Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Vôcero
eines Mädchens auf den Tod ihrer zwei Brüder, welche an einem Tag erschlagen wurden.

(Gemischter Dialekt von diesseits und jenseits der Berge.)
(Die Schwester singt:)
                O das Pralen nun von Piero,
O das Großthun von Orazio!
Eine große Wüste machten
Sie bis hin nach San Brancazio.
Satt ist nun von unsrem Blute
Der Michele und der Orazio.

Tod, o Tod, wie bist du so schwarz doch,
Weil dies Leiden uns überkommen,
Denn ein Haus ein volles hast du
Bis aufs Nest-Ei ausgenommen.
Haupt des Hauses nun zu bleiben,
Soll das mir Verwaisten frommen?

Ich alleine von allen Frauen
Bin am Feuerherd gesessen,
Ueber meine fünf Gebrüder
Hab' ich Herrenrecht besessen –
Aber nun ist ja die Herrschaft
All verloren, all vergessen.

Anziehn will ich die Faldetta,
Will mich ganz mit Schwarz betrüben,
Weil kein Hauch von keiner Freude
Mir im Herzen mehr ist blieben,
Wegen meiner fünf Gebrüder,
Vater und Mutter, das sind sieben.

Und nach Asco will ich schicken,
Schwarzen Kienruß will ich haben,
Ganz in Schwarz will ich mich färben
Wie die Federn sind vom Raben;
Steigen und sinken soll mein Leben,
Wie die Regenflut im Graben.

Seht ihr nicht wie meine Augen
Als zwei Quellen mir überwallen?
Um die zwei vielsüßen Brüder,
Die in einer Stunde gefallen.
Nun zu thun die Glocken haben
Für zwei Todte zu erschallen.

Du mein Ball von rotem Golde,
Du mein Ring von Demantsteine,
O Piero, du meine Wonne,
Und Ora um den ich weine.
In die Kirche von Tallanu
Gehet Keiner mehr so feine.

Und um euch, o Herr Curate,
Muß ich bitter mich beklagen,
Weil ihr euch zu meinem Hause
Also undankbar betragen.
In drei Jahren waren es sieben,
Die aus ihm ihr fortgetragen.

Bis ans Ende von der Gassen
Will ich gehen mit euch hernieder,
Und die Augen senk' ich weinend,
Kehr' nach Hause weinend wieder.
Und das sind die letzten Gänge
Für die todten fünf Gebrüder.


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