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Der Mechanismus der »Posaune von Jericho.«

»Nun, Freund Napoleon, wie sagt Ihnen die Redaktion der »Posaune von Jericho« zu? Haben Sie mit Ihren Kollegen, meinen Mitarbeitern, Bekanntschaft gemacht? Es sind das durchwegs ausgezeichnete junge Leute. Da haben wir Herrn Buksy, einen Mann von bedeutendem Wissen; er übersetzt aus dem Englischen, Französischen und Italienischen ... (»Mit Hilfe eines deutschen Wörterbuches.« – In der Parenthese spricht immer Bruder Napoleon.) Er ist der Leiter unserer auswärtigen Rubrik. So viele Male er Victor Emanuel einen Länderräuber, Bismarck einen Herodes nennt, so viel Stück Cigarren bekommt er zum Monatschluß als Extra-Bonifikation. – Da ist ferner Herr Pokhöny, ein Mann von ausgezeichneter Gelehrsamkeit. Er schreibt die Sachen aus dem Gebiete der Nationalökonomie, der Conjekturalpolitik, der Kirchenpolitik und der hohen Diplomatie. (Siehe »Staatslexikon« von Rotteck und Welcker.) Jene hagere, hochgewachsene Gestalt mit dem ernsten Blicke, Herr Stomfax, ist ein ganz besonders unschätzbares Individuum. Seine Aufgabe ist, alle die Nachrichten zu sammeln, welche auf die Magnatenkreise Bezug haben, die unserer Partei angehören: die Ankunft und Abreise der Herrschaften zu signalisiren, von erfreulichen und betrübenden Ereignissen in den betreffenden Familien Meldung zu machen, Schritte und Akte hervorragender Prälaten mit Aufmerksamkeit zu verfolgen, wohlthätige Spenden, Stiftungen und Verfügungen derselben mit Anerkennung zu lohnen, Sammlungen von Peterspfennigen dankend zu registriren. Herr Ugrik führt die Theater-Rubrik. Er steht ganz und gar auf der Höhe seiner Aufgabe: er kritisirt die Stücke mit gänzlicher Außerachtlassung all des ästhetischen und künstlerischen Beiwerkes ausschließlich vom Gesichtspunkte des Dogmas. In dieser Richtung entgeht nichts seiner Aufmerksamkeit, und er verfolgt jeden Mißbrauch mit flammender Geißel. – Herr Taplo, der Herr mit dem blonden Ziegenbärtchen und den Blatternarben auf der Nase, referirt aus den Sitzungen des Abgeordnetenhauses und der hohen Magnaten; er weiß die Vorträge der Redner mit geistreichen Aperçus zu würzen und liefert von den hervorragenderen Persönlichkeiten treffende Silhouetten. (»Und durchstöbert den alten Leutschauer Kalender nach Anekdoten, die sich allenfalls aufwärmen ließen.« –) Herr Bamba arbeitet mit unumschränkter Machtvollkommenheit in spiritualibus. (»Und in spirituosis.«) Er führt eine harte, scharfe, in Scheidewasser getauchte Feder. Er schont Niemanden und wählt niemals seine Worte; er trifft genau dahin, wo es am ärgsten schmerzen muß und revocirt auch nicht ein Jota. – Schließlich haben Sie wohl auch unsern Freund Karakan gesehen. Er arbeitet dem Anscheine nach gar nichts; man sollte fast meinen, er habe weiter keine Aufgabe, als in die Redaktion zu kommen, um die Anderen zu infestiren, mit Anekdotenerzählen die Zeit todtzuschlagen und Niemanden zur Arbeit kommen zu lassen. Wenn dann der Metteur-en-pages nach Manuscript schreit, greift erst Jedermann über Hals und Kopf zur Scheere und schneidet Füllsel und Frösche aus anderen Blättern was das Zeug hält: schließlich, wenn es gar nicht anders mehr geht, wird Freund Karakan mit vereinten Kräften zum Bureau hinausgeworfen, damit die Herren nach ihrer Arbeit sehen können. – Und gleichwohl ist dieser Mann entschieden das unentbehrlichste Mitglied unserer Redaktion. Hören Sie und staunen Sie, wie pfiffig ich den Feldzug organisirt habe. Wie Sie – und Jedermann – wissen, ist die Aufgabe der »Posaune von Jericho« keine andere als: Jedermann die Wahrheit zu sagen. Das geschieht denn auch; wir geißeln Jedermann, der ein Gegner unserer Sache ist. Unsere ganze Existenz ist einem Kreuzzuge zu vergleichen. Das Lager der Rechtgläubigen braucht einen Richard Löwenherz, der da bereit ist, unsere Fahne auch mit dem Schwerte in der Faust gegen die Ungläubigen zu vertheidigen. Dieser unser Richard Löwenherz ist Herr Karakan. Haben Sie diese Arme, diese Schultern gesehen? Ein Samson! Ein Fechter wie kein zweiter, mit der Rechten wie mit der Linken. Er war Militär, mußte aber der unaufhörlichen Händel und Paukereien wegen quittiren. Er band mit Jedermann an und verunglimpfte alle Welt. Er ist mit hundertfünfzig Gulden engagirt (» Ecclesia militans«) – jawohl, zu dem Zwecke, damit der franc-maçon, wenn ihn etwa die Lust anwandeln sollte zu den modernen Gegenargumenten Zuflucht zu nehmen und seine Sache an die Degenspitze zu appelliren, auch bei uns Jemanden finde, der Mann ist zu derlei Ordalien. Von dem Schilde dieses jederzeit gewappneten Ritters gedeckt, kann Jedermann frei und getrost schreiben. Unsere Artikel erscheinen sämmtlich pseudonym. Unser Freund Karakan ist stets bereit, für jeden derselben Autorschaft und Verantwortlichkeit zu übernehmen und falls sich Jemand verletzt fühlen sollte, sich mit ihm zu schlagen. Er ist es auch, der sich vorkommenden Falles dem Preßgerichte stellt; wird er verurtheilt, so sitzt er die Gefängnißstrafe ab und bezieht für die Dauer derselben ein doppeltes Honorar.«

