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Pompeja.

»Lieber Leon, wie ich sehe, sind Sie nicht in der Absicht auf den Ball gekommen, zu tanzen, sondern Sie ziehen es vor, zu sehen, zu beobachten. Das geschieht aber weit besser in Gesellschaft zu Zweien, denn allein. Hier von dem Plätzchen hinter dem Jasmingebüsche aus übersehen wir am bequemsten alle Welt, ohne Jemandem in den Weg zu laufen, der unsere Conversation mit der liebenswürdigen Frage stört: wie wir uns befinden? – Ein wunderherrlicher Saal. Das ganze fürstlich Etelvary'sche Palais gleicht meinem Schlosse zu Nornenstein »im Kleinen.« Nur ein unerläßlicher integrirender Bestandtheil eines Herrenhauses fehlt: der prachtvolle Park ringsumher. Die superben vierhundertjährigen Linden, die sind so recht eigentlich das adelige Wappen eines Schlosses. Dergleichen läßt sich nun freilich nicht hervorzaubern. Ein Gebäude kann man für Geld aufführen, aber die herrlichen, breitästigen, schattenspendenden Bäume sind ein Vermächtniß der Ahnen, ein Erbe der Nachkommen, das in Ehren gehalten sein will von Geschlecht zu Geschlecht. Der Mangel schöner alter Bäume in Eurer Hauptstadt wird noch lange den neugebackenen Adel derselben verrathen. Es ist eben nichts weiter als ein europäisches Chicago; die Reihen von Palästen allein thun es nicht. Und noch etwas Anderes, was auf den ersten Blick an die neu entstehenden amerikanischen Städte gemahnt, ist der Mangel an großartigen Kirchenbauten. Jede Weltstadt hat mindestens eine Kathedrale, welche weithin sichtbar aus dem Nebel hervorragt, in welchem das Gewirr der übrigen Häusermassen zusammenfließt. Ein solcher Bau verleiht der Stadt erst ihren eigentlichen Charakter. Sie könnten diesem Mangel leicht abhelfen; es wundert mich, daß Sie noch nicht selber darauf verfallen sind. Der Fürst Primas von Oesterreich residirt in Wien; jener von Frankreich in Paris, der Ihrige in Gran. Wie leicht wäre es nicht zu machen, daß er seinen Sitz nach Budapest verlegte, und mit seinem Reichthum und dem Glanz seiner Hofhaltung zur Hebung der Hauptstadt beitrage. Dann würde Budapest bald auch seine Basilika haben. Freilich dürfte man die Sache nicht dabei anfassen, daß man die Elemente, welche da von Einfluß sind, in den Blättern und von der Tribüne herab ohne Unterlaß insultirt. Ich meine damit nicht Sie; Sie sind eine Ausnahme von Vielen. So viel ist gewiß, daß eine Richtung die andere ausschließt: Fabriks-Schornsteine und Basiliken können sich in nächster Nachbarschaft zu einander gleichzeitig nicht erheben. Prags alter Adelsglanz findet seine Ergänzung nur in der räucherigen Höhle der berühmten Synagoge und in den Sackgassen der Judenstadt. Ich will damit nicht etwa sagen, daß der Adel der Neuzeit das Geschäft verachten soll. Im Gegentheil: man muß das Geschäft selbst adelig machen. Vor Zeiten waren wir die Fürsten des Grundbesitzes, – in Zukunft könnten wir die Fürsten des Geldbesitzes sein. Wozu sollen wir den Rang der Geld-Barone, der Geld-Könige Anderen überlassen, wenn wir ihn selber zu behaupten vermögen? Es ist Ihnen sicherlich zur Genüge bekannt, daß jene katholische Verbindung, welche Europas Schicksale lenkt und in alle Ewigkeit lenken wird, beiweitem nicht all ihren Reichthum aus dem Säckel der Peterspfennige zieht. Diese Körperschaft verfügt über ein Kapital von mindestens dritthalb Milliarden Francs, das ist volle tausend Millionen Gulden; sie giebt Ton und Richtung an auf den Geldmärkten von Brüssel und Paris. Ein großer Theil dieser Kapitalien liegt unter den gegenwärtigen unsicheren Verhältnissen disponibel. Es braucht nichts weiter, als daß die öffentliche Meinung in Ihrem Vaterlande in eine günstige Richtung einlenke, – und sofort strömen demselben diese wohlfeilen Geldmassen gleichsam von selber zu und es entstehen Ihnen wie durch einen Zauberschlag alle jene Mittel und Institutionen, welche die Lebensbedingungen des Prosperirens der Nation sind: Sie haben Ihre Zettelbank, Ihren Welthandel, Ihren Credit, Ihre Fabriks-Industrie. Das sind keine dogmatischen Subtilitäten, mein junger Freund, sondern zeitgemäße Wahrheiten, – das ist Boden und Brod.

