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Die Tragödie endigt mit einem Vaudeville.

»Guten Morgen, Zarkany, lieber Freund!« Mit diesem herzlichen Gruße trat am nächsten Morgen Fürst Oktavian Nornenstein bei Leon ein. »Sehen Sie, es geht uns mit Ihnen bereits nicht anders, als einem bedrängten Schuldner mit einem humanen Gläubiger: je tiefer er in dessen Schuld steht, desto mehr fordert er von ihm. Sie haben uns durch Ihr chevalereskes Vorgehen so ganz und gar verbunden, gleichwohl nichts weiter damit gewonnen, als daß Sie uns nicht wieder loswerden. Die fatale Affaire hat eine Fortsetzung gefunden; da sehen Sie nur, was mir dieser fürchterliche Mensch, der Karakan, da für einen Brief schreibt. Bitte lesen Sie. Ich getraue mich die Sache gar Niemandem mitzutheilen, denn wenn das Mindeste davon transspirirt, so kann ich nur gleich mitsammt meinem Herrn Sohne nach Buxtehude auswandern. Einzig und allein zu Ihnen habe ich Vertrauen; Sie haben dasselbe so vollständig gewonnen. Nun was sagen Sie zu der Geschichte? Der Bursche beschreibt da eine unerhörte vertragsmäßig arrangirte Spiegelfechterei zwischen ihm und meinem Sohne. Mein Sohn habe sich für theures Geld seine Fratze gekauft, mit der Berechtigung ihm eine Schmarre daraufzuzeichnen. Und ich glaube die Geschichte; der Einfall sieht meinem Jungen verdammt ähnlich und paßt ganz und gar in seine sonstige Konduite. Nun hat der Bramarbas seinen Hieb allerdings in der Visage sitzen, nur ist derselbe nicht von meinem Sohne, sondern von Ihnen so quasi per procura dahin gezeichnet und hat sonach für Alienor selbstverständlich auch nicht den geringsten Werth. Allein Herr Karakan hat ihn einmal und droht mir nun, wenn ich ihm nicht augenblicklich den und den Betrag erlege, so wolle er die ganze Geschichte an die große Glocke hängen, in allen hauptstädtischen Blättern veröffentlichen und das umsomehr, als ihm Herr Kolompy der Motive, noch mehr aber der Folgen des bewußten Duells wegen gekündigt habe, so daß er jetzt ohne Brod, kampf- und schreibunfähig dastehe; auch den Brief habe er mit der linken Hand kalligraphirt. Was soll ich nun mit dem Menschen anfangen? Rathen Sie mir. Soll ich ihn todtschlagen, soll ich ihn einsperren lassen, oder soll ich ihn bezahlen, um ihm den Mund zu stopfen?«

»Ich denke, Hoheit versuchten Keines von den Dreien. Das Todtschlagen verbieten in solchem Falle unsere vaterländischen Gesetze, das Einsperrenlassen geht nicht an. Zahlen aber würde hier nicht zum Ziele führen, denn sowie das Geld zur Neige wäre, hätten Sie den Burschen von neuem mit Drohungen und Erpressungen auf dem Halse. Ueber Ew. Hoheit Börse hinge ohne Unterlaß das Taschenmesser eines Beutelschneiders als Damoklesschwert. Lassen Sie mir den Brief da; ich will Ihnen die Sache bis morgen früh arrangiren.«

»Ich fürchte nur, die ganze Intrigue ist schon in diesem Augenblicke nicht mehr vollständiges Geheimniß. Ich habe im Casino so einzelne beißende Anzüglichkeiten gehört.«

Des andern Tags Morgens erschien im Feuilleton der »Posaune von Jericho« Absalon Karakans Brief an Oktavian von Nornenstein dem vollen Wortlaute nach, die ganze Erzählung von dem Bündnisse des Schreibers mit Prinz Alienor mit allen Details. Fürst Oktavian sprang, als er die Bescheerung noch im Bette liegend erblickte, bis an die Zimmerdecke empor. »Das ist eine thurmhohe Perfidie!« –

Als er aber dann den Artikel bis Ende gelesen hatte, war er angenehm beruhigt. In einem Schlußworte forderte Napoleon von Zarkany das Publikum zum Schiedsrichter auf, ob man wohl einem so geschmacklosen, ungeschickt komponirten Hirngespinnste Glauben schenken könne, welches ein zweideutiges Individuum offenbar nur zu dem Zwecke ausgeheckt habe, um eine in der öffentlichen Meinung hochstehende Familie zu brandschatzen? Dieselbe glaube sich gegen den Erpressungsversuch und die Verläumdung am wirksamsten dadurch sicherzustellen, wenn sie das Schreiben dem vollen Wortlaute nach veröffentliche und den frechen Attentäter dem Richterstuhle der öffentlichen Meinung überantworte. Uebrigens sei das ganze alberne Märchen nicht einmal ein origineller Einfall, sondern werde Wort für Wort in Grandmesnils Vaudeville » Le duel payé« erzählt; das Ding sei auch im Theater Porte-Saint-Martin aufgeführt und am ersten Abende mit Eklat ausgepfiffen worden. Also nicht nur Verläumdung, sondern ein Plagiat noch obendrein!

Fürst Nornenstein eilte zu Leon. »Na, Sie haben mich nicht übel erschreckt. Aber späterhin ward ich getröstet. Auf diese Weise ist dem Gerede in der That die Spitze abgebrochen. Aber sagen Sie einmal: existirt in der That ein Herr Grandmesnil, der ein Vaudeville › Le duel payé‹ ähnlichen Inhaltes geschrieben hat?«

»Ja, das weiß ich nicht. Ich habe den Namen nie nennen gehört.«

»Das ist eine Mystifikation, zu deutsch: eine Lüge?«

»Eine Lüge, wie wir sie wohl mit vollem Rechte dem Wegelagerer sagen, der uns die Pistole auf die Brust setzt.«

»Aber Sie riskiren, daß sich Jemand die Mühe nicht verdrießen läßt, in der Bibliothek des Theaters Porte-Saint-Martin Nachforschungen anzustellen und dahinterkommt, daß das citirte Stück gar nicht existirt.«

»Bis dahin hat man daheim die Geschichte längst vergessen: und kommt die Mystifikation doch an den Tag, so lacht man höchstens mich aus. – Jenun, ich bin ein Zeitungschreiber; ich kann's ertragen.«

» Enfin, ich danke Ihnen. Und nun, wie meinen Sie: wäre es nicht vielleicht angezeigt, wenn Sie diese tausend Gulden in dieses Zeitungsblatt eingeschlagen, dem Burschen zusenden wollten?«

»Das könnte ihm wahrhaftig nicht schaden.«

Leon bekam auf diese Sendung von Karakan eine Rückantwort, in welcher er in allen gangbaren Sprachen der Welt ein Dieb, ein Räuber, ein Freibeuter genannt wurde; die tausend Gulden schickte er indeß nicht zurück. Zur Beruhigung teilnahmsvoller Seelen können wir noch beifügen, daß Freund Karakan nicht ohne Brod blieb; er ging als Hauptmitarbeiter in das Lager der, von ihrer radikalen Richtung bekannten »Geißel Gottes,« eines Blattes der äußersten Linken, über, wo er mit offenen Armen empfangen wurde.

*


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