»Nun, und hat Herr Karakan in Folge der Artikel der »Posaune« schon viele Duelle gehabt?«

»Kein einziges. Aber auch nicht Eines. Die Herren Kollegen wissen ganz wohl, wie sie unsererseits bedient würden und getrauen sich nicht zu mucksen. O sie hüten sich wohl, uns den Handschuh hinzuwerfen.«

»Sehen Sie, das ist ein großer Uebelstand. Sie haben dafür gesorgt, daß Sie gerüstet seien, aber nicht auch dafür, daß Sie angegriffen werden.«

»Wie? Was? Das verstehe ich nicht.«

»O doch. Die »Posaune von Jericho« kämpft gegen ihren eigenen Schatten – sie hat keinen Feind. Die anderen Blätter polemisiren nicht mit ihr, sie nehmen nicht einmal Notiz von ihr, sie schweigen sie todt. Sie haben eine Liga untereinander errichtet und sind übereingekommen, die »Posaune von Jericho« möge über sie schreiben und sagen, was sie will, sie möge sie selbst verdächtigen, Silberlöffel gestohlen zu haben, es solle nichts als Beleidigung aufgenommen werden. Daher kommt dann einmal der Uebelstand, daß neunzehn Zwanzigstel des Publikums gar nicht wissen, ob wir denn überhaupt auf der Welt sind. Die übrigen Blätter machen eben die Leute nicht neugierig auf uns. Ein weiteres und noch weit größeres Uebel aber ist es, daß unsere hohen Gönner und Protektoren unsern ganzen Eifer am Ende für überflüssig halten müssen, da wir immer nur allein schreien und keine Seele uns widerspricht. So hören wir allmälig auf, ihnen dringend nothwendig zu sein. Sie verstehen nicht, weshalb wir uns ereifern, da uns doch Niemand ein Leides thut? Sie begreifen nicht, was wir denn eigentlich vertheidigen, da ja doch nichts angegriffen ist? Ja es giebt zimperliche Patrone unter ihnen, deren Geschmack von der Aesthetik dermaßen verdorben ist, daß sie unsere gesunden, gerade herausgesagten Kernausdrücke nicht opportun finden, da von den Gegnern Niemand ähnliche gebraucht. Kurzum, was uns fehlt, ist ein Feind, der uns Tag für Tag mit vergifteten Pfeilen beschießen, mit den Zähnen zerfleischen, auf Glasscherben herumwälzen würde, damit wir uns auf unsere Wundmale berufen, unser Martyrium dokumentiren könnten. Einen tüchtigen Vollblut-Kampfhahn von Widersacher brauchen wir, damit der Werth unseres Ringens und Streitens in's gehörige Licht gesetzt werde.«

