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Erster Theil.
Von den Vorbedingungen der Gesundheit und den Mitteln zu ihrer Erhaltung.

Erstes Kapitel.
Einfluß des Lichtes auf die Gesundheit des Geistes und des Körpers.

Was ist doch für ein großer Unterschied zwischen Tag und Nacht! Vergleiche man eine schöne Mittagsstunde, wann die Sonne recht hell scheint und keine Wolken am Firmamente sind, mit einer Mitternachtsstunde, wann es bei der größten Finsterniß ganz unheimlich ist und alle Gegenstände entweder gar nicht oder nur unklar geschaut werden können. Es ist, wie wenn man einen recht großen Saal mit schönen Bildern und Kunstgegenständen betrachtet und im Gegensatz hierzu einen recht dunkeln, schaurigen Kerker, wo ringsum nur Finsterniß und Unheimlichkeit herrscht. Wie der Anblick eines solchen Saales das ganze Gemüth hebt und erfreut, so kann ein derartiger Kerker nur Furcht und Wehmuth einflößen. Wer möchte einen solch' düstern Ort sich zu seiner Wohnstätte auswählen? Jedermann würde glauben, er müßte dort verkümmern; es würde gewiß Jeder einen großen, hellen Saal mit vielen schönen Kunstwerken vorziehen. – Einem solchen prächtigen Saale gleicht nun die Schöpfung, wenn sie vom Lichte der Sonne beleuchtet ist. Sie erscheint dann in ihrer ganzen Größe und Schönheit. Hat aber die Erde eine solche Stellung, daß kein Strahl der Sonne die uns umgebende Natur beleuchtet, so ist sie einem unheimlichen Kerker gleich. Würde aber einmal die Sonne einige Wochen gar nicht mehr auf- und niedergehen, welche Folgen müßte dieses für die ganze Schöpfung haben! Wie erst würde es dem vorzüglichsten Geschöpfe auf Erden, dem Menschen, ergehen? Wie würde es mit der Gesundheit und selbst mit dem Leben desselben aussehen?

Betrachte man nur eine Pflanze, die an einem dunklen Orte oder im Keller gewachsen ist, wo nur spärliches Licht hindringen konnte! Sie sieht ganz verkümmert aus, blaß ist die Farbe, ungenießbar sind die Früchte, und wie leicht verwelkt sie! Man kann allgemein sagen: was am Sonnenlicht aufwächst, entwickelt sich gesund, kräftig und vollständig; was in der Dunkelheit wächst, ist und bleibt verkümmert. Ist es nicht auffallend, daß ein großer Theil der Pflanzen, besonders die Blumen, sich stets dem Sonnenlichte zuwenden? Die Sonnenblumen erwarten am Morgen die Sonne im Osten und bleiben ihr zugewandt, bis sie Abends im Westen untergeht. Wie viele Blumen schließen am Abend ihren Kelch, wie der Krämer seinen Laden! Wenn aber am Morgen die Sonne kommt, dann öffnen sie sich wieder. Wie bei den Pflanzen, ähnlich ist es auch bei den Thieren. Schwindet das Tageslicht, dann verlangen sie nach Ruhe; kommt das Morgenlicht, so ist Alles neu gekräftigt und neu gestärkt. Fast kein Vogel singt am Abend; was singen kann, beginnt am Morgen seinen Gesang.

Wenn nun das Licht eine solche Macht auf die andern erschaffenen Wesen ausübt, warum sollte dasselbe nicht auch besondere Einwirkung auf den menschlichen Körper und Geist haben? Welch' düstere Stimmung bringt ein trüber Tag bei einem kranken Menschen hervor! Auch der Gesunde fühlt sich nicht so behaglich, und wie wohlthuend wirkt es, wenn nach einigen Regentagen wieder das freundliche Sonnenlicht in das Krankenzimmer, in die Werkstätten, in die ganze Schöpfung leuchtet! Jeder Mensch fühlt die Wirkung des Lichtes wie beim Aufgange, so beim Untergange der Sonne; doppelt aber fühlt sie der Kranke. Man kann die Vortheile des Lichtes und die Nachtheile des Mangels an Licht an den Menschen leicht beobachten. Wie selten findet man einen Weber, einen Fabrikarbeiter, einen Bergmann oder sonst einen, der durch seinen Beruf das Tageslicht entbehren muß, mit einem ganz gesunden, frischen Aussehen! Tragen sie nicht alle gleichsam einen Todtenflor über ihr Angesicht? Unsere Züchtlinge haben eine nahrhafte Kost und meistens mehr als die nothwendige Pflege, aber alle entbehren Lebensfrische und volle Gesundheit. Es läßt sich mit Recht behaupten, daß Helle und Sonnenlicht sehr dazu beitragen, eine gute Stimmung im Menschen hervorzubringen, somit auf Geist und Körper wesentlich einwirken.