Bei einer solchen Bewegung winkt einem Talente, wie Sie es sind, rascher und bedeutender Aufschwung. Ein einziger, der Sache geleisteter, ersprießlicher Dienst – und Sie wachen des anderen Morgens als halber Millionär auf. – Ich scherze durchaus nicht. Sie kennen doch wohl das orientalische Märchen, dessen Held in einem verzauberten Schlosse wohnt, wo ihm allnächtlich zwölf Dschins erscheinen: sie geben ihm eine eiserne Ruthe in die Hand und tanzen dann ohne Unterlaß um ihn herum und lassen ihn nicht schlafen; zum Schluß wirft ihm jeder der Dschins einen Kupferpfennig in den Schooß und die ganze Spukkompagnie verschwindet. So fristet der Aermste elend sein Leben von dem täglichen Almosen von zwölf Kupferpfennigen. Einmal nun schläft statt seiner sein Bruder in dem verzauberten Gemache; der schlägt mit der eisernen Ruthe, die er empfangen, nach den Dschins und siehe da, auf den Schlag verwandeln sich dieselben plötzlich zu goldenen Bildsäulen. So soll es auch Ihnen werden. Ihren Chef, der sich damit begnügt, Kupferpfennige zu sammeln, versetzen wir demnächst in den wohlverdienten Ruhestand, Sie treten an seine Stelle als Leiter des Blattes und damit haben Sie dann die Zauberruthe in der Hand, auf deren Schlag sich die Schemen in gediegenes Gold verwandeln. – Doch da vergessen wir über dem Geschwätze ganz und gar, die Gesellschaft ins Auge zu fassen, die vor uns auf- und niederwogt. Was den weiblichen Theil derselben anbelangt, so sinke ich vor demselben in unbedingter Hochachtung in den Staub. Ich könnte mich, wenn ich eine Autorität nöthig hätte, auf Czar Alexander I. berufen, der bei einer Tanzunterhaltung von den ungarischen Damen sagte: ›Das ist eine Gesellschaft von lauter Königinnen!‹ Welch eine Collektion von Schönheiten! Und wie verschiedenartige Schönheiten! Der Schnitt der Gesichter, der Teint, die Augen, das Haar, die Plastik der Gestalten, – es ist, als ob die Schönheiten aller Völker der Welt sich zu einem internationalen Kongresse zusammengefunden hätten. Unter Allen aber, geben wir der Wahrheit die Ehre, ist die Schönheit der Prinzessin Raphaela die bezauberndste. Paris geriethe da höchst wahrscheinlich in Konflikt mit der Mythologie. Er würde den goldenen Apfel der Juno reichen. So mochte Juno in der Blüthe ihrer Mädchenjahre ausgesehen haben! Der Mann fühlt sich neben ihr in Nichts vergehen. Eine Göttin! Kein Fürst, nur ein Gott ist ihrer als Ehegemahl würdig. Nur die unendliche Güte und Sanftmuth, welche von ihrem Antlitze strahlt, macht ihr Erscheinen unter Menschen für Sterbliche erträglich. – Welch eine Schönheit verschiedener Art ist dagegen jene Andere. Sie ist unseres Stammes, eine deutsche Schönheit: Pompeja von Falbenheim, die Tochter des Generals. Dieses Haar ist nicht gepudert, sondern von Natur so weiß wie Flachs, wie oxydirtes Gold. Sie läßt es in krausen Wellen lang niederfließen, um zu zeigen, daß die Farbe nicht erkünstelt ist. Welche Lebhaftigkeit in dem Gesichtsausdrucke! Anmuth, Humor, neckische Laune in rascher Aufeinanderfolge, zuweilen in bezauberndem Gemische; Geist in innigem Vereine mit Schönheit. Wollen Sie ihr vorgestellt werden? Soeben ist die Quadrille zu Ende und sie hat sich auf ihren Sitz begeben.«

»Wenn ich bitten darf, Hoheit.«

»Nehmen Sie aber Ihr Herz wohl in Acht.«

»Der Schaden ist nicht der Rede werth, wenn es verloren geht.« Fürst Nornenstein führte Leon Arm in Arm mitten durch die hohe Gesellschaft zu Pompeja von Falbenheims Sitz, stellte ihn vor und warf ihm dann die Schwimmleine nach in die Fluth; mag er sich nun ans sichere Ufer helfen, so gut er kann.

»Ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen,« sprach Pompeja zu Leon. »Nornenstein hatte mir versprochen, mir durch Ihre Vorstellung dazu Gelegenheit zu bieten. Ich habe Sie erwartet.«

Leon fand, daß Pompeja's schwarzes Auge eben so sanft und mild funkelte, als das blaue. – Ein gefährlicher assaut für den ersten Empfang. »Baronin, wollen Sie gütigst berücksichtigen, daß ich dem schwachen Geschlecht angehöre.«

»Und deshalb nachsichtig mit Ihnen verfahren, nicht wahr? Thut mir leid, aber das wird nicht angehen. Zum Beweise, wie zuversichtlich ich auf Sie gezählt habe, wollen Sie meine Tanzordnung ansehen. Der Cotillon ist unbesetzt. Erlauben Sie, daß ich Ihren Namen hinschreibe?«

»Er kann niemals auf ein glänzenderes Blatt zu stehen kommen.«

»Ich habe auch wohlbedacht, ob ich damit nichts riskire? Sie hätten ja auch bereits mit jemand Anderem für den Cotillon engagirt sein können. Doch ich habe mir berechnet, daß es nicht der Fall ist. Ich beobachtete, welchen Damen Sie sich vorstellen ließen. Ich sah Sie mit Prinzessin Raphaela und mit deren unzertrennlicher Freundin Fräulein Livia einige Worte wechseln; sonst mit Niemandem. Nun wußte ich vom Prinzen Alienor, daß er sich mit der Prinzessin für den Cotillon engagirt habe – somit konnte ich auf Sie mit Sicherheit zählen.«

Leon machte die Bemerkung, daß Pompeja's blaues Auge ebenso schelmisch, so verführerisch blicke, als das schwarze. Die Klänge einer Polka unterbrachen die Konversation. Baronin Pompeja ward von ihrem Tänzer entführt, Napoleon verlor sich in dem Gewirre der Gesellschaft. Wem eine Dame den Cotillon offen hält, der hat guten Grund, sich auf diese Auszeichnung Manches zugute zu thun. Während des zweistündigen Tanzes findet sich weit mehr Zeit und Gelegenheit zu unbelauschter Konversation, als zum Walzen. Man kehrt aus dem gemüthlichen Wirrwarr immer wieder zu einander zurück, und die zweistündige Angewöhnung, sich als zusammengehörig zu betrachten, ist bereits ein Stück Zusammenleben. Ueberdies beginnt der Cotillon erst nach der Ruhestunde: unter der Einwirkung eines anregenden Soupers sind die Gemüther unternehmender gestimmt; das Brustbouquet ist um diese Stunde bereits im Welken begriffen, die Locken sind wirr und lose, Spitzen und Volants zerknüllt; man ist bereits geneigt, es mit Allem so leicht zu nehmen: Blumenstrauß, Locken, Spitzen und – Herz: fahret hin, wenn ihr nun doch schon einmal im Zuge seid!

Fürst Oktavian Nornenstein kam wüthend vom Herrenbuffet her. Er dachte laut, so daß es Jedermann hören konnte: »Verdammtes flamländisches Blut! Nicht umsonst war sein Ahnherr von mütterlicher Seite ein behäbiger Mynheer, bei schalem Apfelwein groß gezogen! Werfen den Jungen lumpige drei Gläser Champagner um, total um! Ich habe zu meiner Zeit den Wein vom Zapfen weg trinken gelernt, nicht aus solchen Winden-Blumenkelchen. Doch das Wappen von Nornenstein sollst Du mir gleichwohl nun und nimmermehr zum Gelächter machen!«

Er suchte Prinzessin Raphaela auf und trug ihr folgendermaßen das Unglück vor, das da geschehen war: »Prinzessin, mein Alienor hatte das Malheur, auf einer Orangenschale auszugleiten und sich den Fuß zu verrenken. Doch das hat weiter nichts auf sich, es soll Alles wieder ins Geleise kommen. Ich erlaube mir, mich selber anstatt meines Sohnes zum Tänzer anzubieten und verspreche, daß ich den Tausch mit Ehren bestehen will.«

Die Prinzessin lächelte anmuthig und bot dem Fürsten die Hand. Der Standesherr Oktavian von Nornenstein stellte sich an die Spitze der Kolonne und alsbald war die ganze Gesellschaft einhellig der Ansicht, daß wohl selten ein geistreicherer, gewandterer Cotillonführer auf einem Parket thätig gewesen sein dürfte, als man ihn an diesem Abende dem Zufalle zu danken hatte. Fürst Oktavian war ein stattlicher, agiler Mann, ein leichter und gewandter Tänzer; seine Tänzerinnen schritten nicht, sie flogen mit ihm dahin. Der Umstand, daß die alte Garde in die Schranken getreten war und – das mußte man ohne weiteres gestehen – die Jungen alle beschämte, verlieh der ganzen Unterhaltung ein völlig neues Interesse, eine ganz ungewöhnliche Verve. Nornensteins Stimme und Gestalt dominirte den ganzen Saal.

Ein junger Mann fand mittlerweile Muße, mit seiner Tänzerin, auf ihre Stuhllehne gebeugt, ungezwungen zu plaudern.

