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Gehörleiden.

1.

Sind die Augen wohl der wichtigste Theil am Körper, so haben die Ohren nicht viel weniger Werth. Ist Blindheit Elend, so Taubheit Armseligkeit. Das beweisen am klarsten die Taubstummen, welche wohl die Sprachorgane haben, aber nicht sprechen können, weil sie nicht hören, und deßhalb auch ein Beweis, daß das Sprechen erlernt werden muß. Angeborene Gehörlosigkeit kommt nicht gar oft vor, dagegen aber verlieren gar Viele ihr Gehör durch Krankheit. Wie viele Kinder habe ich kennen gelernt, die durch Scharlachfieber oder durch einen anderen Ausschlag oder Blattern ihr Gehör vollständig verloren haben! Dieser einzige Grund würde Jedem zur Pflicht machen, solche Krankheiten durch's Wasser zu heilen. Denn ich kann nicht glauben, daß, wenn das Wasser vernünftig angewendet wird bei solchen Krankheiten, das Gehör verloren gehen kann. Aber nicht bloß bei Kindern, auch bei Erwachsenen kommt es so häufig vor, daß durch dieselben Krankheiten das Gehör theilweise oder ganz verloren geht. Ich bin der Ueberzeugung, daß Keiner, der durch meine Wasserkur von seiner Krankheit geheilt worden, sein Gehör einbüßt. Wohl aber kamen mir schon Beispiele vor, daß durch starke Sturzbäder in Wasseranstalten Schwerhörigkeit oder gar Verlust des Gehöres eingetreten war.

Das Gehör kann aber geschwächt werden oder verloren gehen durch Fallen, Schlagen etc., was zu den Unglücksfällen gerechnet werden muß. Daß für Schwerhörigkeit, ja sogar bei Gehörlosigkeit am besten mit Wasser eingewirkt werden kann, haben mir viele Beispiele getreu nachgewiesen. Weil gerade das Wasser alle Verhärtungen auflöst, die schwachen Organe kräftigt, die starren elastisch macht, kurz jeden kranken Stoff in jedem Theile des Körpers auflöst, ausleitet und stärkend einwirkt, ebendeßhalb ist eine Heilung möglich und so wird sie auch nicht ausbleiben.

Anna ist 9 Jahre alt, hat vor zwei Jahren Scharlachfieber gehabt, man hielt das Kind für verloren. Es wurde zwar wieder gesund, aber das Gehör war so schwach, daß es nur mühsam einige laute Töne vernehmen konnte. Weil das Wasser unschädlich ist, wenn es recht angewendet wird, so wurde der Versuch mit Wasser gemacht. Nach 14tägiger Anwendung merkte man eine ganz kleine Besserung, und nach sechs ferneren Wochen konnte das Mädchen so ziemlich mit Jedem sprechen, der deutlich redete.

Die Anwendungen waren theils auf den Körper, theils auf das Gehör. Hat das Gehör gelitten durch dieses Fieber, so darf man annehmen, daß auch andere Theile des Körpers mehr oder weniger Schaden gelitten haben, und deßhalb ist es auch nothwendig, auf den ganzen Körper einzuwirken. Solche Krankheiten lassen gern Störungen im Blutlauf zurück, die wieder durch das Wasser am leichtesten gehoben werden. Und daß solche Krankheiten auf längere Zeit, oft auf Jahre, Schwächen zurücklassen, braucht nicht auf's Neue nachgewiesen zu werden. Also ist das Beste, auf den ganzen Körper einzuwirken und denselben auf einen besseren Gesundheitszustand zu bringen. Dieses geschah: Erstens wurde täglich der ganze Körper gewaschen mit Wasser und etwas Essig, höchstens eine Minute lang, ohne zu reiben oder abzutrocknen. Durch diese Anwendung kam der Blutlauf in bessere Ordnung, und die Blutstauungen wurden gehoben. Zweitens bekam das Kind täglich einen Oberguß mit Ohrenguß. Der Oberguß wurde gemacht wie gewöhnlich, nebenbei aber wurden ganz besonders die Stellen hinter den Ohren und überhaupt um die Ohren herum kräftig begossen. Durch das wiederholte Aufgießen wurden alle Verhärtungen aufgelöst, und waren Blutstauungen vorhanden, so wurden diese beseitigt; nebenzu wurden auch diese Theile gestärkt durch die Kälte des Wassers und so vor- und nachher die Ursachen beseitigt, die das Kind hinderten, zu hören.

