem eignen Schmerze beschäftigt, um so genau auf das, was er sprach, Acht zu geben. Zwischendurch machte mich doch ein einzelnes Wort aufmerksam. Er sagte einmal: »O! warum blieb ich nicht lieber im Zuchthause!« Ein andermal rief er: »Nun bist Du gerächt, böser Vater!« und sprach noch manche andre Dinge, die mir sehr bedeutend vorkamen. Ich glaubte an diesen Zügen meinen alten Cameraden zu erkennen. Auch der Ton der Stimme begründete meine Vermuthung; ich rief also: »Haudritz!« »Wer kennt mich hier? Wer nennt meinen Namen?« antwortete der Unglückliche. »So bist Du es dann wirklich. So hat uns dann das Elend hier wieder vereinigt?« fuhr ich fort: »Ach Haudritz! fluche nicht auf das Schicksal! Hier begegnet uns, was wir längst, schon in Braunschweig, verdient hatten. Aber durch welchen Zufall bist Du in die Klauen dieser Ungeheuer gerathen?« »Schweig«, fiel mir hier Haudritz in die Rede, »Feiger! Es ist weder Zeit zu moralisieren, noch Histörchen zu erzählen. Laß uns vielmehr an ein Befreyungsmittel denken! Wenn Du noch der Kerl bist, der Du sonst warst, so laß uns mit vereinten Kräften etwas ersinnen und ausführen! Gut, daß Du hier bist! Mit dem Pinsel dort ist nichts anzufangen. Er antwortet nicht einmal, wenn man mit ihm reden will.« Wirklich war auch dieser unser dritter Unglücksgefährte ganz still, gab keinen Laut von sich. Man hörte ihn nicht einmal seufzen.

Gemeinschaftliches Elend bindet, wie bekannt, die Menschen fester aneinander, und man trägt geduldiger, wenn man nicht allein trägt. Wir fingen nun an, ernstlich an einem Plane zu unsrer Befreyung zu arbeiten, und verschworen uns, aus Verzweiflung uns lieber bis auf den Tod mit Händen und Füßen zu wehren, wenn alles fehlschlagen sollte, als uns aufs neue binden und zu Schiffe bringen zu lassen – Doch ich will die Leser nicht mit unsern Träumereyen ermüden, denn die gütige Vorsehung zernichtete zum Glück diese alle und half mir, da ich es am wenigsten erwarten konnte, so daß ich nur eine einzige Nacht in dieser Höhle zubrachte. Dies ging also zu:

Der dritte Mensch, welcher in unserm Kerker saß, war ein reicher junger Kaufmannssohn aus Bremen. Als er nach Hamburg reiste, gab ihm sein Vater einen alten treuen Diener mit, welcher insgeheim angewiesen wurde, jedem seiner Schritte genau nachzuspüren. Sobald nun der Jüngling in diese Stadt kam, suchte ein Mensch seine Bekanntschaft, der sich für einen Hauptmann in Diensten der ostindischen Compagnie ausgab, französisch sprach und den jungen Teutschen in allerley Gesellschaften zog, wozu der ehrliche Johann den Kopf schüttelte. Der Herr Hauptmann gefiel ihm gar nicht, kam ihm ein wenig verdächtig vor, und er versäumte nicht, sooft die Herrn zusammen ausgingen, von Weitem hinterherzuschleichen. Dieser Officier war nun der eigentliche Anführer der Seelenverkäuferbande. Eines Abends lockte er den fremden Bremer unter irgendeinem Vorwande in dies Haus, und bald nachher sah der alte Bediente, in der Entfernung lauernd, in seinen Mantel gehüllt den Franzosen allein wieder herauskommen. Er merkte sich also das Haus, wartete mit Ungeduld zwey Tage lang auf die Wiederkunft seines jungen Herrn, und als dieser immer nicht erschien, zeigte er bey der Policey die Sache an. Monsieur de Ventaulair (denn, wenn Sie es noch nicht errathen haben, so will ich es Ihnen gleich sagen, Er war es, der nun das mystische Fach aufgegeben und, auf einer Reise durch Holland, sich dort von einem Seelenverkäufer zum Missionair nach Hamburg hatte annehmen lassen, worauf er dann auch hier eine solche Mördergrube anlegte), Monsieur de Ventaulair wurde unerwartet überfallen, in Verhaft genommen, und der gute Johann, den der Himmel segnen wolle, wenn er noch lebt! führte die Policeybedienten vor das abscheuliche Haus. Es wurde gepocht, und als die Thür geöffnet war, augenblicklich Wache davorgestellt. Nun vertheilten sich gleich die Policeyofficianten in alle Theile des Hauses, nachdem vorher die Hausgenossen sämtlich, bis auf den Wirth noch, der mitgehn mußte, in einem Zimmer festgehalten wurden.