»Ich lese Alles, was Sie schreiben. Und es ist mir dabei immer, als ob mir dadurch alle die Gedanken zum vollen Bewußtsein erweckt würden, die bisher nur wie im Traume in mir gelebt haben. Es schreiben wohl auch Andere über dieselben Dinge, aber man fühlt bei ihnen sofort den gezwungenen Eifer heraus. Ihre Aussprüche dagegen spiegeln die einfache Ueberzeugung wider. – Und ich lese nicht nur, was Sie selber schreiben, sondern auch Alles, was gegen Sie geschrieben wird. Sie finden bei mir die sämmtlichen Hefte von ›Mene, Tekel, Upharsin‹. Der Verfasser ist ein außergewöhnlicher Mensch, ja, was mehr: er ist ein Dämon. Seine Einfälle sind betäubend, seine Weltanschauung ist im Stande, einen schwachen Kopf schwindeln zu machen; er flößt Entsetzen ein durch seine Tollkühnheit und die kalte Grausamkeit, mit welcher er seine Gegner tormentirt. Seine Verdächtigungen sind der Wahrheit so ähnlich, daß sie dem Leser völlig weh thun. Sagen Sie mir nur, wie mögen die Schriftsteller denn doch gar so unbarmherzig gegen einander verfahren?«

»Ich kann Ihnen die Versicherung geben, Baronin, daß uns das gar nicht besonders weh thut. Wir sind einmal schon so trainirt, – etwa wie die englischen Boxer. Ein Faustschlag, von dem ein Anderer in tausend Stücke gehen müßte, kommt bei uns gar nicht in Betracht.«

»Wohl; ich will glauben, daß es für Denjenigen nichts auf sich haben mag, der den Schlag empfängt; aber wie ist es nur möglich, daß er den nicht selber schmerzt, der ihn versetzt? Wie ist es nur erklärlich daß ein gebildeter, in den Begriffen von Sitte und Ehre erzogener Mensch nicht instinktmäßig vor seinem eigenen Beginnen zurückschaudert, wenn er darauf aus ist, einen Kollegen geistig zu verwunden, auf die Folter zu spannen, zu tödten?«

»Baronin, die Kannibalen fressen einander auf; daraus folgt aber durchaus nicht, daß sie etwa einander böse seien, oder daß sie nicht auf Sitte und Ehre halten, sondern es ist ihnen eben einmal eine Heldenthat, und zweitens eine Delice, den Andern zu verspeisen.«

»Sie aber thun gleichwohl niemals Aehnliches. Ihre Entgegnungen sind immer so ruhig gehalten, so voll kühler Würde. Und das ist es eben, was für Sie jeden Streit von vornherein zur gewonnenen Sache macht. Das kalte Blut macht Sie obsiegen. Ich an Ihrer Stelle würde nicht gut fahren. Ich geriethe in Wuth und müßte gegen Alles anstürmen, wenn ich Alles angegriffen sähe, was mir heilig ist. Da ich in meiner Stellung keine andere Rache zu ersinnen vermag, nehme ich eine Stecknadel zur Hand und durchbohre jedes Blatt des ›Mene, Tekel, Upharsin‹ mit tausend und aber tausend Nadelstichen; ich denke dabei, der Verfasser müsse jeden einzelnen fühlen.«

»Ah, Sie führen also einen förmlichen Krieg für unsere Sache, Baronin?«

»Und wo Sie persönlich angegriffen sind, dort schneide ich mit der Scheere Ihren Namen aus der Zeile heraus. Das leere Nichts mag er verunglimpfen! – Dann halte ich das Blatt über eine Weihrauchwolke und lege das Ohr daran und lausche, wie die bösen Geister darin wehklagen!«

Eine neue Cotillonfigur unterbrach die Conversation. Als sie auf ihre Plätze zurückgekehrt waren, nahm Pompeja, noch während ihr der Busen von der Erregung des Tanzes hoch aufwogte, den vorhin fallengelassenen Faden wieder auf – den Faden, aus dem man das Netz zu weben pflegt. Ueber die Komplimente und Schmeicheleien war man bereits hinaus: es folgte nunmehr das zweite Stadium der Vertraulichkeit: die Besprechung, die Kritik der Bekannten.

»Mit welchem Feuer Se. Hoheit der Fürst den Cotillon führt. Er springt selber mit über den ausgespannten Schleier weg und hascht das emporgeworfene Taschentuch. In den Pausen erzählt er aller Welt, er vertrete seinen Alienor, der Arme habe sich den Fuß verrenkt; natürlich macht Jedermann zu der Nachricht ein ernsthaftes Gesicht, seufzt und empfiehlt Eisumschläge als sehr heilsam.«

»In der That, ich habe es gleichfalls für Freundespflicht erachtet, daran zu erinnern.«

»Und dabei denkt Jedermann: ›Wer es nicht besser wüßte!‹ Er hat zu fleißig aus dem ›weißen Blatte‹ gelesen, das hat ihm nicht bekommen.«

Pompeja würde um keinen Preis das Wort gebraucht haben: »er hat sich betrunken.« Das » Carte blanche« war übrigens auch verständlich genug.

»Er hat Herzklopfen davon bekommen,« entschuldigte ihn Leon.

