Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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Publius Ovidius Naso.

Die Neujahrsfeier.
(An Germanikus.)

        Sieh, ein gesegnetes Jahr, Germanikus, bietet dir Janus;
    An des Gesangs Eingang grüßt er, der erste, dich hier.
Janus, des sacht hingleitenden Jahrs zwiehäuptiger Vater,
    Einziger, der im Olymp vor sich und hinter sich schaut,
Sende den Feldherrn Heil, die, mühvoll ringend im Kampfe,
    Ruhe dem Land für die Frucht schufen und Ruhe dem Meer.
Heil auch spende den Vätern der Stadt und dem Volk des Quirinus!
    Deines Tempels Verschluß öffne mit gnädigem Wink!
Segen verheißend erhebt sich das Licht. Mit Wort und Gesinnung
    Feiert! Am glücklichen Tag ziemt sich ein glücklicher Spruch.
Hader verschone das Ohr, es verstumme der lärmende Rechtsstreit,
    Laß vom gehässigen Werk, neidische Zunge, für heut.
Sieh, wie der Himmel umher sich rötet von duftenden Feuern!
    Knisternder Weihrauch sprüht auf den Altären empor;
Um das vergoldete Tempelgesims spielt flackernder Glutschein
    Und in zitterndes Licht stehn die Gewölbe getaucht.
Zur Tarpejischen Burg schon strömt in weißen Gewändern,
    Dicht sich scharend, das Volk, festlich zum Feste geschmückt.
Neue Liktoren eröffnen den Zug, neu schimmert der Purpur,
    Neuer Würden Gewicht spürt der kurulische Stuhl.
Stiere, vom saftigen Halme genährt der faliscischen Weide,
    Nie vom Pfluge berührt, bieten zum Opfer den Hals.
Ja, blickt Jupiter heut von der himmlischen Burg auf den Erdkreis,
    Nichts als Römergebiet schaut er, der Lenker des Alls.
Sei denn gegrüßt, o Fest, und herrlicher kehr' uns zurück stets,
    Vom weltherrschenden Volk würdig gefeiert zu sein.

Auf den Tod des Tibullus.

        Wenn um Memnon die Mutter, die Mutter geweint um Achilles,
    Und solch herbes Geschick selbst die Unsterblichen beugt,
Löse denn schmucklos heut, Elegie, zur Klage die Locken,
    Ach, und in schmerzlicher Pflicht zeige des Namens dich wert.
Denn er, den du geliebt, dein Ruhm, dein Priester, Tibullus,
    Hier, ein entseeltes Gebild, liegt er den Flammen ein Raub.
Siehe, den Köcher zur Erde gekehrt, naht Cyprias Knabe,
    Kläglich die Fackel verlöscht, Bogen und Pfeile zerknickt.
Schau, wie bekümmert er schleicht, langsam, mit hängenden Flügeln,
    Wie mit verzweifelnder Hand wild er die Brust sich zerschlägt.
Feucht von Tränen umfliegt die verworrene Locke den Nacken,
    Und ein gebrochener Laut ringt sich vom bebenden Mund.
So einst, meldet das Lied, bei des Bruders Äneas Bestattung,
    Schritt er aus deinem Gemach, schöner Iulus, hervor.
Auch Cytherea verging um Tibull vor Schrecken, wie damals,
    Als den Adonis ihr gräßlich der Eber zerfleischt.
Und doch nennt man uns Sänger geweiht und geliebt von den Göttern,
    Ja, ein olympischer Hauch, sagen sie, sei uns beschert.
Aber umsonst! So heilig ist nichts, daß der Tod es verschonte.
    Gierig mit finsterer Hand rafft er uns alle hinweg.
Orpheus' herbes Geschick, nicht wandten es Vater und Mutter,
    Noch der Gesang, dem zahm fleckige Panther gelauscht,
Ach, und um Linus, den Sohn, um Linus durch die Gebirgshöh'n,
    Durch die Wälder umsonst klagte die Leier Apolls.
Nenn' ich Homer? Wohl strömte von ihm auf die Lippen der Dichter
    Nimmer versiegend ein Quell hehrer Begeisterung aus,
Doch es verschlang auch ihn unerbittlich die Nacht des Avernus;
    Aus den Flammen der Gruft schwang sich allein der Gesang,
Nun lebt ewig im Liede der Ruhm der eroberten Troja,
    Ewig Penelopes nie fertiges Schleiergeweb.
So wird Nemesis auch, so Delia künftig genannt sein,
    Die er zuerst sich erwählt, die er im Tod noch geliebt.
Weh, was frommen die Weihen euch nun und die Zimbeln der Isis?
    Oder, daß ihr am Fest züchtig das Lager bewahrt?
Raubt uns die Edelsten stets das Geschick, so werd' ich im Glauben,
    Laßt es mich immer gestehn, an die Olympier irr.
Lebe gerecht und du stirbst, wie gerecht auch; opfre den Göttern,
    Und vom Opferaltar reißt in die Gruft dich der Tod;
Such' im Gesang dein Heil; hier liegt – o schau es – Tibullus,
    Nur was die Urne beschließt, blieb von dem Hohen uns nach.
Hat es die Flamme gewagt, dein ruhendes Haupt zu versehren,
    Wich sie nicht scheu vor dir, heiliger Sänger, zurück:
Wahrlich was hindert sie dann, die vermessene, daß sie der Götter
    Goldene Tempel nicht auch frevelnd in Asche begräbt?
Und doch tröstlicher war's, als hätte Phäaciens Eiland
    Mit unwürdigem Staub fern dich, den Fremdling, bedeckt;
Schloß doch dem Sterbenden hier im Verlöschen das Auge die Mutter,
    Und ihr letztes Geschenk brachte der Asche sie dar,
Eilte die Schwester doch her, in die Klage der jammernden Greisin
    Einzustimmen; verstört kam sie, mit fliegendem Haar.
Nemesis auch, mit den Deinen vereint, und die Jugendgeliebte
    Küßten dich weinend, und treu sind sie der Leiche gefolgt.
Reineres Glück hab' ich dir gebracht, rief Delia scheidend,
    Ach, du lebtest, solang' zärtlich für mich du geglüht!
Nemesis schluchzte darauf: Was rühmst du dich meines Verlustes?
    Mir im Tode zuletzt hat er die Hand noch gedrückt.
Aber besteht von den Toten noch mehr als Schatten und Name,
    O dann wandelt Tibull jetzt in Elysiums Hain.
Komm ihm entgegen, die blühende Stirn umwunden mit Efeu,
    Traulich an Calvus gelehnt, grüß' ihn, beredter Catull!
Du auch Gallus, dafern sie dich falsch des Verrates bezüchtigt,
    Der du Leben und Blut allzu entschlossen verströmt!
Ihrer Erscheinung gesellt, – wenn ein Bild noch haftet am Schatten –
    Wallst du nun, sanfter Tibull, unter den Seligen hin.
Möge denn süß dein Staub ausruhen in sicherer Urne,
    Also fleh' ich, und leicht decke die Erde dich zu!