Weil die Ärzte erklärten, es fehle am Ohre nicht, wurde den einen Tag in das eine, den anderen Tag in das andere Ohr ungefähr drei bis fünf Tropfen süßes Mandelöl eingegossen. Dieses Öl nimmt alle innere Hitze, macht die inneren Theile weich und geschmeidig und hat mit einem Worte eine recht gute Wirkung.

2.

Ein Knabe mit 15 Jahren erzählt: »Ich bin vor zwei Jahren ziemlich hoch vom Dachboden gefallen, und seit dieser Zeit nimmt von Woche zu Woche mein Gehör ab. Ich habe schon sehr viel dafür gebraucht; aber mein Doktor hat jetzt gesagt, ich solle es nur gehen lassen, es helfe nichts.« Hinter dem Ohre war eine kleine Erhöhung, die schließen ließ, es könnte sich hier eine Anstauung gebildet haben. Bemerkt sei noch, daß das Gehör zeitweise besser, dann wieder schlechter war. Weil der Kranke durch einen Fall sein Gehörleiden bekommen, so ist anzunehmen, daß der übrige Theil des Körpers gesund ist und deßhalb keiner Einwirkung bedarf. Doch die Sache verhält sich anders. Die Einwirkung auf den ganzen Körper übt auch eine Wirkung auf den leidenden Theil aus; wie leicht kann eine Blutstauung sich gebildet haben, die, wenn sie auch hinter dem Ohre ist, am leichtesten gehoben wird durch eine allgemeine Einwirkung auf den Blutlauf. Und geradeso ist es mit der Ausdünstung des ganzen Körpers und des einzelnen leidenden Theiles. Mithin sind auch hier Anwendungen auf den ganzen Körper wirksam fürs Gehör: Erstens in der Woche zweimal eine kalte Ganzwaschung; zweitens einmal ein Halbbad. Diese Anwendungen stärken den ganzen Körper und bringen auch eine allgemeine größere Thätigkeit. Auf das Gehör wird täglich zweimal eingewirkt: einmal durch Wickel um den Hals und zugleich um die Stellen hinter dem Ohre, zwei Stunden lang, nach der ersten Stunde aber den Wickel frisch eintauchen; das Eintauchen ist nothwendig, damit sich nicht zu viel Hitze entwickelt und am Ende das Blut noch mehr hinleitet. Außer der Auflösung durch den Wickel ist noch eine Kraft nothwendig zum zertheilen, die angehäuften Stoffe zu zerstören, daß sie ausgeleitet werden können, wozu hauptsächlich die schwächeren oder stärkeren Gießungen taugen, die jeden Tag ein-, auch zweimal vorgenommen wurden. In das Ohr selbst wurde ein Absud von Hollunderblättern gegossen, welcher kühlt und auflöst, und so wurde nach fünf Wochen das Gehör so ziemlich wieder hergestellt.

3.

Ein Mann, 40 Jahre alt, klagt, daß seit drei Monaten sein Gehör von Woche zu Woche abnehme, und wenn es noch ein Viertel-Jahr so fortgehe, werde er gar nichts mehr hören. Er habe sich im Winter bei großer Kälte dieses Übel zugezogen. Er habe nach dieser Erkältung ein heftiges Fieber bekommen und starkes Kopfweh; er wäre jetzt aber von Allem geheilt mit Ausnahme seines Gehöres. Bei der Abnahme des Gehöres sei auch noch besonders lästig ein fortwährendes Ohrensausen.

Rührt die Abnahme des Gehöres von Erkältung her, so sind sicher die Folgen der Erkältung nicht nur im Gehör, sondern auch im Kopf, vielleicht noch weiter ausgedehnt, wenn auch die Folgen nicht gefühlt werden. Mithin soll die Einwirkung auf den Körper, Kopf und Gehör gehen. Somit mußte der Leidende Folgendes thun:

Erstens täglich einmal bis über die Waden im Wasser gehen; Dieses wirkt kräftigend, abhärtend und auflösend. Gerade dieses Gehen im Wasser wirkt häufig sehr günstig auf das Gehör. Zweitens täglich zweimal kräftigen Oberguß, und nebenzu eine Gießkanne voll Wasser auf die Umgebung des Ohres zu gießen. Drittens täglich einmal süßes Mandelöl in beide Ohren thun; dieses wirkt kühlend, auflösend und stärkend. Die Begießungen mit Wasser wirken auflösend auf alle Anstauungen und Verhärtungen. Nach 14 Tagen war das Gehör bereits wieder hergestellt. Weiterhin war nichts mehr nothwendig, als jeden dritten oder vierten Tag ein kräftiger Oberguß mit Ohrenguß und wöchentlich zweimal ein Halbbad, welches die ganze Natur kräftig und gesund erhielt.

