Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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An Phyllis.

              Schon ins zehnte Jahr im Gewölbe lagert
Mir ein Krug albanischen Weines, Phyllis;
Immergrün zu Kränzen beschert der Garten
    Fülle des Efeus,

Daß mit reich durchflochtenem Haar du glänzest;
Fröhlich strahlt von Silber das Haus, der Altar,
Keusch mit Lorbeerzweigen umwunden, harrt des
    Ländlichen Opfers.

Hand ans Werk legt jeder; geschäftig eilen
Hier- und dorthin Knaben zumal und Mädchen;
Himmelan schon wirbelt die Glut den schwarzen
    Strudel des Rauches.

Doch, damit du wissest, zu welchen Freuden
Ich dich lud: wir feiern das Fest der Iden,
Das den Mond der Flutengebietrin Venus
    Teilt, den Aprilis.

Heilig ist, fast heiliger dieser Tag mir,
Als das Fest der eignen Geburt, verkündet
Doch ein neu zuströmendes Jahr sein Aufgang
    Meinem Mäcenas.

Telephus, nach dem du dich sehnst, den Jüngling
Hält – denn dir nicht war er bestimmt – ein Mädchen,
Reich und leicht von Sitten und Sinn, in süßen
    Banden gefesselt.

Brandversengt lehrt Phaëton dich, vermeßnen
Wunsch zu fliehn; Bellerophons Sturz auch mahnt dich,
Den als staubentsprossen der flügelstolze
    Pegasus abwarf,

Daß du nur dir Ziemendes suchst und niemals,
Übers Ziel mit frevelnder Hoffnung schweifend,
Was dir ungleichartig, begehrst. So komm denn,
    Letzte Geliebte,

(Denn nach dir macht nimmer ein Weib mich glühen),
Komm und sinn auf süßen Gesang und laß ihn
Seelenvoll hinströmen! Im Born des Liedes
    Löst sich der Kummer.


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