Der Tod der Fabier.

        Faunus, dem ländlichen, dampft der Altar an den Iden des Hornung,
    Wo sich, die Arme des Stroms teilend, die Insel erhebt.
Dies ist der Unglückstag, da einst vor Veji die dreimal
    Hundert und dreimal zween Fabier blieben im Kampf.
Ein Haus hatte begehrt, für die Ehre der Stadt und die Kriegslast
    Einzustehn, und zum Schwert griff das gesamte Geschlecht.
Aus der Familienburg rückt stattlich die adlige Freischar,
    Jeglicher Streiter im Glied würdig, ein Führer zu sein.
Rechtshin ziehn sie, dem Janus zunächst, durchs Tor der Carmenta.
    (Meide den Bogen! Ein Fluch, Wanderer, haftet aus ihm!)
Als sie im Eilschritt drauf an der Cremera Strudel gekommen –
    Winterlich trüb' im Fluß brausten die Wasser dahin –
Schlagen ein Lager sie dort und, das Schwert dann zückend, gewaltsam
    Brechen sie mitten hinein in das tyrrhenische Heer,
Wie wohl hungrige Leun von Libyens Felsengebirge
    Über die Herden des Tals fallen im Weidegefild.
Rasch ist die Schar der Vejenter zersprengt; Schmachwunden im Rücken,
    Fliehn sie und färben den Grund rot mit etruskischem Blut,
Also erliegen sie wieder und oftmals. Endlich am offnen
    Siege verzweifelnd, verschmitzt rüsten sie Waffen der List.
Wo sich ein Blachfeld dehnt, von waldigen Hügeln umschlossen,
    Die manch sichern Versteck bieten dem Wild des Gebirgs,
Dort bleibt draußen ein Häuflein zurück samt etlichen Rindern,
    Aber im dichten Gebüsch lauert die übrige Schar.
Sieh, und wie sich ein Bach, vom strömenden Regen geschwollen
    Oder vom Schnee, den lau säuselnde Weste gelöst,
Über die Felder und Straßen ergießt und nimmer im alten
    Festumuferten Bett seine Gewässer beschließt,
So durchs Tal hinstürmen die Fabier, weit sich zerstreuend;
    Sicher gemacht durch den Schein, denken sie keiner Gefahr.
Adlige Streiter, wohin? Zu sorglos traut ihr dem Feinde!
    Ritterlich freudiger Mut, fürchte den tückischen Pfeil!
Tapferkeit fällt durch List; ringsher in die offenen Felder
    Bricht urplötzlich der Feind, alles umzingelnd, hervor.
Was sind wider ein Heer von Tausenden wenige Helden?
    Wo im Drange der Not bleibt den Verlornen ein Hort?
Gleich wie der Eber, gehetzt in Laurentums wildem Gebirgsforst,
    Mit weißblitzendem Zahn hauend die Meute zerfleischt,
Doch dann selber erliegt, so fallen sie, grause Vergeltung
    Übend und Streich um Streich säen und ernten sie Tod.
Ein Tag hatte zum Kampfe die Fabier alle berufen,
    Alle verdarb ein Tag, wie sie dem Rufe gefolgt.
Doch daß in Herkules' Haus nicht ganz ausstürbe der Same,
    Sichtbar hatten darob, mein' ich, die Götter gewacht.
Denn ein Knabe, zu jung noch und zart zum Dienste der Waffen,
    Blieb vom Fabierstamm, einer von allen, verschont,
Blieb's, auf daß uns dereinst du, Maximus, könntest erstehen,
    Durch dein Zaudern der Stadt Rettung zu schaffen und Heil.

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