»Falsch, das Eine wie das Andere. Der Prinz stellt sich nur so schwächlich. Er wollte den Cotillon loswerden, das ist Alles. Er ist bequem und selbstsüchtig und faul. Wenn die ganze Damengesellschaft ihn unterhalten wollte, das würde er sich gefallen lassen; aber seinerseits zur Unterhaltung beizutragen, dazu ist er zu träg. Er mag noch ein anderes Motiv nebenbei haben, aber Faulheit ist jedenfalls der Hauptgrund. Der junge Mann hat auch gar keine Ambition, nicht einmal den Ehrgeiz, Cotillonvortänzer zu sein. Um nur ja seine Bequemlichkeit nicht opfern zu müssen, nimmt er lieber die Schmach auf sich, vor der ganzen vornehmen Welt als vom Weine verwirrt zu gelten.«

»Cotillon!« tönte in diesem Augenblicke das fürstliche Kommandowort durch den Saal. Leon mußte seine Dame um die schlanke Taille fassen, sie an sich schließen und mit ihr hinausstürmen in die Welt. Die silberblonden Locken flatterten ihm um das Gesicht, die einander so widersprechenden Augen funkelten aus unmittelbarer Nähe in die seinigen. Paar um Paar flog in dem feenhaften Gewirre an ihnen vorüber; in einer der Tänzerinnen erkannte Leon Livien. Sie hatte ihn nicht gesehen, sie tanzte mit niedergeschlagenen Augen.

Man kehrte wieder auf die Plätze zurück.

»Hören Sie einmal, das wird Sie auch persönlich interessiren. Fürst Oktavian Nornenstein kommt häufig zu meinem Vater. Die Herren sprechen vor mir ohne besondere Reserve; natürlich, ich bin ja die Hausfrau. Bei einer solchen Gelegenheit sagte der Fürst zu meinem Vater: ›Nachgerade müßte ich nun doch daran denken, meinem Thronerben irgend eine Stellung in der Welt zu schaffen.‹ – ›Warum giebst Du ihn nicht zur Armee?‹ erwiderte mein Vater, für den es natürlich keinerlei anderen Rang giebt als den militärischen; wer keinen Säbel trägt, mag er nun Fürst oder Herzog sein, ist in seinen Augen kein Mann. Fürst Oktavian aber gerieth auf die Frage in eine wahre Wuth und rief: ›Soll ich ihn etwa als Marketenderin engagiren lassen?‹ Und dann erzählte er, was der Prinz vor Kurzem einmal für einen bizarren Einfall gehabt. Er zog Frauenkleider an, eine Toilette ganz nach dem Journal und begab sich auf einen jener Bälle, wo die Damen auch ohne Begleitung Eintritt haben. Dort amüsirte er sich damit, ein paar jungen Leuten die Köpfe zu verrücken. Die Polizei war jedoch dahinter gekommen und man schien ganz und gar nicht gewillt, den Einfall als Scherz passiren zu lassen. Fürst Oktavian hatte Mühe, die Geschichte derart zu applaniren, daß kein Scandal daraus entstand. Kriegerische Neigungen hat der Prinz ganz und gar keine; man muß ihm also in der schwarzbefrackten Welt irgend eine glänzende Stellung schaffen, um einen Faktor in der Gesellschaft aus ihm zu machen. ›Er könnte Reichstags-Abgeordneter werden,‹ meinte der Fürst. Mein Vater lachte hell auf. ›Ja weiß er denn etwas von den ungarischen Gesetzen, von der Verfassung?‹ – ›Genau so viel, als drei Fünftheile des Hauses auch. Es giebt dort Poeten, Sportsmen, Geistliche, Kaufleute; es giebt Karrikaturen, es giebt Leute, welche die Verhandlungssprache nicht verstehen und solche, die sich über das Buffet hinaus gar niemals einen Platz suchen, – warum sollte nicht auch Alienor dort sitzen können?‹ – ›Das ist allerdings wahr,‹ sagte mein Vater. ›Aber was wäre denn für Alienor eigentlich für ein Vortheil dabei und welche Veränderung würde sich denn in der Welt ergeben, wenn er – seine Großjährigkeit müßte man natürlich antezipiren – von Deinem Sohne zu Deinem Vater avancirte?‹ ›O, Alienor wäre dort ganz und gar an seinem Platze,‹ erwiderte Fürst Oktavian. ›Er würde daselbst eine namhafte Celebrität. Nicht auf der Tribüne – eine Rede wäre ein pitoyables Debut für ihn, – sondern hinter den Coulissen. Es giebt keinen zweiten Intriguanten in der Welt, wie es Alienor ist. Diese weibliche Eigenschaft ist bei ihm zu hoher Vollkommenheit entwickelt. Parteien unterminiren, Staatsmänner aus ihren Positionen verdrängen, blind dahinstürmende Fraktionen als Mittel gebrauchen, Fraktionen zu Stande bringen, das würde er meisterhaft verstehen. Und schließlich: die Ministerfauteuils stehen sehr nahe an den Bänken der Abgeordneten.‹ – ›Am Ende könnte er gar noch Minister werden!‹ lachte mein Vater. ›Was giebt's denn dabei zu lachen? Ein ungarischer, mächtig begüterter Dynast – weshalb denn nicht? Die Auswahl unter den Magnaten ist ohnehin eine so geringe, daß man bereits genöthigt ist, die Minister aus den Reihen der Professoren auszuersehen. Was macht denn eigentlich den guten Minister? Ein guter Staatssecretair und die guten ministeriellen Diners. Er hat weiter auf gar nichts zu achten, als daß er seinen Sectionsräthen nichts in ihren Kram dreinrede und daß der Champagner auf seiner Tafel echt sei. Haben wir etwa solche Minister nicht auch in ganz anderen Ländern gesehen? Bismarck hat nicht einmal seine Schulen gemacht; Persigny konnte nicht richtig schreiben, und Gladstone hat in seiner Jugend außer den Hahnenkämpfen rein gar nichts kultivirt. – Alles das ist durchaus kein Scherz. Du weißt wohl, welches unsere Endziele sind. Zu deren Erreichung muß jedes Mittel wahrgenommen werden. Auch das ungarische Parlament ist eines derselben. Welche Richtung es einschlägt, in der reißt es auch Oesterreich mit sich fort ... ‹ Doch jetzt reichen Sie mir den Arm. Der Arrangeur ruft Cotillon, die Tour ist an uns.«

