Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Nettuno.

                      Seid mir, lateinische Segel, gegrüßt, ihr Lüftchen des Meeres,
Seid mir wonnegegrüßt, und du Cap der Homerischen Circe!
Wollust ist es zu schau'n dich, Spiegel der himmlischen Sterne,
Heiliges, ewiges Meer, von dem Odem der Götter bewegtes,
Wieder zu wohnen im Hause des gastlichen Vaters Neptunus,
Wo er umbraust, volltönend, versunkene Städte und Völker,
Rollend im Sand mit den Muscheln gemengt die Paläste der Kaiser,
Antiums Pracht, jetzt Kies und verwaschene Splitter des Marmors.

    Aber es pranget um mich ein in Farben gemaleter Festsaal,
Mir Herberge des Meers in dem wirtlichen Städtchen Nettuno.
Wol nicht siebzig der Schritte, und Achtzig sie reichten ihn ab nicht,
Schreit' ich entlang die verwilderte Pracht schon gilbender Wände,
Einsam hier im Palaste; der Donna Olympia eh'mals
Lusthaus war er, so oft sie dem Hasse der Römer entzog sich,
Oder Pasquino's Witze, die Messalina des Papsttums.
Und noch staun' ich dem Bild, das zeitengeschwärzt in dem Saal hängt,
Wie hochfahrend das Haupt vorstolzt aus riesiger Krause,
Prunkend im Machtdiadem, und es starrt das brokatene Kleid ihr
Blitzend von Perlen, des Volks Blutstränen, von Zähren des Papsts auch,
Welchem, dem Schwächling, sie Sanct-Petri Schlüssel entwandte,
Gierig den Staat einscharrend in eigene Truhen, die Arge.
Doch nun gähnt schon öde die wölbende Pracht hier, hohnvoll
Stoßen die Wind' in das Haus, die posaunenden Stöße der Fama,
Daß im gespenstigen Schreck ich des Nachts auffahre vom Lager.
Dann wenn tosend das Meer zu den klirrenden Fenstern emporspritzt,
Oder die Thür' aufklappt, kein Schloß ja schließet die lose,
Dann ach! rauscht es hervor, ja Donna Olympia mein' ich
Wandeln zu seh'n, wie das Volk Trasteveres sie noch immer
Sieht umirren des Nachts, Macbethischer Lady so ähnlich.
Aber entschwinde du Geist, da hold mich Leben umgaukelt.

    Glanzvoll prangen dir, Rom, stolzwandelnde Frauen im Corso,
Doch der Natur Todfeindin, der Zeit schamloseste Tochter,
Mode, sie hat des Gewands sie der Mütter entkleidet, der Zucht auch;
Beute den Galliern fiel ach! mehr als Mauer und Stadt dir.
Aber an Latiums Strand blühen still in der hegenden Wildniß,
Schön, Wildblumen sie selbst, wie die purpurnen Kinder der Flora,
Mädchen, in erblichen Schmuck seltsamer Gewänder sich kleidend,
Anmutsvoll, phantastisch wie Wesen entferntester Vorzeit.
Dich doch preis' ich vor Allen, das schönste der Mädchen des Strandes
Bist du, würdig zu schmücken als Lotosblume das Lied mir.
Trittst du plötzlich hervor zu Gefallen dem staunenden Fremdling
Hoch in dem dämmernden Saal, aufrauschend in purpurner Seide,
Dann Prinzessin begrüßt er und Donna Olympia gleich dich,
Classischer dann dich Circe, die Göttin des bläulichen Bergs dort.
Denn nicht prächtiger wob die Ulyssische Zauberin vormals
Magisch Gewand, meerpurpurnes, schön sich mit tönendem Schiffchen,
Als um die Glieder dir's fließt, holdseliges Mädchen; hinabwärts
Wallet der Sammt, wie Gewölk tiefflammenden Abends, am Saume
Strotzt viel künstliches Gold zu den rosig beschuheten Füßen.
Stolz um die Schulter, und neidisch gefaltet, das seidene Wamms auch
Blühet dir rot wie die Blume des feuerumknospten Granatbaums.
Doch mit zu vielen der goldenen Riegel versperrte den Busen
Amor. Ach! der gefangene Schalk aus gitternden Spangen
Lacht er hervor, und er rüttelt und zerrt an dem wohnlichsten Kerker.
Dreifach selige Kette, wie schlingt um den Hals sie sich dreifach
Dir von Korallen, es taumelt daran das geheiligte Bildniß
Eines gemarterten Manns, der hier noch selber im Bilde
Ueber den Hals dir, o Pein! fortsetzt die unsterbliche Quälung.
Doch ums blühende Haupt, weit vor ums lachende Antlitz
Feierlich wölbt sich, brokaten, und silbergereifet das Kopftuch,
Fünfzehn kostet's der Scudi! ein Tabernaculum dünkt mir's,
Das der Madonna süßes Gesicht umschirmet, es reichen
Knieend die Liebenden ihr viel Blumen und Herzensgeseufz' dar.