»Napoleon! Sie sind wahrhaftig ein gelungener Mensch! Ja, Sie haben recht – es ist in der That unser größtes Malheur, daß uns Niemand was zu Leide thun mag. Aber wie läßt sich da helfen? Wie kann man Jemanden bewegen, über uns herzufallen und recht unbarmherzig mit uns umzuspringen?«

»Und doch ist es die unerläßliche Vorbedingung eines siegreichen Kampfes, einen Feind zu haben, der sich schlagen läßt.«

»Könnte man nicht irgend einen desperaten Winkelskribenten bestechen, daß er ein Pamphlet gegen uns erscheinen lasse?«

»Das Pamphlet ist eine gute Idee, aber der Winkelskribent taugt nichts. Erstens einmal bleibt ein solcher nicht verborgen und macht uns nur lächerlich. Ferner ist eben kein besonderer Ruhm dabei zu holen, wenn man genöthigt ist, gegen das leere Geschimpf irgend eines Hohlkopfes zu polemisiren. Nein, wir brauchen einen Widersacher, der den Kampf ernst nimmt, der aus Ueberzeugung spricht, in dessen Ausführungen Ideen und Gedanken niedergelegt sind, der ferner im Stande ist, die einmal begonnene Polemik auch mit vollem Feuer und Interesse fortzuführen, der endlich eine gesellschaftliche Stellung einnimmt, die ihn nöthigt, ein strenges Inkognito zu bewahren und sich nicht erkennen zu lassen.«

»Napoleon, sie haben schon einen solchen Mann! Eine den höheren Kreisen angehörige Persönlichkeit? Wie?«

»Ich sage weiter gar nichts. Es genügt, Ihnen einen Wink gegeben zu haben, was ich beabsichtige. Alles Uebrige ist meine Sorge.«

»Napoleon, Sie sind ein großer Mann!«

In welcher Weise Napoleon des Weiteren vorging, mag einstweilen Geheimniß bleiben.

Vierzehn Tage nach der obigen Unterredung erschien bei einem Pester Buchhändler, der in dem Geruche stand, dem ›Großen Orient‹ anzugehören, eine Flugschrift unter dem Titel: »Mene, Tekel, Upharsin!« Die Broschüre erregte allgemeines Aufsehen; die erste Auflage war binnen drei Tagen total vergriffen. Die Schrift bekundete einen von hohen Gesichtspunkten aus urtheilenden Geist. Die Schreibweise war fein ironisirend, dabei aber degagirt; die Richtung des Buches ging entschieden gegen die ultramontanen und konservativen Ideen. Der Autor theoretisirte nicht viel, sondern führte Daten an; er verrieth Versirtheit in den hohen Kreisen der Gesellschaft, gab scharfe Charakteristiken der leitenden Kapazitäten derselben, würzte seinen Vortrag mit pikanten Anekdoten und geflügelten Worten, lüftete hie und da in diskreter Weise einen geheimnißbergenden Schleier, nicht ohne dabei ahnen zu lassen, daß derselbe noch weit mehr verhülle, als er – der Autor – mitzutheilen für gut befunden, und schonte selbst die weibliche Eitelkeit nicht.

Das war nun freilich Wasser auf die Mühle der »Posaune von Jericho!« Das war ein Leons würdiger Gegner. Leon hatte für vierzehn Tage Stoff in Hülle und Fülle. Und er schrieb mit wahrem Feuereifer. Er wies auf das Gründlichste die Gefährlichkeit der Richtung des anonymen Autors nach; führte die Argumentation desselben ad absurdum; demonstrirte seine sämmtlichen Daten als falsch und ertheilte ihm zum Schluß eine energische Lektion über Moral, Pietät und die schuldige Achtung gegen die Frauen. Unter die ganze Philippika setzte er seinen vollen Namen. – Der erste Fall, daß Jemand in der »Posaune von Jericho« unter eigenem Namen schrieb. Die Artikel trugen Bruder Napoleon zahlreiche unschätzbare Händedrücke ein. Doch nach weiteren vierzehn Tagen erschien das »Mene, Tekel, Upharsin« abermals. Ein zweites Heft. Die zweite Folge vertheidigte bereits die idealen Standpunkte und ließ auch den Angreifer derselben nicht leer ausgehen. Bruder Napoleon wurde darin hart mitgenommen. Lebenswahr bis in die kleinsten Details war die lächerliche Rolle gezeichnet, die er übernommen habe. Ein junger Mann, der sich für Geld dazu hergebe unfreisinnige Ideen zu vertreten! Es wurde ihm ganz unverhohlen in's Gesicht gesagt, sein Eifer sei nichts weiter als großartige Hypokrisie und Charlatanerie. Er war als ein Don Quixote dargestellt und seine ganze Position wurde vor aller Welt in der rücksichtslosesten Weise diffamirt.

