Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Sicilianische Volkslieder. 1859.

Das Bankett.
                  Bankett, du reizend Bankett,
Prächtiges Bankett und heitres,
Sag' mir nun, sag' die Wahrheit.
Wer hat geordnet dieses Bankett?
Die Mutter des Bräutigams.
Bankett, du reizend Bankett,
Wo nahm der Bräutigam her die schöne Farbe?
Von dem roten Granatenapfel.
Bankett, du reizend Bankett,
Wo nahm doch her die Aehnlichkeit
Der schwellende Busen der Braut?
Vom süßen Apfel.
        O Bauer, wie schön ist dein Töchterlein!
Sie gleicht einer Fahne von Golde.
Zieht in die Nadel die Fäden sie ein,
Scheint es, sie stickt sich Fäden von Golde.
Setzt sie sich nieder zum Webestul fein,
Läßt fliegen das Schifflein die Holde;
Ich Armer, ich Armer bin fern und allein
Ich höre das Rauschen, ob sterben ich sollte.
Palermo.
        Adler, der du stiegst über Meere, Meere,
Warte, ich sag' dir zwei Wörtchen lieb.
Drei Federn aus deinem Flügel will ich nehmen,
Ein klein Briefchen schreib' ich an mein Lieb;
Ganz mit Blut wol will ich es färben,
Setze darein als Siegel mein Herz.
Wenn das Briefchen ich habe gefertigt,
Adler, dann trag' es zu meinem Lieb.
Itala.
        Liebe Schwalbe, die du da fliegest,
    Komm zurück und thu' mir's zu Lieb,
Gib mir 'ne Feder aus deinem Flügel,
    Daß ich mag schreiben an mein Lieb.

Hab' ich geschrieben, gesiegelt,
    Und im Briefchen alles erzählt,
Liebe Schwalbe, dann geb' ich dir wieder
    Die Feder, die am Flügel dir fehlt.

Hab' ich's geschrieben auf Golde,
    Und sind es der Zeilen genug,
Liebe Schwalbe, dann geb' ich dir wieder
    Deine Feder und deinen schönen Flug.

        Die Amsel, die macht sich im Strauch ihr Nest,
Da muß sie leiden von Stacheln und Dornen;
Am Acker baut sich die Lerche fest,
Da muß sie leiden von Schlangen, Scorpionen;
Die Schwalbe am Dache man bauen läßt,
Da muß in dem Frost sie und Winde wohnen;
Ich aber, ich baue mein warmes Nest
Am weißen Busen von meiner Patronin.
Termini.
        Gestern Abend ging ich aus Messina,
Mit der Sonne war ich in Milazzu;
Hört' die Messe schon in Taormina,
War zur Essenszeit schon in Randazzu.
Scholl das Vesperglöckchen in Traina,
Hört' ich's schlagen Zwei in Castellazzu,
Und das Ave läuten in Jaci Catina:
Sieh', aus Liebe welche Wanderstraße!
Aci.
        Sara, Sarella, wach' auf, weil es taget,
Höre der Nachtigall süßen Gesang!
Unter dem Fenster im Garten sie klaget,
Da breiten sich gülden Orangen entlang.
Kommet ein Vogel, der zimmert sein Nestchen,
Und baut's mit drei Federn von Gold.
Kommet das Mädchen und nimmt sich ein Junges
Und setzt's in den Käfig von Gold.
Du bist der Käfig mit goldenen Spangen,
Ich bin das Vöglein, hier bleib' ich gefangen.
Aci.
        Schöne, denn unter den Schönen bist du ein Phönix,
In meinem Herzen hast du entflammt eine Lampe.
Du bist von den Herzen die Kaiserin,
Und wer dich sieht, muß närrisch weiter leben.
Was in der Welt man saget und lieset,
'S ist ein Fünkchen vor deiner Flamme.
Käme der Vater, der dich gezeugt, er könnte
Dich schaffen nicht mehr; er verlor das Gepräge.
Raffadali.
        Mutter, zur Quelle nicht schick' mich allein,
Sind dort die Knaben, die mich erschrecken.
Auf der Straße entfiel mir ein Linnen fein,
Da that ein Knabe die Händ' ausstrecken;
Der sagt': wie ist dein Antlitz so lieblich und fein,
Mit viel Küssen wol wollt' ich's bedecken;
Faßt' ich im Dunkeln allein dich, mit Schrei'n
Alle die Heil'gen wol würd'st du erwecken.
Mineo.
        Liebreizend, o Mädchen, sind deine Manieren,
Die Lippen vollkommene Mandeln sind.
Gott hab' ich gebeten, er woll' es gewähren,
Daß ich könnt' schlafen im Arm dir, o Kind.
Die Nächte, bat ich, sie möchten mir währen,
So lang wie zwei Tage des Sommers sind.
O selig die Linnen, die also die Glieder
Die zarten und süßen umfassen gelind.
Syrakus.
        Mir träumte die Nacht: wir lagen als Leichen,
Und über uns machten sie Anatomie,
Da kamen die Aerzte aus allen Bereichen,
Da kam auch der Meister der Chirurgie.
Sie kamen mit Messern und spitzigen Eisen,
Sie schnitten die Brust auf so mir, und so dir:
Sie starben vor Schreck, es that sich erweisen:
In dir lagen zwei Herzen, und keines in mir.
Vizini.
        Mich treibt über Meer die bittere Qual,
Weit, weit da erreicht dich nimmer die Kunde,
Die Sterbeglocke nicht einmal,
Nicht einmal das Grab im Grunde.
Ich lass' dir dies Sternlein zum Signal:
Ist es verloschen, dann weine zur Stunde.
Aetna.
        Die du wohnest beiseit der Marine,
Wol hält dich das Meer so frisch und so schön,
So frisch wie die Rose und Balsamine,
Weil thauige Wind' ihr den Busen umwehn.
Du verdienst zu sein die Königinne,
Die Patronin von vier Castellen schön,
Rom, Palermo, Neapel, Messine,
Wo die großen Cittadellen stehn.
Aci.
        An das Fensterlein sollst dich nicht stellen,
Denn sehn dich die Männer, sie sterben vor Qual;
Die braunen Haare sollst du nicht flechten,
Wie eine Rose laß sie nur flattern zumal.
Kommet der Wind, und macht sie entblättern,
Und güldner als Gold erglänzen sie all.
Stehst du am Fenster, beginnst du zu spindeln
Ziehst mit den Augen den Liebsten du an.
Aci.
        Schöne, Sonntags bist du eine Fee,
Am Montag eine Göttin vom Paradies,
Am Dienstag ein Engel aus Himmelshöhn,
Am Mittwoch strahlt dein liebstes Gesicht,
Am Donnerstag bist du ein flammendes Schwert,
Am Freitag stehst du in Jubel und Licht,
Sonnabend, das ist der letzte Tag,
Da woll'n wir sterben und gehn ins Paradies.
Catania.
        Einen Adler seh' ich fliegen, fliegen,
Einen Flügel nur zeigt er allein
Von Demant voll und von Rubinen:
Bis über den Abend erglänzet der Schein.
Ihn lockten die Kön'ge, lockten die Prinzen
Vergebens, sie fingen ihn nimmer ein.
Ich stoß' einen Pfiff aus, ich treuer Gebieter:
Da kommt er herunter, der Adler ist mein.
Ribera.
        Heiliger Engel, wardst du Eremit?
Willst ans Fensterlein nicht kommen?
Kommst du, wird lebendig mein Gemüt,
Ist mir alles Leiden gleich benommen.
Wie die Rose bist du, die erblüht
Ganz in Blumen steht erglommen;
Ich das Eisen, du Magnet, der zieht,
Ohne Zügel ziehend mich hingenommen.
Termini.
        Als ich noch klein, hab' ich als Nachtigall
In deinen Locken, Mädchen, geschlagen,
Verhaßt war der tagende Sonnenstral,
Der Mond mir so lieb, du weißt's zu sagen.
Nun muß ich wandern mit traurigem Schall,
Als Eule der Nacht, und klagen, klagen.
Wird kommen ein Tag, und werden zumal
Wir Halme mitsammen zu Neste tragen?
Ständchen aus Monte Maggiore.
Wiegenlied.
                Rudre Schiffer, rudre weiter,
Denn der Himmel ist nicht heiter,
Weil der Schlaf ist kommen so,
Mach' dir ninna, mach' dir .