    Glücklich das Männergeschlecht, dem hier in den Scherben der Häuser
Hold aufzieht die Natur so köstliche Blüte der Frauen,
Dem in der Eos Farben die Sitte der Mütter sie kleidet.
Nicht wie voreinst in der rauheren Zeit, sie meldet die Burg noch,
Wo im Gestrüppe des Ginsters die Eisenbombarde einschlief,
Raubt von dem Strand in das Schiff sich hier der Corsare die Jungfrau'n,
Lüstern, des Meers Satyr, fortschleppend die schreiende Schöne,
Haremsbeute für Tunis und Wonne des tanzenden Bagdad:
Sondern es blühet der Spiegel des Meers von lateinischen Segeln,
Und von der flimmernden Frucht lacht rings das arkadische Ufer.
Herbst ist's nun, es verblühen die Rosen, es schweigt Philomele,
Aber die Grille sie singt, die genügliche Freundin Apollos,
Unter dem Mastixstrauch, und es ragt der gewaltige Schaft noch
Später Agave hervor, den Sirenen ein blumiger Leuchtturm.
Schön dann wandelt es sich beim Gelispel der kreiselnden Welle
Ueber den weichlichen Sand, wenn rosiger Dämmer das Meer füllt.
Sieh' dort Antium glüh'n! einst marmorne Wiege des Nero,
Tron einst jenes Apoll, des unsterblichen Lenzes der Bildkunst,
Welchem der deutsche voreinst den bewundernden Hymnus aussann;
Tron auch dir, o du rasche Fortuna! es brachte Horaz hier
Köstlichen Lieds Weihguß in der goldenen Schale dir dar einst.
Doch schnell rollte das Rad, und die wuchtige Speiche zermalmte
Antium hier, dein eigenes Haus auch, ach! und Rom auch.
Endlos rauscht wie des Meers einförmige Rhythmen die Zeit fort,
Ewig im Gleichtakt fort, gleichgültig das Leben entrafft sie;
Dann hebt still aus ihr wehmüthiger Sage Gestalt sich,
Schön wie der Circe Gebirg, das dort in den Fluten, o seht es,
Ein Amethyst aufsteigt mit den zauberisch stralenden Zinnen.
Seitwärts aber dem Berge, mit Schwermut schaut es der Deutsche,
Schwebt in der Flut einsam, wie in Wellen der sterbende Schwan schwimmt,
Flimmernd ein Schloß, Asturas Turm; du Deutscher bewein' es:
Circe verlockte in Kerker und Tod dort Konradin vormals,
Als er von Scurcolas Feld in entsetzenbeflügelter Flucht her
Flatterte, Enkel des schwäbischen Aars; ihn griff an der blonden
Blutenden Schwinge der Feind sich hier, an Neapolis Golf dann
Schleppt' er von dannen den Armen, das Haupt ihm warf in den Sand er.
Sieh', nun glühet der Turm wie Blut, und es blutet das Meer nun
Tief; doch Helios wirft dort still von dem Haupte hinab sich
Lächelnd die Krone der Welt und das blitzende Scepter ins Meer schon.
Nacht wird's nun: doch immer die Augen gewandt zur Circe
Sitz' ich von Flügeln umwölbet des Traums und der herzlichen Sehnsucht.
Viele, Italia, zogst du in's Grab hinunter, o Circe,
Zauberin, viele der Deutschen mit herzabschmeichelnder List dir.
Aber ich schöpfe vom Meer mir fromm viel heiligen Weihguß,
Rückkehr hoffend, zur Spende den Todten, und dir, o Minerva,
Daß du mir sendest das Schiff, Ausrüsterin einstiger Heimkehr.

Nettuno, im September 1855,
im Palast der Donna Olympia Maldacchini, jetzt Borghese.

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