Als dieses zweite Heft erschienen war, kam Freund Karakan wüthend in die Redaktion gerannt, wo Bruder Napoleon eben die Broschüre aufgeschlagen vor sich liegen hatte und bereits an der Erwiderung arbeitete. »Du mußt Dich schlagen!« schrie Herr Karakan. Er war anzusehen wie ein wüthender Stier.

»Einmal kann ich mich gar nicht schlagen, weil ich ja gar nicht weiß, mit wem? Zum Zweiten kann meines Erachtens ein Kampf der Ideen nur mit Ideen ausgekämpft werden. Und endlich und schließlich ist das Pauken und Raufen überhaupt nicht nach meinem Geschmacke; ich verstehe auch nichts davon; ich bin nie Militär gewesen.«

»Das ist Feigheit,« brummte Freund Karakan vor sich hin. Desto mehr Anklang aber fand diese Antwort Bruder Napoleons bei seinem Chef und den übrigen Mitarbeitern. Jawohl! Den Kampf der Geister mit Waffen des Geistes kämpfen! Das war auch ihre Devise. Drauf denn! Sensen und Knüppel und Gabeln zur Hand! (Wohlverstanden immer nur geistige Sensen und Knüppel und Gabeln.) Sie fielen sammt und sonders über den namenlosen Pamphletschreiber her und droschen ihn, der Ehre des angegriffenen Hauptmitarbeiters zur Sühne, mit geistigen Flegeln so windelweich durch, zerstampften ihn mit geistigen Büffelhufen und besudelten ihn mit geistigem Unflath dermaßen, daß der Mann, wenn er auch nur einen Funken von Schamgefühl im Leibe gehabt hätte, eigentlich gezwungen gewesen wäre, Europa sofort incognito zu verlassen.

Leider hatte man es aber da mit einem hartgesottenen Bösewicht zu thun, der unter der Maske seiner Anonymität durchaus nicht erröthete. Im Gegentheil, nach weiteren vierzehn Tagen erschien ein drittes Heft des »Mene, Tekel, Upharsin.« Durch diese jüngste Folge wurden die beiden ersteren wo möglich noch überboten. Der Autor setzte allerdings den Prinzipienkampf auch mit seriösen Argumenten fort; zugleich aber ließ er sich keineswegs die Gelegenheit entgehen, die Parteigänger der gegentheiligen Meinung an jener Seite zu packen, welche ihre empfindsamste sein mußte: er führte in meisterhaft karrikirten Umrissen die einzelnen Individuen vor, welche der gegnerischen Sache dienen. Selbstverständlich bekam dabei auch von der Redaktion der »Posaune« jeder Einzelne sein gebührend Antheil weg; keiner aber kam so wohl durch und durch gegerbt aus der Lohe, als Herr Kolompy, der Eigenthümer des Blattes selbst.

Das war nun aber denn doch mehr als bloß genug. Herr Kolompy war durchaus nicht der Mann, solche Beleidigungen hinzunehmen. Er strengte einen Preßprozeß gegen den Herausgeber der Broschüre an, da er den Verfasser vorerst nicht zu fassen vermochte. Der Prozeß mußte voraussichtlich von doppeltem Nutzen sein. Erstens versprach er Strafe, also Rache, und zweitens wurde dadurch der Verfasser der Schandschrift entdeckt; denn das litt doch wohl keinen Zweifel, daß der Verleger, sobald er nur erst das halbe Jahr Kerker urtheilsmäßig zugesichert erhält, welches die Anklage gegen ihn verlangte, den Autor zur »gefälligen Verfügung stellen werde.«

Allein was geschah? Es ereignete sich eine eigenthümliche Anomalie, welche übrigens in der Geschichte der Geschwornenstühle mehr als einmal vorzukommen pflegt: der Gerichtspräsident hatte den Geschworenen die Frage vorgelegt, ob in dem inkriminirten Pamphlet eine Ehrenbeleidigung gegen Herrn Kolompy enthalten sei? Die Geschworenen antworteten mit acht Stimmen gegen vier mit »Ja.« Auf die weitere Frage aber: »Ist demnach der Autor oder der Verleger der inkriminirten Druckschrift strafbar?« lautete die Antwort mit zehn Stimmen gegen zwei auf »Nein.«

Hiemit war Herrn Kolompy allerdings das Visum repertum ertheilt, daß an seiner Ehre bedenkliche blaue Flecken und Hautabschürfungen befunden worden; gleichzeitig wurde aber auch dahin diagnosticirt: die Verletzung habe ihm ganz und gar nicht geschadet, er möge sich nichts daraus machen.

