Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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An Melpomene.

                Wem dein Auge, Melpomene,
Einmal Segen geblickt, als er geboren ward,
        Dem wird isthmische Ringerkunst
Siegsruhm nimmer verleihn, nimmer ein Renngespann,
        Das Olympias Bahn durchflog.
Auch als Führer des Heers wird ihn die Römerburg
        Nie, mit delischem Laub gekrönt,
Heimziehn sehn im Triumph, weil er den Übermut
        Trotz'ger Könige niederwarf.
Doch wo quellenumrauscht Tiburs Gefilde grünt,
        Läßt im Schatten des Haines ihm
Sein äolisches Lied wachsenden Ruhm erblühn.
        Wagt doch schon im gebietenden
Rom ein junges Geschlecht unter den Dichtern mich
        Seinen Lieblingen anzureihn,
Und schon stumpferen Zahns greift mich der Neider an.
        O, die wonnig das goldene
Saitenspiel du beseelst, Göttin Pierias,
        Die Macht hätte, des Ozeans
Stummen Fischen sogar Schwanengesang zu leihn,
        Dir nur dank' ich es, Himmlische,
Daß mit Fingern auf mich als den Erwecker der
        Römerleier die Menge zeigt.
Was im Lied mir gelang, wenn es gelang, ist dein.

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