Leon nahm diesmal das Ellipsoid, welches er im Tanze zu beschreiben hatte, möglichst klein, um je eher mit Pompeja wieder auf ihren Platz zurückzugelangen.

»Sprechen Sie doch mitunter auch etwas. Wer uns beobachtet, wird es auffällig finden, daß immer nur ich rede.«

»Er wird meinen Egoismus: Sie so gerne zu hören, nur gerechtfertigt finden können.«

»Mein Vater fragte hierauf den Fürsten: ›Wie willst Du es denn aber anfangen, den Jungen ins Haus zu bringen? So viel ich weiß, muß das Publikum bei solchen Anlässen tüchtig haranguirt werden: »mit Bechers und des Wortes Klang«.‹ – ›Was den Becher anbelangt,‹ erwiderte Pracz v. Nornenstein, – ›dafür ist gesorgt; habe mirs ein redlich Stück Geld kosten lassen. Reden freilich kann mein Sohn nicht halten, aber er hat einen sehr guten Freund, der die Kunst versteht.‹«

»Damit bin sicherlich ich gemeint.«

»Es ist mir lieb, daß Sie's errathen haben. ›Wir sind,‹ setzte der Fürst hinzu, ›dem jungen Gentleman ohnehin sehr verbunden.‹

»Folgerichtig bin also ich ihr Schuldner.«

»Warten Sie nur: Fürst Nornenstein ist Ihnen gar sehr gewogen, nur ist er in der Ansicht – besser gesagt: in dem Wahne – befangen: ein reicher Mann könne sein Wohlwollen am entsprechendsten mit Geld beweisen. Sein Plan ist: den Prinzen Alienor im Etelvarer Bezirke wählen zu lassen; dabei zählt er auf den Einfluß des Fürsten und auf – Ihre Aktion, mit unbeschränkter Machtvollkommenheit in allen finanziellen Fragen der Affaire. Dann besprachen die Herren in meiner Gegenwart allerlei Kniffe, mit denen man die Wähler zu gewinnen, zu fangen, oder von der Sache der Gegenpartei zurückzuscheuchen pflegt. All' diese Geschichten kennen Sie wohl weit genauer als ich und als all' die Herren, welche sich einbilden, Meister im Intriguiren zu sein. Indessen, wir Frauen verstehen uns darauf doch noch besser. Nicht wahr, nach all dem was ich Ihnen soeben verrathen habe, wird es eine wahre Beleidigung sein, wenn man Sie auffordert, den Prinzen Alienor im Etelvarer Bezirke durchzubringen: › coûte que coûte!‹ Ich aber sage Ihnen gleichwohl: nehmen Sie die Mission an. – Geben Sie Acht! Man hat ein Auge auf uns. Thun Sie, als ob Sie um eine Hyacinthe aus meinem Bouquet bäten. Ich will sie Ihnen dann reichen. – Nun nehmen Sie an?«

»Die Hyacinthe mit großem Triumphe, was aber die Mission anbelangt ...«

»Diese noch weit lieber. Ich will Ihnen Eines sagen: Reißen Sie den Prinzen Alienor immerhin mit hinein in den Taumel der Wahlbewegung. – Wie ich den Acteur und die Bühne kenne, nimmt er mitten in der Komödie Reißaus und dann – bleiben Sie allein am Schauplatze, entrollen Ihre eigene Fahne und heimsen die Lorbeeren des Zuges nach Etelvar selber ein.«

»Da Se. Excellenz der Herr General nicht zugegen sind, um mit dem obligaten Gelächter zu antworten, so gestatten Sie mir, Baronin, daß ich das selber besorge.«

