Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Syrakusisches Fischermärchen.

                 

Alle Winde gingen schlafen
An dem Strand von Syrakus;
Tiefe Nacht im weiten Hafen!
Magisch funkelt Hesperus,
Ueber bleichem Berggestade
Gießt der Mond von seinem Pfade
Auf das Meer den Silbergruß.

Und der Fischer stößt vom Lande,
Speer zur Hand und Fackelglut,
Eilt vom trümmervollen Strande
Durch die märchenstille Flut.
Wie mit Flüstern und mit Gaukeln
Seinen Kahn die Wellen schaukeln
Wird ihm zaubersam zu Mut.

Wo durch grauer Brücke Bogen
Auf Papyrusschilf daher
Kommt der Anapus gezogen,
Hemmt das schlanke Schifflein er;
Blickt empor zum Sterngeflimmer,
Schaut die alten Säulentrümmer,
Und er blickt ins dunkle Meer.

Weiße Frauen sieht er schweben,
Welche Purpurglanz umquillt,
Sieht sie flink geschäftig weben,
Dunkelfüßig, bleich und wild,
Um ein herrlich schöngestalt'es,
In dem Meer versunknes, altes,
Wundersames Venusbild.

Und es schlingen rasche Reigen
Um das weiße Bild die Fei'n;
Doch der Fischer starrt mit Schweigen
Träumerisch ins Meer hinein,
Süßen Fabelklang im Ohre,
Wie es wellenauf im Chore
Flötet Zanbermelodein.

Chor.

In des Vaters ambrosischen Fluten
Schlummre, Cythere, du seliges Bild;
Die Welle sie rauscht und sie schwillt,
Sie löscht nicht die ewigen Gluten.

Stimme.
Nikias kam mit hochbordigen Schiffen
Um Plemmirion's bräunliches Cap;
Sie schlugen die Schlacht an den zackigen Riffen,
Da sanken die Streiter zur Tiefe hinab.
Die Helden alle, ich sah sie vergehn,
Versinken im Hafen die Blume Athen.

Wie braute die Flut durch den zischenden Sund hin,
Vom Blute der stolzen Hellenen so rot!
Viel funkelnde Beute warf uns zum Grund hin
Der schmetternde, eisengepanzerte Tod;
So Lanzen, wie Schilde, Schiffschnabel und Mast,
So Helme wie Häupter am Haare gefaßt.

Wir zogen hinab die Jünglinge schnelle,
Wir küßten manch bleiches Menschengesicht;
Wir kühlten die Wunden mit lauterer Welle,
Und weckten die Todten zum Leben doch nicht.
Wir senkten in fasrige Gräser sie ein;
Da ruht im Grunde ihr weißes Gebein.

Chor.

In des Vaters ambrosischen Fluten
Schlummre, Cythere, du seliges Bild;
Die Welle sie rauscht und sie schwillt,
Sie löscht nicht die ewigen Gluten.

Stimme.
Und plötzlich entstürzte mit brausendem Schwalle,
Venus vom Schiff in den Ocean,
Es stralten die Glieder, die schönen, im Falle,
Sie zog in die Tiefe gleich einem Schwan.
Wir flohen erschrocken mit gellendem Schrei,
Sie tauchte hinunter, und rauschte vorbei,

Und wurzelte fest in dem quellenden Sande,
Dort ankerte ein sich ihr rosiger Fuß;
Wir schlugen umher die kristallenen Bande,
Poseidon bewahrt sie im sichern Verschluß;
Ihm kehrte herunter ins Vatergefild
Die Perle des Meeres, das süße Gebild.

Wir Töchter des Nereus bewachen und hüten
Den köstlichen Schatz, die versteinte Gestalt;
Wir schmücken sie schön mit phosphorischen Blüten,
Wir dienen als Nymphen, als Grazien ihr bald.
Die atmende Welle sie wieget sie ein,
O lauschet, ihr Schwestern: wann regt sich der Stein?

Chor.

In des Vaters ambrosischen Fluten
Schlummre, Cythere, du seliges Bild;
Die Welle sie rauscht und sie schwillt,
Sie löscht nicht die ewigen Gluten.

Stimme.
Nicht regt sich die Schöne, dort oben gefallen
Sind lang' die Altäre worauf sie verehrt.
Es liegen in Trümmern die farbigen Hallen,
Gestalten, Gesimse und Säulen zerstört.
Es sauset der Wind um die ächzende Wand;
Der Tempel der Liebe auf Erden verschwand.

In düsteren Kammern, in lastenden Mauern,
Wo manches blut'ge Gebilde steht,
Da wirft sich der Mensch mit gespenstigem Trauern
Vor Leichen darnieder zu dumpfem Gebet.
Sie trugen aus Grüften den Moder zu Hauf,
Sie scharrten den Orkus, den grausen, sich auf.

O wecket sie nimmer die holde Cythere,
Hier träumt sie den alten elysischen Traum.
Nicht hebt sich die Göttin aus wölbendem Meere,
Die Wonne der Erde geboren aus Schaum.
Wir klagen herauf das äolische Lied:
O Blume der Schönheit, wie bist du verblüht!

Chor.

In des Vaters ambrosischen Fluten
Schlummre, Cythere, du holdes Bild;
Die Welle sie rauscht und sie schwillt,
Sie löscht nicht die ewigen Gluten.


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