Wir hörten unten aus unserm Abgrunde den Lärm, der im Hofe gemacht wurde, als daselbst die Nachsuchung anging. Jetzt, glaubten wir, sey es Zeit zu schreyen. Ungeachtet der Drohung also hielten wir nun nicht länger das auferlegte Stillschweigen, sondern riefen Beyde, Haudritz und ich, so gewaltig laut, daß man es oben hörte, den Stall aufbrach, die Fallthür fand und uns hervorzog. Ich eile kurz zum Schlusse dieser für uns so erwünschten Catastrophe. Die ganze Rotte der Seelenverkäufer wurde eingezogen, verhört und verurtheilt, zeitlebens in den Eisen, doppelt geschlossen, zu arbeiten. Als ich ein paar Jahre nachher meinen ehemaligen Herrn und Lehrer in diesem traurigen Zustande durch die Straßen ziehn sah, konnte ich mich der Thränen nicht enthalten und wendete meine Blicke von ihm weg.

Wie froh, gleichsam zu einem neuen Leben erweckt, wir aus dem Kerker hervorstiegen, das bedarf wohl keiner Beschreibung. Wäre es möglich gewesen, in Haudritzens Herz ein Gefühl für die Tugend wiederzuerwecken, so hätte diese letzte Züchtigung ihn auf ernsthafte Gedanken bringen müssen. Mir wenigstens flößte dieser Wink der Vorsehung aufs Neue den festen Entschluß ein, künftighin wie ein ehrlicher Kerl zu handeln. Sie werden, meine Herrn und Damen! in der Folge sehn, inwiefern ich meinem Vorsatze treu blieb. Aber Haudritz war nun einmal so verwildert, so erbittert gegen das Menschengeschlecht, daß jede Strafe, die ihm Gott zuschickte, ihn doppelt im Laster verhärtete und gegen alle guten Eindrücke taub machte.

Nachdem ich mich bey meinem lieben Herrn Schröder gemeldet und ihm mein Schicksal erzählt hatte, brachten wir, Reyerberg, Haudritz und ich, vertraulich den Abend miteinander hin. Wir hatten Alle so viel aus unsern Geschichten nachzuholen, daß wir bis Mitternacht zusammenblieben, ehe wir mit den Erzählungen unsrer indes gemachten Erfahrungen fertig wurden. Zuerst kam an mich die Reyhe, und dann sollte Haudritz unsre Neugier befriedigen. Er that es in folgenden Worten:

»Ihr wißt, daß mein Vater die Grobheit beging, mich wegen einer kleinen unbedeutenden Ursache gefangennehmen zu lassen. Er ist ein steifer, ernsthafter Mann, der keinen Spaß leiden mag. Ich hatte in Braunschweig in seinem Namen ein Wechselchen geschrieben; das nahm er gewaltig übel auf. Ich dachte eben, das Geld darauf abzuholen, als die Wache kam, die er hatte rufen lassen. Sie brachte mich ins Kühle, ohne mich um Erlaubnis zu fragen, und wenige Tage nachher wies man mir eine freye Wohnung im Zuchthause an. Ihr könnt Euch leicht einbilden, daß die geschlossene Gesellschaft, welche ich dort antraf, gar nicht nach meinem Geschmacke war, und doch fühlte ich mich in der ersten Zeit zu stolz, um gute Worte zu geben. Ich hielt meisterhaft aus, bis endlich die schlechte Kost, der Verdruß und die eingesperrte Luft mich gefährlich krank machten. Ich lag einige Tage ohne Hoffnung, während welcher Zeit der gutwillige Arzt, den man zu mir gerufen hatte, an meinen Vater schrieb. Dieser bekam nun einen Anfall von Zärtlichkeit, setzte sich in den Wagen und kam zu mir gefahren. Er sagte allerley rührendes Zeug, sprach von Verzeyhung und dergleichen und ließ mich in ein anders Haus bringen, wo ich dann bald außer Gefahr kam. Nun nöthigten den alten Mann seine Geschäfte, wieder abzureisen. Da ich nun zu schwach war, um das Bett zu verlassen, mußte ich noch zuletzt eine ungeheure Portion väterlicher Vermahnungen hinunterschlucken, die sich mit den Worten endigten: ›Ich denke, Du sollst nun durch Schaden klug geworden seyn, und in dieser Hoffnung will ich Dich nicht wieder ins Zuchthaus bringen, sondern Dich in vierzehn Tagen abholen lassen. Ich habe Dir in Gedanken eine Lebensart ausgewählt, in welcher Du brav arbeiten sollst. So verfällst Du nicht auf böse Gedanken. Müßiggang ist aller Laster Anfang‹, und wie die Predigt weiterging. Ich war indessen fest entschlossen, diese vierzehn Tage nicht abzuwarten, noch mich in eine neue Sclaverey zu begeben. Kaum war ich daher so weit hergestellt, daß ich wieder herumgehn konnte, so packte ich ganz in der Stille meine Sächelchen zusammen und schlich mich zum Thore hinaus. Ich war noch schwach, ging also langsam fort, täglich etwa vier Stunden. Viel Geld hatte ich freylich nicht; desfalls gab ich mich für einen Mann aus, der als Secretair hätte nach Kopenhagen gehn sollen, aber das Unglück gehabt hätte, bestohlen zu werden. Nachher sey ich von einer schweren Krankheit befallen u. s. f. Ihr wißt ja, wie ich das Ding anzufangen weiß, wenn ich das Mitleid der Leute in Bewegung setzen will. Ein Cammerherr nahm mich zu sich, um seine Correspondenz zu führen. Der hatte nun eine hübsche, schlanke, junge Frau, die aber gewaltig empfindsam und coquet war. Ich glaube eben nicht, daß sie bey der ersten Gelegenheit ihrem Manne untreu geworden seyn würde, auch hatte sie wirklich, wie es schien, nicht viel Temperament, aber aus bloßer Eitelkeit, welche mehrentheils bey den Weibern im Hintergrunde steht, wenn sie einen Roman spielen, vergaffte sie sich in jeden Mann, der ein bißchen mit ihr sympathisierte. Da liebäugelte sie dann gewaltig, sah schmachtend aus, verdrehete auf diese Art manchem Narren den Kopf und machte sich bey Klügern lächerlich. Der arme Mann war hiebey am mehrsten zu bedauern, denn da er wenig Kenntnis vom weiblichen Herzen hatte, wurde ihm warm vor der Stirne, sooft ein artiger junger Herr ins Haus kam. Der gute Herr hätte dazu lächeln sollen, denn grade weil die Frau Gemahlin merkte, daß ihn das beunruhigte, versäumte sie keine Gelegenheit, wie es alle Weiber machen, diese Empfindlichkeit zu reizen, denn auf diese Art hatte sie ihn immer am Stricke. Hätte er sie aber durch angenommene Verachtung oder durch Repressalien gestraft; hätte er gewußt, daß solche Schmelzende selten dauerhafte Leidenschaften erregen, daß überhaupt die Weiber fast nie wahrhaftig lieben, daß sie aber, aus Hang zur Abwechslung, stets so ein Herzensspielwerk haben müssen und daß dies freylich oft weit führen kann, wenn man nicht die Politik beobachtet, sich ganz gleichgültig und kalt zu stellen, unter der Hand aber die Gelegenheit zu einer größern Thorheit abzuschneiden: Hätte er das alles gewußt, so würde er nicht so viel unruhige Stunden gehabt haben. Mich hielt er indessen für einen Menschen ohne Bedeutung, aber er wich dennoch dem Schicksal nicht aus, auch meinetwegen in Unruhe gesetzt zu werden. Die gnädige Frau hatte etwas Lectüre; besonders waren die italienischen süßen Dichter ihr Steckenpferd, oder vielmehr ihre Puppe. Ich mußte ihr vorlesen, und wenn sie dann mit verdreheten Augen meinen Vortrag lobte und nachher bey Tische mit Enthusiasmus von unserm gleichgestimmten Geschmacke redete, umwölkte sich des Herrn Gemahls Gesicht, und das um so mehr, da er gar keinen Geschmack am Lesen fand. Mir war das Ding höchst zuwider (Ihr wißt, daß ich ohnehin keine Weiber leiden kannPeter Claus mag sie wohl leiden, das versichre ich Sie, und billigt diese Lästerungen keineswegs.), und da der Edelmann nur auf eine bequeme Gelegenheit zu warten schien, Meiner mit Ehren loszuwerden, kam ich ihm zuvor und bat um meine Entlassung. Mit einigem Gelde, das er mir schenkte, arbeitete ich mich durch bis wieder hierher nach Hamburg in der Absicht, wo möglich auf einem Schiffe, das nach Ostindien gehn würde, eine kleine Bedienung zu erhalten. Da hat mich nun ein Lumpenkerl in jenes verfluchte Haus gebracht – Das Übrige wißt Ihr.«

