Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Simonides von Keos.

DanaeDer argivische König Akrisios ließ, durch das Orakel vor einem Enkel gewarnt, seine Tochter Danae in ein festes Gewölbe einschließen. Aber Zeus drang als goldner Regen zu ihr, und sie gebar ihm den Perseus, den sie heimlich aufzuziehen versuchte. Als der König jedoch hievon Kunde erhielt, übergab er die Danae mit ihrem Sohne, in einer Truhe eingeschlossen, den Wellen des Meeres, von welchen sie an den Strand von Seriphos getrieben wurden. – Der Ausdruck »nachterleuchtet« bezieht sich nach Welckers Erklärung auf eine den Verurteilten mitgegebene Totenlampe.

Das Bruchstück ist von meinem Freunde Ernst Curtius und mir gemeinschaftlich übersetzt worden.

.
Aus einem Trauergesang.

        Als um den kunstgefügten Kasten nun
Der Wind erbraust' und die empörte Welle,
Da sank sie hin in Angst, betränt die Wangen,
Und schlang um Perseus' Nacken ihren Arm
Und sprach: O Kind, wie groß ist meine Qual!
Du aber atmest sanft im Schlaf und ruhst
Mit stiller Säuglingsbrust im freudelosen
Erzfesten nachterleuchteten Gehäus
Dahingestreckt in tiefe Dämmernis,
Und lässest ruhig über deinem dichten
Gelockten Haar die Flut vorüberwandeln
Und das Geheul des Sturmes,
In deinem Purpurkleid, ein lächelnd Antlitz.
Ach, ahntest du die Schrecken um dich her,
Gewiß, du lauschtest mir mit bangem Ohr.
Doch schlaf, o Kind, und schlafen soll die See
Und schlafen all das unermeßne Leid!
Du aber wandle deinen harten Sinn,
O Zeus! – Und ist ein Frevel dies Gebet,
Vergib mir, Vater, um des Kindes willen!

Lebensweisheit.

                Treu für immer verbleibt kein Gut uns Sterblichgebornen;
    Drum voll göttlichen Sinns sprach der chiotische Greis:
»Gleich wie die Blätter im Wald, so sind die Geschlechter der Menschen.«
    Aber wie wenige nur, die es mit Ohren gehört,
Wahrten im Busen das Wort! Denn jeglichen gängelt die Hoffnung,
    Männern und Knaben zugleich wurzelt sie tief in der Brust.
Blüht dem Sterblichen noch holdselig die Blume der Jugend,
    Sinnt er mit leichtem Gemüt vieles von nichtiger Art;
Nimmer des Alters gedenkt er alsdann und nimmer des Todes,
    Noch in der Fülle der Kraft ist er um Krankheit besorgt.
O leichtfertige Toren, verblendete, die da vergessen,
    Wie so beflügelten Schritts Jugend und Leben entfliehn!
Doch du präg' es dir ein, und bis du scheidend am Ziel stehst,
    Pflege mit treuem Gemüt jeglichen schönen Genuß!

Anakreons Grab.

        Reb', Alltrösterin du, mostnährende Mutter der Traube,
    Die du zu krausem Gewind üppig die Ranken verschlingst,
Hochauf blühe mir hier an Anakreons Säule, des Tejers,
    Und umspinne des Grabs locker geschütteten Staub,
Daß dem Freunde des Weins und des becherbeseligten Reigens,
    Der von Lieb' und Gesang trunken die Nächte verschwärmt,
Auch in der Gruft noch über dem Haupt vollsaftig die Traube
    Niederhange, vom Grün schwellender Blätter umhüllt,
Mit süßperlendem Tau ihn ewig zu tränken, den Alten,
    Der viel Süßeres noch weich von den Lippen gehaucht.

Skolion.

        Erstes Gut ist dem Erdensohn Gesundheit,
Zweites, schön von Gestalt einherzuwandeln,
    Und das dritte schuldloser Besitz,
Aber das vierte, hold schwärmen im Freundeskreis.

Marathon.

        Hier bei Marathon warfen, für Hellas im Kampf, die Athener
    Siegreich Mediens goldprunkendes Heer in den Staub.

Die Thermopylenkämpfer.

        Wanderer, meld' es daheim Lakedämons Bürgern: erschlagen
    Liegen wir hier, noch im Tod ihrem Gebote getreu.

Inschrift des Denkmals
für die bei Salamis gefallenen Korinther.

        Hellas, dessen Geschick auf die Schneide des Schwertes gestellt war,
    Vom barbarischen Joch rettend mit unserem Blut,
Fielen wir hier, manch bitteres Weh nachlassend den Persern,
    Wenn an der Seeschlacht Not künftig das Herz sie gemahnt.
Salamis birgt nun unser Gebein, doch die Mutter Korinthos
    Hat uns ein Denkmal hier unserer Taten gesetzt.

Sieg am Eurymedon.

        Seit das Gewoge des Meers Europa von Asien losriß
    Und wildschnaubender Krieg ihre Geschlechter entzweit,
Ward kein schönerer Sieg der hellenischen Männer erfunden
    Als sie zu Wasser ihn hier, als sie zu Land ihn erkämpft.
Denn sie erschlugen am Ufer des Stroms unzählige Meder,
    Hundert Schiffe zugleich bohrten sie nieder zur See
Samt den Phönikiern drauf. Doch Asia jammert, an beiden
    Händen gelähmt, laut auf unter dem doppelten Streich.

Auf die bei Thermopylä Gefallenen.

        Die ihr erlagt an den Thermopylen,
Im Tode gewannt ihr das herrlichste Los!
Ein Altar ist das Grab euch, Gedächtnis die Trauer
        Und die Klage Triumphlied.
Dies Heldenmal deckt nimmer das Moos
        Mit Vergessenheit zu
Noch tilgt es die Allverderberin Zeit.
Denn es wohnt ja mit euch im dunkeln Gewölb
Der Ehrenhort des Hellenengeschlechts,
Mit euch Leonidas, Spartas König,
Der das leuchtende Vorbild männlicher Tat
        Und unsterblichen Ruhm uns nachließ.

 << zurück weiter >>