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Gichtleiden.

1.

Der Krankheitsbericht einer gnädigen Frau lautete folgendermaßen: »Ich leide schon seit vielen Jahren unsägliche Schmerzen durch Gicht. Oft habe ich schon mehrere Wochen lang im Bette gelegen und habe mir in meinen Schmerzen gewünscht, daß ich sterben könnte. Eine große Anzahl Ärzte haben mit mir viel versucht. Ich verbrauchte schon eine große Summe Geldes, besuchte mehrere Bäder und habe die schärfsten Sachen zum Einnehmen bekommen. Ich habe schon längst alle Hoffnung auf Besserung aufgegeben und hätte keinen Versuch mehr gemacht, wenn nicht ein durch die Wasserkur Geheilter mich dazu beredet hätte und meine Steifheit mir nicht die Aussicht geben würde, daß ich in kurzer Zeit nicht mehr werde gehen können. Wie ich gewissenhaft alle Vorschriften der Ärzte erfüllte, so fürchte ich auch durchaus das kalte Wasser nicht. Wenn selbst eine Kälte von acht bis zehn Grad herrscht, so will ich bereitwillig die kältesten Anwendungen aushalten.«

14 Tage hindurch wurden bei einer Temperatur von acht bis elf Grad folgende Anwendungen gemacht: Jeden Morgen im Wasser gehen oder Knieguß, zwei Stunden später ein Oberguß, jeden Nachmittag ein Halbbad, eine halbe bis eine Minute lang, und jeden Abend ein Schenkelguß. Mitunter wurde auch ein Sitzbad genommen, eine Minute lang. Die Wirkung war, daß diese Frau nach 14 Tagen erklärte: »Mir fehlt gar nichts mehr; ich fühle mich so wohl und glücklich, wie seit vielen Jahren nicht mehr. Hatte ich früher immer Frost, so bin ich jetzt durch und durch warm. Ich habe den besten Appetit und schlafe die ganze Nacht.«

Wie wirkten hier die Anwendungen?

Die Anwendungen an den Füßen leiteten das Blut in diese, verschafften ihnen Naturwärme und Kraft. Die Obergüsse bewirkten Dasselbe im obern Körper. Die Halbbäder verfolgten alle inneren verlegenen Stoffe, schafften sie fort, stählten den ganzen Körper und bewirkten eine allgemeine Naturwärme. Die Sitzbäder wirkten besonders stärkend auf die Nieren und Unterleibs-Organe.

2.

Ein Bauernbursche, 24 Jahre alt, sucht Hülfe und erzählt: »Meine Hände haben große Beulen, die ganz fest sind. Sie thun meistens recht weh, besonders zur Nachtzeit; die Kniee, besonders das rechte, sind stark geschwollen, so daß ich ganz steif bin. Ich kann mich oft gar nicht bücken, besonders stark ist der Schmerz bei Witterungswechsel. Was ich bisher gethan durch Einreiben, Einschmieren und Einnehmen, war ohne Erfolg.« Der Kranke sah auch wirklich recht leidend aus.

Folgende Anwendungen wurden vorgeschrieben: 1) In der Woche zwei warme Bäder 30-32° R. von gesottenem Haberstroh mit drei Wechseln und zwar jedesmal 10 Minuten lang in das warme und eine halbe bis eine Minute in's kalte Wasser, so dreimal, statt dessen manchmal eine Ganzabwaschung; 2) in der Woche zweimal ein Hemd anziehen, ebenfalls in warmes Haberstrohwasser getaucht, 1½ – 2 Stunden lang; 3) die Geschwülste an Händen und Füßen wurden täglich zwei bis vier Stunden lang in angeschwellte Heublumen eingewickelt. Nach zwei Stunden aber mußten die Heublumen erneuert werden. Zum Einnehmen bekam der Kranke täglich eine Tasse Thee von 12 zerstoßenen Wachholderbeeren und etwas Wermuth, zehn Minuten lang gesotten und in kleinen Portionen, während des Tages zu trinken. Nach 16 Tagen zeigte sich der Kranke, die Geschwülste waren bereits niedergegangen, die Steifheit hatte aufgehört, das Aussehen war wie umgewandelt. Dieser Kranke bekam dann weiter folgende Anwendungen: 1) In der Woche einmal ein in Haberstrohwasser getauchtes Hemd anziehen, und 1½, Stunden lang in demselben bleiben; 2) in der Woche einen Unterwickel von den Armen ganz hinunter, 1½ Stunden lang, in Haberstrohwasser getaucht; 3) die Wachholderbeerkur. Nach 14 Tagen erklärte sich der Kranke für ganz gesund und bekam als weiteren Rath, in der Woche zwei Halbbäder zu nehmen, um die ganze Natur zu kräftigen.

Die Wirkung der Anwendungen ist diese: Die warmen Bäder greifen am tiefsten ein zur Auflösung der Giftstoffe; der Wechsel zwischen warm und kalt ist nothwendig, damit die Hitze nicht zu groß und die Natur nicht zu sehr verweichlicht wird, wirkt aber besonders stärkend auf die Natur. Die Hemde wirken langsam auflösend und nebenzu ausleitend. Was die Bäder auf den ganzen Körper wirkten, das erreichten bei der Geschwulst in erhöhtem Maße die angeschwellten Heublumen. Der Thee that das Seinige im Innern zur Auflösung und Reinigung. Die zweiten Anwendungen waren eine gelinde Fortsetzung der ersten.

