Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Drama in der Luft.

Luftschiffer.
                    O pfadlos Blau, der Lüfte Ocean!
Wo bin ich nun? Wohin führt meine Bahn?
Des Balles Segel schwellen;
Es kann ja nicht mein fester Kahn
An diesem Wolkenriff zerschellen.
Weich' aus! du wesenlos Phantom!
Mich tragen fort auf ihrem Strom
Des Himmels hohe Wellen.
Luftgeist.
Du Erdenwurm, der Lust die zeugend stirbt,
Des Schmerzes Kind, der alle Lust verdirbt,
Du von dem Tod Erkorner,
Der um die Gunst der Stunde wirbt,
In dunkle Ohnmacht ganz Verlorner,
Wie stiegst du nur aus deiner Gruft
Ins mythenlose Reich der Luft,
Du flügellos Geborner?
Luftschiffer.
Die Sterne kreisen, heil'ge Sonnen glühn!
Zu jenen lichten Ufern möcht' ich ziehn!
Könnt' ich dem Staub auf immer
Und seiner Not entfliehn!
Und darf ich hier verweilen nimmer,
Will einen Augenblick ich nur
Mein Antlitz baden im Azur
Und seinem Götterschimmer.
Luftgeist.
Laß ab, Vermessener, von deinem Flug!
Die feuchte Wolke, die dich duldend trug,
Ich könnte jetzt sie schlagen
Um deinen Leib als Leichentuch.
Darfst du dich trotzig aufwärts wagen,
Wo selbst was ewig steigt und schwebt,
Vor grausen Tiefen bangt und bebt,
Und selige Geister zagen?
Luftschiffer.
Der schrankenlose Himmel schreckt mich nicht;
Es stammt der Menschengeist aus seinem Licht;
Es tönt in hohen Weisen
Durch meine Brust das Weltgedicht.
In ihren fernsten Sphärenkreisen
Mißt fehllos des Gedankens That
Der Sterne und der Götter Pfad,
Auf Tag- und Nachtgeleisen.
Luftgeist.
Der Spinne nur im Kerker bist du gleich,
O Tor, von heißer Qual und Mühen bleich,
Von Schuld, die du mußt büßen.
Das unermessne Geisterreich
Wähnst du als Forscher zu erschließen,
Doch wie du grübelst, denkst und sinnst,
Ist Dunst doch alles was du spinnst,
Du mußt in Nichts zerfließen.
Luftschiffer.
Der Menschengeist mit staubgebornem Witz
Wird dich dereinst vom wolkenhohen Sitz
Verdrängen und verjagen.
Er spannt den Sturm, er jocht den Blitz
An seinen Feuerdrachenwagen.
Was ist ihm Raum, und was die Zeit?
Ihn muß in die Unendlichkeit
Empor sein Denken tragen.
Luftgeist.
Zur Schattenwelt hinab und ihrer Qual,
Aus dieser Lüfte nie entweihtem Saal,
Hinweg aus meinen Reichen!
Schon trifft den Ball mein Feuerstral,
Du kannst dem Tode nicht entweichen.
Die Stürme wirbeln dich daher,
So taumle hin! im tiefsten Meer
Mag dein Gebein verbleichen!
Lichtgeist.
Zurück, o Wolkengeist, die plumpe Hand,
Eh' ihn dein jäher Wetterstral verbrannt,
Eh' in des Abgrunds Wogen
Er als ein Traumgebild verschwand,
Um seine Sehnsucht ganz betrogen.
Nein! nieder auf die Erdenwelt
Zu sanften Au'n, ins grüne Feld
Trag' ihn mein Regenbogen.

Was neidest du des Menschenvolkes Kraft,
Wie sich's im kühnen Flug der Wissenschaft
Dem engen Bann vom Leben
Mit wundervoller Kunst entrafft?
Sie gleiten jetzt auf Eisenstäben
Von Berg zu Berg, von Tal zu Tal;
Mit Flügeln werden sie einmal
Auch in den Lüften schweben.

Hoch hebt und höher sich empor ihr Sinn,
Sie schiffen einst auf Wolkenstraßen hin.
O Geist, willst du dich härmen
Um diesen kleinen Erdgewinn?
Wie sich die Eintagsfliegen wärmen
Am Sonnenstral, so laß' nur auch
In Aetherglanz und Himmelshauch
Prometheus' Kinder schwärmen.


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