»Ich sehe«, fing hier Reyerberg an, »daß Du ein Mensch bist, der nie einen graden, ehrlichen Weg in der Welt gehn wird, und also rathe ich Dir immer, Deinen Plan nach Ostindien nicht fahren zu lassen. Dort findest Du Deines Gleichen.« »Was nennst Du Meines Gleichen?« rief Haudritz – »Daß ich mich darüber mit Dir zanken sollte!« antwortete jener. »Genug! wir wollen Dir schon eine annehmliche Stelle bey einem Schiffscapitain ausmachen.«

Wirklich waren wir auch so glücklich, diesen Welttheil von einer so unnützen Last zu befreyn, und noch in eben der Woche fuhr Haudritz aus Hamburg in die See hinein. Vielleicht sehn wir ihn noch einmal irgendwo wieder.

»Aber nun sage mir, mein lieber Ludwig!« sprach ich, »wo ist denn Deine schöne Schauspielerin, Dein Engel, Dein Abgott? Verschaffe mir doch die Bekanntschaft dieses Gegenstandes Deiner Zärtlichkeit!« »Ach!« erwiderte er, »erinnere mich daran nicht! Die Ungetreue, die Falsche, der zu gefallen ich diesen Stand ergriffen, der ich alles aufgeopfert habe, die Undankbare ist mit einem holländischen Officier davongelaufen. Laß uns nicht mehr hiervon reden! Aber eine alte Bekanntschaft mußt Du erneuern, und die ist unser Herr Brick, den wir einst im goldenen Engel in Braunschweig im grauen Rocke sitzen und trauern sahen. Er wurde, wie Du weißt, Schauspieler, war nachher mit mir in Leipzig, bey der Gesellschaft, die er gleichfalls verlassen hat, um bey dem Herrn Schröder Engagement zu suchen. Aber kaum kam er hier an, als er tödlich krank wurde, und ich zweifle sehr, daß er davonkommen wird.«

Wir gingen des folgenden Tags zu ihm hin. Er hatte ein hitziges Fieber, das ihm gewaltig zusetzte, so daß er oft seiner Sinne nicht mächtig war. Wir wachten des Nachts abwechselnd bey ihm und verpflegten ihn, so gut wir konnten. Es wurde aber täglich schlimmer mit ihm. In der letzten Nacht, als es bald zu Ende gehn wollte, deutete er auf ein versiegeltes Paquet, das auf seinem Tische lag, und sagte mir dann mit schwacher Stimme: In diesem Umschlage befänden sich so höchst wichtige Papiere, daß er mich nicht besser für meine ihm bezeigte Sorgfalt belohnen könnte, als indem er mir diesen Schatz anvertrauete. Ich würde erstaunen, wenn ich es nach seinem Tode eröffnete – Bald darauf starb er –

Es war den 27sten August morgens um 3 Uhr, als ich dem Herrn Brick die Augen zudrückte, das Paquet in die Tasche steckte und zu Reyerberg eilte, um ihm von allem Bericht zu erstatten. Aber was mir da begegnete, ist so außerordentlich, daß ich die Erzählung davon bis auf den zweyten Theil meiner Geschichte versparen muß.

Ich scheue mich fast, den Lesern mit dieser ganz wunderbaren Begebenheit unter die Augen zu treten. Sie möchten das Ding für eine Fabel halten. Sonderbar ist es, daß ich immer das Schicksal hatte, für einen Andern angesehn zu werden, und es klingt sehr unwahrscheinlich, weil es so oft in meinem Lebenslaufe vorkömmt. Aber doch – ich will ein Zeitungsschreiber seyn, wenn ich Ihnen etwas erzähle, was nicht Wahrheit ist –

Gibt es Menschen, die zu ganz außerordentlichen Abentheuern bestimmt sind, oder hat mein Gesicht etwas so Apocalyptisches, daß ein Jeder darin die Physiognomie sieht, die er sucht? Ich weiß es nicht – Kurz! als ich kaum die Hälfte der Gasse hinuntergegangen war, hielt eine Kutsche plötzlich neben mir still – Zwey Herrn stiegen schnell heraus, ein Bedienter sprang hinten herunter – Alle riefen: »Da haben wir ihn endlich!« Darauf packten sie mich an, schoben mich gewaltsam in den Wagen und fuhren mit mir fort.

 
Ende des ersten Theils.


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