3.

Von weiter Ferne kommt ein Schmiedmeister, 31 Jahre alt, und erzählt: »Ich bin gänzlich arbeitsunfähig, bin recht arm und kann für meine Familie den Unterhalt nicht verdienen. Meine Schultern sind zeitweilig geschwollen, auch die Kniee; dann habe ich auch Schmerzen am ganzen Leibe, daß ich Nächte hindurch nicht schlafen kann; Appetit selten. So leide ich vier Jahre, und es steigerte sich bis jetzt das Übel so, daß ich nichts mehr thun kann. Ich mußte Bäder besuchen; die Aerzte haben mir viel zum Einnehmen verschrieben, ich habe aber keine Hilfe gefunden.«

Hier ist Gichtleiden und Rheumatismus ganz sicher. Zur Heilung folgende Anwendung: 1) Acht Tage lang täglich zwei Obergüsse und zwei Schenkelgüsse, mit täglich zunehmender Stärke; 2) jeden dritten Tag ein Halbbad, eine halbe Minute lang; 3) täglich eine Tasse Thee von Zinnkraut, Wachholderbeeren und etwas Wermuth. Nach acht Tagen weitere Anwendungen: 1) Jeden Tag ein Halbbad, eine Minute lang; 2) jeden Tag einen Rückenguß und starken Oberguß. Nach 14 Tagen war der Schmiedmeister soweit hergestellt, daß aller Rheumatismus verschwunden, jede Geschwulst beseitigt, guter Schlaf und Appetit eingetreten war und der Mann gesund und Gott dankend zu den Seinigen zurückkehrte.

Die Obergüsse und Schenkelgüsse wirkten erwärmend, kräftigend auf den Körper und verdrängten den Rheumatismus; ebenso lösten diese Güsse die vagirenden Geschwülste. Die Halbbäder wirkten stärkend auf den ganzen Körper, und der eingenommene Thee entfernte im Innern alle ungesunden Stoffe. Um noch mehr Kraft zu erhalten und die Natur vor Rückfall zu schützen, reichten zwei bis drei Halbbäder in der Woche aus.

4.

Eine Frau, 42 Jahre alt, hatte viele Jahre hindurch Gichtleiden und, wie sie erzählte, Unsägliches ausgestanden; aber Alles, was sie gebraucht, habe ihr nicht geholfen. Ganze Nächte, ja Wochen hindurch habe sie nicht eine Stunde ordentlich geschlafen. Geschwülste hatten sich nie gebildet.

Diese Frau bekam 1) Innerhalb drei Wochen jeden Tag Ober- und Knieguß; 2) dreimal in der Woche ein Halbbad und zweimal in der Woche Ganzwaschung. Eingenommen hatte sie täglich eine Tasse Thee in drei Portionen von Johanniskraut und Schafgarbe mit ein wenig Wermuth. Nach drei Wochen hatte sie mehr als guten Appetit, konnte jede Nacht sieben bis acht Stunden schlafen, und alle Schmerzen waren verschwunden.

Hier war die Gicht mehr in den Muskeln als in den Gelenken; deßhalb wurde stärkend auf den ganzen Körper eingewirkt durch die Gießungen. Diese bewirkten größere Wärme und somit auch größere Ausdünstung. Sie wurden noch unterstützt durch die Waschungen, die ebenfalls erwärmend und kräftigend wirkten. Der Thee wirkte auf gute Säfte und ganz besonders auf Regelung des Blutlaufes, woran es auch fehlte.

5.

Eine Wittwe bekam alle vier Wochen ein so schmerzliches Kopfweh, daß sie wahnsinnig zu werden fürchtete und gewöhnlich zwei bis vier Tage im Bette liegen mußte. Sie hatte früher an Gicht gelitten; die Gicht ruhte jetzt im Körper und brach nicht in der früheren Weise aus; um so gebrechlicher und berufsunfähiger hatte sie die ganze Person gemacht.

Hier ist angezeigt, daß eine allgemeine Auflösung der Gicht und alles dessen, was sich damit verbunden hat, eingeleitet und daß der ganze Körper innen und außen gereinigt werde. Denn gerade bei Gicht und den mit ihr verbundenen Anstauungen ist nicht bloß das Blut verdorben, sondern das Blut wird in seinem Gange gestört. Die besten Anwendungen für diesen Fall sind:

1) jeden Tag muß der ganze Körper gewaschen werden mit Wasser und etwas Essig, daß die unterbrochene Ausdünstung sich wieder einstellt;

2) muß der ganze Körper in der Woche dreimal gewickelt werden; das Tuch in Haberstrohwasser getaucht. – So 14 Tage lang; dann kommen die Halbbäder jeden Nachmittag und der Oberguß jeden Morgen. Diese wirken auflösend und ausleitend.

Nach innen wirkt am besten Thee von Schlehblüthen mit Hollunderblüthen, täglich zwei Tassen in kleinen Portionen zu trinken. Nach drei Wochen war die Krankheit geheilt und die Hausfrau wieder gesund.



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