»Es wäre hier ganz und gar nicht am Platze. Sie kennen doch sicherlich Ihr eigenes Interesse, und ebenso auch den großen Werth der Position, zu welcher das Abgeordnetenmandat verhilft. Sie würden nicht ins Haus treten, um Ränke zu spinnen, zu intriguiren, sondern offen und energisch für eine Idee zu streiten, welche zur Stunde noch so wenige Vorkämpfer zählt, und welche gleichwohl mir und zahlreichen Anderen die Seele so ganz erfüllt. Wir sehen in Ihnen einen nicht gewöhnlichen Mann. Wenn man Ihnen sagt: die Ministerfauteuils stehen nahe zu den Bänken der Abgeordneten, so ist das keine leere Redensart. O ich bin dessen gewiß, daß es denkende Menschen giebt, die in Ihnen den Mann gefunden zu haben glauben, welcher dereinst Ungarns tapfere Legionen mit sich fortreißen wird, nicht jene Legionen, die auf Kanonenschallweite kampiren, sondern jene, die muthig vorangehen im Kampfe für die gerechte Sache. Doch geben Sie Acht! Drehen Sie sich um! Es ist Damenwahl. Ich sehe die Prinzessin heran kommen – Sie kommt um Sie.«

Prinzessin Raphaela kam in der That um Leon. Sie beschämte ihn; er hatte sie den ganzen Abend über auch nicht zu einem Pas aufgefordert. Dafür nestelte sie ihm nun einen Cotillonorden mit einer Schlafmütze an die Brust. Als er sie zu ihrem Sitze zurückführte, entging er auch einer ausdrücklichen Rüge nicht. »Sie gedenken Ihrer Bekannten von ehedem auch gar nicht mehr. Sie haben sich ganz und gar versenkt in die schönen Augen der silberhaarigen Fee.«

»Und die schweren Sorgen für das Vaterland.«

»Ich gebe Sie Ihrer Sonne wieder.«

»Noch nicht, Prinzessin.« Damit verbeugte sich Leon vor der Prinzessin und that einen Schritt gegen Livia. Das Mädchen verstand den Sinn seiner Annäherung und stützte sich auf seinen Arm. Leon flog mit ihr dahin. Jetzt konnte er ihr in die Augen sehen. Während des Tanzes flüsterte er ihr zu: »Liebst Du mich noch?« Livia gab flüsternd zurück: »In Ewigkeit.« – Keine Seele hatte gehört, was sie einander zuflüsterten.

Der Cotillon endete mit einem geistreich arrangirten Wirrwarr. Leon verabschiedete sich von seiner Tänzerin, steckte die eroberte, rosenfarbene Hyacinthe, das Sternkreuz des Ehrenzeichens der Ballköniginnen von Gottes Gnaden, ins Knopfloch und sah sich nach einem Rundgange durch den Saal dem Fürsten Oktavian gegenüber. Die Riesenarbeit, die er gethan, hatte den wackern Standesherrn nicht einmal in Transspiration versetzt.

»Nun! wie sieht's aus? Kann man mit Ihnen noch in Prosa reden? Sie haben eine vollendete Eroberung gemacht; ich habe es wohl gesehen, ich habe Sie beobachtet. Während des ganzen Cotillons war die übrige Männerwelt für die Baronin so gut als gar nicht vorhanden; die Cotillonorden blieben sammt und sonders ungebraucht auf ihrem Fauteuil liegen. Und mit welchem Eifer sie zu Ihnen sprach und aus welcher Nähe! Was die Lippen gesprochen haben mögen, das ist natürlich Geheimniß, was aber ihre Augen sagten, das konnte Jedermann verstehen, der da Acht hatte. Und nun noch diese Blume in Ihrem Knopfloche! Eine vollständige Eroberung. Jetzt setzen Sie nur Alles dran, je eher ein reicher Mann zu werden. – Weiter braucht es nichts. Soll ich Sie dem Vater der Baronin vorstellen? Da kommt er eben. – Herr Napoleon von Zarkany.«

Der General v. Falbenheim hätte nicht verleugnen können, daß er Pompeja's Vater sei. Er hatte dasselbe hellblonde Haar, seine Brauen und Wimpern waren ebenso weiß; sein Schnurrbart à la Haynau peitschte bei jeder Bewegung des Kopfes gleich zwei Reiherflügeln die Luft. Auf der Brust des Generals funkelten zehn oder zwölf Orden.

