Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Schloß Neidenburg.

Bei Gelegenheit eines Lichtschirms mit dessen Bilde.

        Die alte Burg der Neide,
Der Heimat Stolz und Freude,
Sie will ich preisen hoch.
Ich bin aus ihrem Turme
Ein Falk, der sich im Sturme
Ins weite Land verflog.

Die Türme, die da ragen
Aus alten Rittertagen
So fest und trutziglich,
Sie waren meine Meister,
Die deutschen Heldengeister,
Die einst erzogen mich.

Ein ahnend Weltbesinnen
War's, das von jenen Zinnen
Mir in die Seele floß;
Was ich gesagt, gesungen
Hat sich hervorgeschwungen
Aus dir, du Vaterschloß.

Ich werd' dich nimmer sehen,
Auf grünem Berg nicht stehen
Am dunkeln Eichenbaum;
Nicht sehn die Wolken reisen,
Die Schwalben dich umkreisen,
Wie sonst im Kindheitstraum.

Ich weil' im fremden Lande;
Doch auch am Tiberstrande,
O Schloß, gedenk' ich dein;
In diesem Bilde sinnig
Rahmt' dich die Freundin innig
Als einen Zauber ein.

Wenn tief der Abend dunkelt,
Belebt sich und es funkelt
Geheimnisvoll das Bild,
Du bist es, lichtumwoben,
Die Lampe still erhoben,
Erinn'rung klar und mild.

Wenn von der Lampe Flimmern
Die hohen Fenster schimmern
Im Schloß in langen Reihn;
Dann in Gedanken steh' ich,
Mit stiller Wehmut seh' ich
In diesen holden Schein.

Dann hör' im Schloß ich's walten,
Seh' wandeln ich Gestalten,
Der Eltern Angesicht;
Ob sie erstanden wieder,
Und grüßen zu mir nieder
Aus dem verklärten Licht.

Wie sich der Blick erheitert,
Das Bildniß sich erweitert
Vom Schlosse wunderbar;
So muß ja alles Leben
Ob seinem Grabe schweben,
Als Lichtbild still und klar.

So steht was Dichter dichten,
Was bildend in Geschichten
Noch durch die Menschheit geht,
So ob der Zeiten Wildniß
Als ein erschimmernd Bildniß,
Wie dieses Schloß erhöht.

So mag die Welt auch glühen,
Der dunkle Erdball blühen,
Und was im Raume kreist,
Und so in stillen Sphären
Zum Lichtgebild sich klären
Vor einem seel'gen Geist.

Rom, 18. Sept. 1865.

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