Man könnte vielleicht sagen: wenn man die Sonne entbehrt, hat man doch einen Ersatz durch das künstliche Licht. Man hat es hierin allerdings zu außerordentlichen Erfindungen gebracht. Als Knabe habe ich noch in einigen Haushaltungen gesehen, wie man am späten Abend am Ofen Holzsplitter anzündete und bei diesem armseligen Lichte spann. Auch habe ich noch gesehen, wie auf einen Leuchter ein gut getrockneter Holzspahn gesteckt war, der, an der obersten Spitze angezündet, langsam weiter brannte, bis er aufgezehrt war. Mit diesem elenden Lichte begnügten sich jene Leute und spannen bis Abends 9 Uhr. Das Leinöl und die Unschlittkerze wurden dann allgemein als Material zur Beleuchtung wie in den Familienwohnungen, so in den Werkstätten verwendet. Mit der Zeit hat man viele, ganz verschiedene Brenn- und Beleuchtungsmaterialien aufgefunden und erfunden. Man hat dadurch das Leinöllicht und die Unschlittkerze verdrängt, weil die neuen Materialien ein viel helleres Licht gaben; ob man aber dabei nicht der menschlichen Natur und im besondern dem Augenlichte sehr geschadet hat, theils durch die Helle und Schärfe des Lichtes, besonders aber durch die verdorbene Luft, die man z. B. bei Gasbeleuchtung einathmen muß, – das ist eine andere Frage, die man wohl wird bejahen müssen.

Zünde man in einem Zimmer, wo um den Tisch 5-6 Personen sitzen, eine Leinöllampe oder eine Unschlittkerze an, wie es einst geschah, und mögen dann alle versuchen, längere Zeit zu lesen: wie bald wird man die Klage hören, es sei nicht hell genug, – ein klarer Beweis, daß das Augenlicht heut zu Tage viel geschwächter ist als einst, und daß die künstlichen Lichter nicht ohne Nachtheil für das Auge und den Körper geblieben sind. Den klarsten Beweis hiefür geben die vielen Leute, die jetzt Augengläser tragen. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich als Knabe je einen jungen Menschen mit Augengläsern gesehen habe. Man glaubte damals allgemein, diese seien nur für alte Leute und für einzelne Studierende. Jetzt aber kann man in den Städten und selbst da und dort auf dem Lande junge Leute treffen, die schon mit 8-12 Jahren Augengläser benützen müssen und weder die Helle noch das Sonnenlicht ertragen können. Bald wird es so weit kommen, daß schon kleine Kinder in der Wiege Brillen tragen. Ich bin der vollsten Überzeugung: wenn die Natur des Menschen durch Helle und Sonnenlicht abgehärtet ist, dann wird jedermann sein gutes Augenlicht haben; ist dies nicht der Fall, dann ist der Körper verkümmert und mit ihm auch das Auge. Es soll also das Möglichste gethan werden, daß man der Helle und des Sonnenlichtes nicht entbehre, und Auge und Körper wird dann in einem viel besseren Zustande sein. Wenn man aber, besonders in den Städten, in Wohnstuben und Werkstätten kommt, wohin weder die volle Tageshelle noch auch das Sonnenlicht dringen kann, wie werden letztere genügend wirken können, um gesund und kräftig zu machen! Betrachten wir die Leute, Kinder wie Erwachsene, die an der vollen Tageshelle und im Sonnenschein aufwachsen und arbeiten: welch' gesunde Augen haben diese Leute im Vergleich mit vielen Bewohnern der Großstädte oder denen, die in dunklen Werkstätten arbeiten! Dadurch finden wir das Gesagte hinreichend bestätigt. Der Mensch kann sich nun allerdings an Vieles gewöhnen, besonders wenn es die Mode vorschreibt. Man kann in Zimmer kommen, in welchen alle Fenster mit dunklen, dichten Vorhängen versehen sind, so daß im ganzen Zimmer gleichsam eine Abenddämmerung herrscht, oder es gar so dunkel ist, wie in einem finsteren Kerker. Man warnt doch noch im Allgemeinen davor, in der Abenddämmerung zu lesen, um die Augen nicht zu schwächen; werden solche Leute, welche die meiste Zeit in dieser selbst hergestellten Abenddämmerung arbeiten, nicht ihr Augenlicht schwächen und sogar den Körper verkümmern? Ich empfehle den Hauptgrundsatz sehr zu beachten: wer in der vollsten Tageshelle und in dem schönsten Sonnenscheine lebt und sich bewegt, wird das gesundeste Auge bewahren und den gesundesten Körper, soweit das Licht darauf einwirken kann.



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