4.

Ein Dienstmädchen hörte so schlecht, daß nur selten eine kräftige Stimme für sie vernehmbar war. Dieses Ohrenleiden hatte sie seit fünf Jahren, und es hatte sich seither immer gesteigert. Das Mädchen wurde viel magnetisirt, elektrisirt und hatte alle möglichen Mittel gebraucht, doch vergebens. Es war ihr auch die Versicherung von Ärzten gegeben worden, es helfe gar nichts mehr.

Ich wollte dem armen Dienstmädchen, das sonst ein ganz frisches, gesundes und kräftiges Aussehen hatte, doch zu Hilfe kommen,

Ich urtheilte, daß das kräftige Mädchen Blutanstauungen im Kopf und auch im Körper haben werde, und diese Stauungen auch die Ursache der Gehörlosigkeit seien. Das Wasser wurde in folgender Weise angewendet: Täglich zwei-, auch dreimal Oberguß, besonders stark um die Ohren herum; täglich eine Anwendung auf den ganzen Körper abwechselnd mit Halbbad, Rückenguß oder Schenkelguß. 14 Tage lang merkte man keine Spur von Besserung. Dem Dienstmädchen blieb ihr frisches Aussehen, ihre Kraft; nur schien sie magerer zu werden. In der dritten Woche wurde der Oberguß verstärkt, täglich drei- bis viermal vorgenommen, zudem täglich vier Tropfen in die Ohren. In dieser Woche verbesserte sich das Gehör, und nach drei ferneren Wochen hatte das Mädchen ihr Gehör wieder erlangt und ging mit Freuden in ihren Dienst. Dieser Erfolg ist mir ein Beweis, daß die Gehörlosigkeit nur eine scheinbare war, und ich kann nicht zweifeln, daß in den meisten derartigen Fällen das Gehör wieder zu erlangen sei; aber es gehört Muth und Ausdauer dazu.

5.

Eine Hausfrau, 50 Jahre alt, klagt, daß sie seit einem halben Jahre eine starke Abnahme ihres Gehöres merke. Sie könne nur mit wenigen Leuten noch reden. Seit das Gehör abnehme, habe sie immer einen recht eingenommenen Kopf, häufig auch Schwindel. Manchmal, wenn das Kopfweh besser sei, habe sie recht starkes Drücken auf der Brust. Das Aussehen war frisch, die Gesichtsfarbe ziemlich roth.

Hier ist sicher starker Blutandrang in den Kopf, und die Aufgedunsenheit des ganzen Kopfes brachte mich auf den Gedanken, daß Anstauungen vorhanden seien. Dieser Hausfrau wurde Anleitung gegeben, sie solle jede Woche zwei Kopfdämpfe nehmen, jeden 20 Minuten lang, jeden Tag einmal, öfters auch zweimal einen kräftigen Oberguß mit Ohrenguß, jeden zweiten Tag ein Halbbad oder statt dessen in der Nacht eine Ganzwaschung vom Bett aus; ferner täglich eine Tasse Thee von Johanniskraut, Schafgarbe und Zinnkraut. Diese Anwendungen bewirkten, daß nach drei Wochen das Gehör nahezu hergestellt war, und noch eine zeitweilige, halb so oft erfolgende Fortsetzung dieser Anwendung stellte das Gehör vollkommen wieder her. Sie fühlte sich aber nicht weniger glücklich über den Gesundheitszustand des ganzen Körpers, der, wie sie behauptete, um Vieles sich gebessert habe.

6.

Ein Dienstknecht kam in starke Zugluft, zog sich einen heftigen Rheumatismus zu, und verlor dadurch das Gehör fast ganz. Hier heißt es: Entferne die Folgen der Zugluft und dann ist auch das Gehör wie die übrigen Theile des Körpers wieder in Ordnung. Zweimal in der Woche einen Kopfdampf, Nachts eine Ganzwaschung, und in 12 Tagen war Alles beseitigt. Als der Rheumatismus verschwunden, war auch das Gehör wieder hergestellt.



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