Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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An den Weinkrug.

        Der du mit mir aus Manlius' Tagen stammst,
Ob süßen Harm, ob Scherze du wecken magst,
        Ob Hader oder Liebeswahnsinn
    Oder gefälligen Schlaf, mein Weinkrug,

Von welchem Ausbruch massischer Reben auch
Du duftest, wert beim Feste kredenzt zu sein,
        Nun komm herab! Corvin zur Feier
    Ziemt es sich, milderen Wein zu spenden.

Er wird dich, ob sein Geist von sokratischer
Belehrung trieft, nicht allzu gestreng verschmähn;
        Auch Catos herbe Tugend, sagt man,
    Pflegte von lauterem Wein zu glühen.

Verschloßnem Sinne tust du, wie hart er sei,
Gelinden Zwang an, ja, du enthüllest uns,
        Wenn frei Lyäus scherzt, die Zweifel
    Und den verborgenen Rat der Weisen.

Mit Hoffnung stärkst du wieder den Zagenden
Und leihst dem Schwachen mächtiger Hörner Kraft,
        Daß ihn hinfort kein Zorn gekrönter
    Könige schreckt noch das Schwert des Söldners.

Dich lass' uns Cypris, naht sie beseligend,
Dich Bacchus und der Grazien Schwesterbund
        Bei wachem Kerzenschein nicht ausgehn,
    Bis die Gestirne verscheucht das Frührot.


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