Der ausgezeichnete Feldherr nahm, da er weder vor noch nach dem Namen des vorgestellten Herrn irgend eine erläuternde Qualifikation zu hören bekam, von der Vorstellung nur so obenhin mit einem leichten Kopfnicken Notiz. Leon bemerkte den Umstand sofort, und beeilte sich, in militärischer Positur, die Fingerspitzen an die Stirne erhoben, das Versäumte nachzuholen, und die Vorstellung folgendermaßen zu ergänzen: »Ausgedienter Einjährig-Freiwilliger und Korporal extra statum in der Armee.«

Der General wies unter dem Schnurrbart hervor die Zähne, was bei ihm ein Lächeln ausdrückte. »Sie waren der Tänzer meiner Tochter im Cotillon,« sprach er hierauf herablassend. »Besuchen Sie uns einmal.«

»Ich werde von der Erlaubniß Gebrauch machen.« Damit machte er »Rechtsum« und zog im Defilirschritt ab. –

Nachdem Pompeja daheim ihre Nachttoilette vollendet hatte, nahm sie, bevor sie sich zur Ruhe begab, ein kleines Kästchen zur Hand, von der Art, wie es Dilettanten in der Entomologie zur Aufbewahrung ihrer Schmetterling-Sammlung zu haben pflegen. Sie öffnete dasselbe. Es enthielt eine eigenthümliche Sammlung: Kartenfiguren, ausgeschnitten und mit Stecknadeln an die Wand des Kästchens geheftet. Die Meisten waren Herz-Unter. Doch gab es auch Treff-Ober die Menge in der Kollektion. Pompeja nahm ein Spiel Patiencekarten und suchte sich in demselben einen » Valet de coeur«; sie schnitt die Figur mit der kleinen Stickscheere gleichfalls aus dem Blatte und schrieb dann auf die Rückseite einen Namen: »Napoleon von Zarkany.«

Also nur » Valet de coeur« – »Herzbube« und nichts weiter. Sie nadelte die Figur zu den anderen an die Wand des Kästchens. So sicher war sie ihrer Sache bereits. Unter der Menge von Karten-Silhouetten befindet sich auch ein »Herzkönig«, ein einziger; den Namen aber, der auf der Rückseite geschrieben steht, den läßt uns Pompeja v. Falbenheim nicht wissen.

Auch Leon suchte, nach Hause zurückgekehrt, nicht sofort sein Lager. Er nahm zuvor das Medaillon von der Brust, welches das Bildniß jener Schutzheiligen barg, mit welcher er sich zu berathen pflegte; während er zu dem Bilde redete, sagte allmälig auch dieses ihm Alles, was ihm zu wissen Noth that.

»Daß Pompeja von Falbenheim Dich so auffällig ausgezeichnet hat, das bedeutet nichts Anderes, als daß Du ihr völlig gleichgültig bist; es ist aber Jemand Anderes da, den sie durch Dich eifersüchtig machen möchte. Sie hat den Prinzen Alienor vor Dir beredet, verspottet, lächerlich gemacht. – Er ist es sonach, den sie liebt. Er ist der Herz-König. Fürst Oktavian stellt Dich Pompeja vor; er rühmt sie vor Dir und Dich vor ihr. Er will Euch Beide glauben machen, Ihr seiet in einander verliebt. Ja, er geht noch weiter: er verspricht Dir, er wolle Dir gelegentlich einer großen staatlichen Finanz-Operation behülflich sein, Dir rasch ein Vermögen zu machen: dann gebe es weiter kein Hinderniß mehr zwischen Euch Beiden. Das thut Oktavian von Nornenstein deshalb, weil er fürchtet, Alienor könne sich in Pompeja's silbern goldiges Haar verfangen und darin verstrickt bleiben, gleich einer Fliege. Alienor aber ist wahrscheinlich schon gefangen. Er stellt sich lieber betrunken, als daß er den Cotillon in Anwesenheit Pompeja's mit Raphaela tanzte. – Fürst Oktavian aber will Raphaela in keinem Falle aus dem Spiele lassen – er springt selber für seinen Sohn ein. Er will also Raphaela um jeden Preis für Alienor festhalten. Und nun löst sich der Knoten der ganzen Intrigue. Deshalb setzt Pompeja Alles daran, eine Wahl Alienors zum Abgeordneten im Etelvarer Bezirke zu hintertreiben, denn eine solche müßte ihn dem Hause des Fürsten Etelvary auf das innigste liiren, während ein ärgerlicher Durchfall, oder ein Rücktritt, einen irreparablen Bruch zur Folge haben müßte. Du bist der Mann, der etwas dergleichen zu Stande bringen kann. Und so kommst Du, Freund Napoleon, in dieses Credo, mit Deinem Abgeordneten-Mandat, mit Deinem Minister-Fauteuil, mit Deinem Honvédobersten-Portepée und – mit der Hyacinthe da in Deinem Knopfloch.«

... Alles das erzählte Leon die winzige Schutzheilige in der kleinen goldenen Nußschale. Leon schloß das Bildniß wieder ein, dann erst küßte er es; also geziemt es sterblichen, sündigen Lippen: nur des Heiligenschreines Außenseite zu berühren, nimmermehr das Heiligthum selbst. Und dann lachte er in der Einsamkeit der stillen Nacht helllaut auf.

»Hahaha! Meine Herren und Damen! Ich bin ja selber auch ein Komödiant!«

Dann blies er die Kerze aus, warf sich aufs Bett und entschlief, ohne erst eingewiegt zu werden.

*


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