Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Festgedicht,

vorgetragen bei der Schillerfeier in Rom am 10. November 1859.

            Die Feierglocke war er in dem Dome,
Den Deutschlands ernste Denker aufgebaut.
Sie hallte mächtig ob dem Zeitenstrome,
Da kaum der Freiheit Morgen noch gegraut.
Die Menschheit rief sie mit Prophetenstimme,
Daß sie der Wahrheit steile Bahn erklimme,
Und Liebe war ihr seelenvoller Laut.

Kühn trat er auf des Lebens Sonnenhöhen,
Die Harfe der Begeist'rung in der Hand;
Da überschauerte wie Frühlingswehen
Sein Jugendhauch das ganze Vaterland;
So sang er seine Wonnen, seine Klagen,
So sah er schön're Zukunft-Welten tagen,
Indeß die dumpfe Erdenwelt ihm schwand.

Ach! Liedes Hauch kann nicht die Welt bewegen
Die bleiern schwer des Schicksals Ring umflicht;
Ob glühend sich des Dichters Pulse regen,
Es leiht von ihm die Zeit die Schwinge nicht.
Ein Sehnsuchtstraum, ein Geist aus fremder Sphäre,
So schwebt ob dieses Lebens ödem Meere
Nur als ein Irisbogen das Gedicht.

Was auch der Genius Großes mag erzeugen,
Ob er Herakles' Müh'n auch überbot,
Die alte Hydra wird der Nacht entsteigen,
Gemeinheit bleibt der herrschende Despot.
Was frommt es ihm, der Götter Wort zu sprechen?
Er muß die Tafeln des Gesetzes brechen,
Im Zorn, daß er dem Unverstand sie bot.

Doch nein! die heiligen Ideale siegen!
Kein schaffender Gedanke wird zerstört.
Mag auch der Held dem Irdischen erliegen,
Vom Feuer seiner Leidenschaft verzehrt:
Die Erde glühet doch von seinen Gluten,
Es erben seine Opferthat die Guten,
Und schwingen fort sein geistig Flammenschwert.

Ihn waffnete sein Gott mit einem Strale
Des Himmels, der sich seinem Blick erschloß;
Bewehrt mit heiliger Entrüstung Stahle,
So schwang er sich auf's flügelfrohe Roß.
Ein Perseus schwärmt' er in des Aeters Lüften,
Er stieß dem Lindwurm in der Lüge Grüften
In's finstre Herz sein flammendes Geschoß.

O heißer Kampf um die verfälschte Wahrheit!
Seht dort des Schmerzes schwermutvollen Zug
In seinem Seherangesicht, voll Klarheit:
Die Spur der Geistesschlachten, die er schlug!
Doch an der Stirn, so hell vom Himmelsahnen,
Erkennt die Götterschwinge des Titanen,
Die ihn in's Ewige hinübertrug.

Ja! Deutschlands Genius! gleich jenem schönen,
Aus dessen Füllhorn alles Edle quillt,
Dem Gotte gleich der herrlichen Hellenen,
So hat auch er der Menschheit sich enthüllt.
Wie viel der deutschen Geister gingen, kamen,
Heut' tragen stolz sie freudig Schillers Namen,
Und kleiden sich in sein erhabnes Bild.

Und sieh', so weit des Sängers Lieder schallen,
Da fügt sich heute Hand zu Bruderhand;
Da sieht man sie in Festeszügen wallen,
Ein Jubelchor das ganze deutsche Land.
Da bricht die Liebe mächtig ihre Dämme,
Da schlingt um alle Städte, alle Stämme
Der Genius der Eintracht stilles Band.

Fern liegt die Heimat, deren Ruf wir hören,
Die blut'gen Alpen zwischen uns und ihr.
O wären bei den deutschen Bruderchören
Am Donaustrand, am schönen Rheine wir!
Getrost! wir schließen froh auch unsern Reigen,
Im wälschen Land von deutscher Treu' die Zeugen,
Das deutsche Vaterland, es ist auch hier.

So feiern wir auf Roma's Weltruine
Bedeutsam eines deutschen Dichters Tag,
Auf dieser heil'gen Weltenschicksals-Bühne,
Wo tragisch alle Herrlichkeit erlag;
Wo Cäsars Krone deutsche Kraft getragen,
Da denken der Geschichte großen Tagen,
Des eignen Volkes Ruhm wir freudig nach.

Schön sind der deutschen Eiche frische Aeste,
Die heute man um Schillers Bild verzweigt;
Wir fügen einen Schmuck zu seinem Feste,
Den uns für ihn die hohe Roma reicht;
Den Kranz, den nur das Göttliche errungen,
Den Lorbeer, der, auf Trümmerstaub entsprungen,
Aus Heldengrüften still zum Himmel steigt.

So schmückt auf's neu ihn mit des Heros Kranze!
Sein hoher Genius kann nicht vergehn,
Er muß in immer heller'm Stralenglanze
Auf alle Trümmer siegreich niedersehn.
Und ewig wird er sich der Welt bemeistern!
So darf vereint mit auserwählten Geistern
Auch Er im Pantheon der Menschheit stehn.


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