Die Buntvöglein fest und fester
Hüllen sich in ihre Nester,
Weil der Schlaf ist kommen so,
Mach' dir ninna, mach' dir .

Seine Augen schlafverdrossen
Hat das Schäflein halb geschlossen,
Weil der Schlaf ist kommen so,
Mach' dir ninna, mach' dir .

Die verliebten Ringelschlangen
Sind schon all' zu Bett gegangen,
Weil der Schlaf ist kommen so,
Mach' dir ninna, mach' dir .

Kaum will's Bächlein leise lallen,
Nacht ist auf den Bergen allen,
Weil der Schlaf ist kommen so,
Mach' dir ninna, mach' dir .

In dem Tal das liebe Veilchen
Hängt das Köpfchen schon ein Weilchen,
Weil der Schlaf ist kommen so,
Mach' dir ninna, mach' dir .

Für mein Liebchen saugt die Biene
Honig aus der Gelsumine,
Weil der Schlaf ist kommen so,
Mach' dir ninna, mach' dir .

Patti.
        O Sonne, welche Macht kannst du ergießen,
Läß'st dir in's Antlitz von niemand sehn;
Wag's wer, die Augen ihm thust du schließen,
Da blickt er zur Erd' und muß weinend stehn.
Der Hügel prahlt mit den Blumen, die ihm entsprießen,
Die Taube mit dem Schnabel und Flügelein schön;
Ich prahle mit dir, o du Süße der Süßen,
Wenn in die Kirche zur Hochzeit wir gehn.
Monte Maggiore.
        Quelle der Schönheit, krystallene klare,
Denn wer daraus trinket, behält es im Sinn;
Du bist die Tochter des Grafen Mazzara,
Denn schönere Schönheit findet man nicht.
Kommst du gegangen, der Himmel wird klare,
Die Sonne, sie scheint, es legt sich der Wind
So viel um den Oelbaum Zweige sich schaaren,
In so viel Wünschen im Herzen trag' ich dich, Kind.
Messina.
        Ich wollte fliegen, kann nicht von der Stelle,
Denn mein Geliebter hält mich am Band.
Ich wollte berühren die rauschende Welle,
Die Straße, die Sterne und Himmel und Land.
Ach! hätt' ich hundert Augen zum Sehen helle,
Ach! hätt' ich tausend Herzen, dir zugewandt!
Aci.
        Ich sah am Himmel zwei Feuer entbrennen,
Zwei schöne Sternlein, die sah ich dort ziehn.
Das eine der Sternlein, nicht konnt' ich's erkennen,
Ein Stral von der Sonnen das andre mir schien.
O Säule des Domes, so will ich dich nennen,
O Banner des Festes, drum Rosen erglühn!
Es wird unser Lieben sich scheiden und trennen,
Wenn um die Weihnacht der Juni wird blühn.
Mineo.

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