Und nun fiel Herr Kolompy über Bruder Napoleon her, er solle sagen, wer der Verfasser jener verwegenen Schmähschrift sei? »Ich weiß es nicht.« »Wie, Sie wissen es nicht? Sie haben es ja doch übernommen, uns einen Gegner zu besorgen, der uns angreifen sollte.« »Je nun, den habe ich ja auch besorgt. Aber deshalb weiß ich noch immer nicht, wer es ist. Ich kenne nur den Verleger. Diesen habe ich angegangen, eine Broschüre in der Richtung schreiben zu lassen. Wen er mit dieser Aufgabe betraut hat, das ist sein Geheimniß. Der Buchhändler ist aber selber auch Freimaurer und ein solcher läßt sich eher die Beine absägen, als daß er ein Geheimniß des großen Orients verriethe.« »Hol der Teufel Ihren Einfall mit der Feindsucherei!« »Aber Sie können ja mit der Geschichte doch ganz zufrieden sein. Seitdem man auf Sie losschlägt, überhäufen Ihre Parteigänger Sie mit Zeichen ihres Wohlwollens. Man schickt Ihnen feine Weine, Wild und Südfrüchte, wie einem rekonvalescirenden Kranken. Die Subventionen fließen reichlicher ein und die Anzahl der Pränumeranten mehrt sich. Sie sind ein gefeierter Mann geworden, Sie sollten das dankbar anerkennen. Wer Rauchfangkehrer sein will, darf den Ruß nicht scheuen.«

Eines war gewiß; wer immer diese Flugschriften machte, – er mußte in den höheren Kreisen Wiens und Budapests vollkommen heimisch sein und mußte alle, weit über das Land hin gesponnenen Intriguen auf das genaueste kennen. Der Verdacht fiel der Reihe nach auf sämmtliche federfähige Magnaten. Im Kasino sahen die Habitués einander allabendlich mit zweifelhaften Blicken an und hüteten sich wohl, das Gespräch auf literarische Dinge zu bringen.

Endlich durchkreuzte ein Lichtstrahl das räthselhafte Dunkel. Der Verleger jener Hefte hatte einen Uebersetzer: der war kein Freimaurer und verrieth demnach einen Umstand, welcher wesentlich dazu beitrug, auf die richtige Spur zu leiten: der unbekannte Autor schickte das Manuskript dem Verleger ursprünglich in deutscher Sprache ein; dann erst wurde es ins Ungarische übersetzt.

Die Aufgabe der Detektiv-Polizei war hiedurch gar sehr vereinfacht: der Autor war ein Magnat deutscher Nationalität.

Und nunmehr lag die Lösung des Räthsels so nahe, daß sie selbst ein Blinder finden mußte. Der Verfasser des »Mene, Tekel, Upharsin« ist kein Anderer als Prinz Alienor von Nornenstein. Diese Entdeckung war gleich der Wasserlinse über Nacht emporgekeimt, in die Breite gewachsen, in Blüthe geschossen. Jetzt auf einmal gab es Leute genug, die sich ganz genau zu erinnern wußten, von dem Prinzen gelegentlich einmal diese oder jene Aeußerung gehört zu haben, welche nun in den Brochüren Ausdruck fand. Er ist ein excentrischer Mensch – es ist ihm wohl zuzutrauen, daß er im Geheimen »schreibt«!

Prinz Alienor war Anfangs betreten, als man ihm die Verdächtigung vorhielt; als er aber sah, daß die Geschichte nichts Gefährliches an sich habe, ließ er den ehrenvollen Verdacht auf sich sitzen und wenn ihm ein Bekannter begegnete, der den Kopf schüttelte, die Augen verdrehte oder mit dem Zeigefinger drohte, so lächelte er geheimnißvoll vor sich hin. Er ließ sich von dem gefährlichen Nimbus des »Mene, Tekel, Upharsin« umdämmern.

*

Wir unsererseits aber nehmen keinen Anstand, dem Verdacht Ausdruck zu geben, daß jene Pamphlete höchst wahrscheinlich Napoleon von Zarkany selber schreibt, um darin so recht nach Herzenslust und Verdienst sich selber die Wahrheit zu sagen.

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