Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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An Miranda.

            Wenn, Miranda, deine Seele,
    Die einst Feen hold gepflegt,
Nicht vergaß so hoher Abkunft,
    Und noch Geisterflügel regt;

Wenn zu deuten noch dein Sinn weiß
    Waldesdunkel tief und dicht,
Und die Träume wilder Rosen,
    Und was leis der Epheu spricht:

O dann eile mit den jungen
    Schwesterelfen, eile schnell;
Zu Titania's Garten ruft dich
    Dieses Liedes Ariel.

Ewige Berge stehn gegründet,
    Blau und sonnig, ernst und groß,
Halten tiefverschwiegne Täler
    In dem blütenvollen Schoß.

Durch die zauberstille Wildniß
    Deine Seele seh' ich gern
In Gedankenspielen stralen
    Wie durchs Laub den Abendstern;

Oder rauschen um die Blüten,
    Wie der Märchenvogel schwirrt,
Der mit diamantnem Flügel
    Eines Wandrers Pfad verwirrt;

Oder Träume dichten wilder
    Sinnverwirrender Magie,
Wenn die Schwermut dich umschleiert
    Der vertieften Fantasie.

Komm, Miranda, kommt ihr Schwestern,
    Weil der Julimond noch weilt;
Eh entblätternd seine Rosen
    Schnell der Sommergott enteilt.

Hier auf Asphodelenwiesen
    Könnt ihr Sträuße binden gehn,
Kränze flechten hier aus Ginster
    Und aus goldnen Labieen;

Oder auch des Südens Elfen
    Lehren euern Ringeltanz,
Wie ihn Norlands Nixen tanzen,
    Bei des Mondes falbem Glanz;

Wenn die Fichte klirrt im Nachtreif,
    Blüten schüttend, doch von Schnee,
Und der Hesperus erzitternd
    Widerstralt im schwarzen See.


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