Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Abschied von Corsica.

Der Fremdling.
          Du wilder Cors' vom Berg, was träumest du
Am alten Oelbaum hier in dumpfer Ruh,
Und streckst dich hin den Doppellauf im Arme
Und starrst so in die Luft, die flimmerwarme?
Im grauen Turme weint dein hungrig Kind,
Es singt Lament dein Weib und spinnt und spinnt,
Und klagt, daß ohne Ende die Beschwerde,
Die Kammer leer, das Feuer todt im Herde.
Doch du, dem Falken gleich, hockst auf dem Stein,
Verschmähst im Tal das goldne Korn zu streun,
Und auszusä'n den grünen Pflanzensegen
Und Rebenwuchs, ein wohnlich Haus zu pflegen.
Schau' hier hinab, wie sich die Ebne dehnt
An blauen Bergen sonnig hingelehnt,
Und sich zum Meere lachend niedersenket,
Ein Paradies von Bächen übertränket.
Doch wuchert drauf nur strupp'ger Albatro,
Der Myrtenstrauch der weiten Herrschaft froh,
Das Farrenkrant und Cytisus und Haide,
Schwarzhaar'ger Ziegen sommerliche Weide.
Träg schleicht der Golofluß hinab zum Sumpf
Dem schilfbewachs'nen, der die Luft macht stumpf
Und fieberfeucht und langsam zehrt am Leben
Des Fischers, dem er seinen Fisch gegeben.
Und wenn der Wandersmann das Feld durchirrt,
Wird er vom Haidevogel nur umschwirrt,
Und stößt auf Trümmer nur und Mauerhallen
Von Römerstädten, die zu Staub zerfallen.
Auf denn, du Cors', aus deiner trägen Rast,
Und steig' herab, und flink die Axt gefaßt,
Den Spaten und den Karst, und bau' die Erde,
Daß sie ein fruchtbedeckter Garten werde.
Der Corse.
Du Fremdling, dessen Väter einst ich traf,
Bei Calenzana senkt' in ew'gen Schlaf,
Was störst du meine Ruh? – Zweitausend Jahre
Schon kämpft' ich, schlachtenvolle, freudenbare,
Und hielt zweitausend Jahre ringend Stand
Dem Feind', der überzog mein Inselland.
Am Col di Tenda hab' ich sie geschlagen
Die Römer, deren Spur die Felder tragen;
Carthago's Hasdrubal traf ich am Meer,
Zerstreut' wie Samen das Etruskerheer.
Der Maure drang in meinen Golf nach Beute,
Er schleppte Weib und Kind mir in die Weite,
Und warf ins Haus den roten Feuerbrand;
Doch faßt' ich ihn und rang und überwand.
Und wieder hört' das Muschelhorn ich schallen,
Wenn neu der Feind mir in das Land gefallen,
Lombard' und Türke und der Aragon.
Und floß mein Blut in hellen Bächen schon,
Und sah in Asche ich mein Dach zerstieben,
Ich weinte nicht – mir war die Freiheit blieben.
Da kam der Genues' – o schwerer Fluch!
Italia ihr Kind in Ketten schlug.
Schaust du mein Land und klagst, daß es so wüste,
Die Fluren öd' und leer die Hafenküste,
Das Dorf von Epheu grün und halbzerstört,
So wiß, der Genuese hat's verheert.
Hörst du am Golf die Mandoline schlagen,
Des Vôcero gedehnte Laute klagen,
Und wunderst dich, daß trüb' stets der Gesang,
Wiß, daß der Genues' ihn so erzwang.
Hörst du den Flintenschuß im Berge hallen,
Siehst du ins dunkle Blut das Opfer fallen,
Und schauderst ob der Rachlust unerhört,
Wiß, daß der Genuese sie gelehrt.
Und wisse nun, was wir gelitten haben.
Doch hab' ich Genua das Grab gegraben,
Und siehst du sie dereinst so sag': Ich sah
Das Corseneiland, Grab von Genua.
Wild war der Kampf und grausig sonder Ende,
Der Kaufmann gab mein Land in Frankreichs Hände,
Als wie ein Gut, das man ersteht um Geld,
Und ruhig sah es an die feige Welt.
Du Fremdling hör', an Pontenuovo's Bergen
Erlag ich wund den fränk'schen Freiheitschergen,
Und weint', und schleppt' mich wie ein blutend Wild
Die Felsen aufwärts von dem Schlachtgefild.
Nun bin ich müd' – solch' Kämpfen macht ermüden,
Drum gönn' die Rast mir in des Oelbaums Frieden.
Der Fremdling.
Nicht wollt' mein Mund ein bitter Wort dir sagen,
Mitfühlend nur dein Fluchgeschick beklagen,
Du Vorkampf-Streiter, blutig, schlachtenmüde,
O Sohn des Todes und der Eumenide!
Nun ruh'! weil du Europas lange Nacht
Allein auf deinem Felsen hast durchwacht,
Und hast allein um Mannes Gut gerungen,
Als in der Welt sein Name war verklungen.
Hab' einen Ruf gehört von deinen Ahnen,
Von Pasqual Paoli ein ernstes Mahnen,
Als ob dem rost'gen Heldenangedenken
Mein lebend Wort sollt' neues Leben schenken.
Und war es oft ein blutig dunkles Schauern,
Und war es oft ein tiefes Seelentrauern,
Das hier mein Herz im Innersten gerührt,
Hat's doch vom Heldengeist den Hauch gespürt;
Hat's doch von deinen liederreichen Klagen
Den hellsten Glockenklang hinweggetragen.
Und wie ich saß dem Riesenfels zu Füßen,
Und sah den Wildbach frei durch Wolken schießen,
Fühlt' ich aufs Haupt die Aeterschale gießen
Natur mir, neu den Sinn zum Licht erschließen.
Im Land des Todes war ich nun zu Gast,
Und kehre heim mit dem Olivenast;
Froh schwingt der Pilgrim das geliebte Zeichen,
Weil's gute Geister ihm gewährend reichen.

Leb wol, du Corse, da auf regen Wellen
Die Segel meines Wanderschiffes schwellen.
Hab' Gottes Lohn für deiner Früchte Gabe,
Für gastlich Obdach und des Weines Labe.
Mag Jahr um Jahr dein fetter Oelbaum tragen,
Dein Garten nie die Lese dir versagen.
Auf goldner Aue reif' dir Mais genug;
Aufzehr' die Sonne deiner Rache Fluch,
Daß einst vor ihrem Antlitz trocken werde
Dein Heldenblut auf deiner Heldenerde.
Hoch wachs' dein Sohn den starken Ahnen nach,
Die Tochter keusch wie deines Berges Bach;
Halt' zwischen sie und feile Frankensitten
Granitner Felsen Schanze stets inmitten.
Leb, Eiland, wol! mag nie dein Ruhm verschwinden,
Der Väter Tugend laß im Enkel finden;
Daß nie ein Gast auf deinen Bergen klage:
»Sampiero's Heldensinn, du wardst zur Sage!«


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