Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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Die Verklärung des RomulusDies ganz nach Pindarischer Weise entworfene und ausgeführte Gedicht feiert unter dem Bilde einer Prophezeiung der Juno auf das Geschlecht des Romulus (Quirinus) den Sieg Augusts über Antonius, der sich mit dem Gedanken getragen hatte, ein oströmisches Reich mit der Hauptstadt Troja auszurufen..

        Wer treu sich selbst im Dienste der Pflicht beharrt,
Dem wird Gesetzbruch heischende Pöbelwut,
        Dem wird des Zwingherrn finstrer Drohblick
    Nie den gelassenen Mut erschüttern,

Noch auch der Sturm, der Adrias Brandungen
Aufrührt, noch Zeus' blitzschleudernder Götterarm;
        Der Himmel, stürzt' er ein, begrübe
    Unter den Trümmern den Unverzagten.

Um solchen Hochsinn ging der Alkmene Sohn,
Ging Pollux einst zur strahlenden Götterburg,
        Zu welchen hingelehnt August einst
    Nektar mit purpurner Lippe kostet;

Um ihn, o Bacchus, zog dich, ins Joch gebeugt,
Dein Tigerpaar mit sträubendem Hals, um ihn
        Entführten dich, Quirin, den Orkus
    Meidend, die Rosse des Mars nach oben.

Da war's, daß Juno gnädig im Götterrat
Dies Wort des Heils sprach: Ilion, Ilion
        Sank um die Schuld des zuchtvergeßnen
    Richters in Staub und des fremden Kebsweibs,

Die Stadt, die, seit mit Göttern LaomedonLaomedon, Priamus' Vater, dem Apoll und Poseidon die Ringmauern von Ilion erbauten, verweigerte diesen nach vollendeter Arbeit den bedungenen Lohn.
Sein täuschend Spiel trieb, stets mir ein Greuel war,
        Mir und der nie berührten Pallas,
    Samt dem verrätrischen Volk und König.

Nun prunkt nicht mehr der spartischen Dirne Gast
Mit seiner Schmach, noch wehrt von des Priamus
        Meineid'gem Haus den Sturmesangriff
    Kühner Achäer die Kraft des Hektor.

Der Krieg, hinausgezögert durch Götterzwist,
Hat ausgetobt. So tilg' ich den alten Groll
        Und schenk' aufs neu' den einst gehaßten
    Enkel, der ilischen Rhea Sprößling,

Dem Mars zurück. Nicht länger verwehr' ich ihm
In unsres Lichtreichs Wohnungen einzugehn
        Und, Nektar schlürfend, bei den sel'gen
    Göttern ein seliger Gott zu wohnen.

Solange zwischen Ilions Höhn und Rom
Das weite Meer braust, herrsche, wohin er auch
        Auszog, beglückt sein Stamm, und während
    Drüben auf Priamus' Grab und Paris'

Die Herde grast und ohne Gefahr das Wild
Die junge Brut birgt, rag in Triumphgepräng
        Das Kapitol und Rom verleihe
    Recht und Gesetz dem bezwungnen Meder.

Ehrfurcht gebietend schall' am entferntesten
Gestad sein Name, wo uns die Mittelsee
        Vom Afrer trennt und wo des Nilus
    Schwellender Strom das Gefild befruchtet.

Ja, zu des Erdrunds Grenzen den Siegeszug
Vollend' es, froh stets neuer Entdeckungsfahrt,
        Sei's, wo der Himmel Flammen regnet,
    Oder im Nebel und Taugeriesel.

Doch solches Heil weissag' ich den tapferen
Quiriten nur, dafern sie nicht allzu fromm,
        Nicht allzu sicher Trojas Feste
    Wieder erbaun, der verhaßten Ahnin.

Verjüngt sich Troja wider der Sterne Lauf,
Dann bricht aufs neu' ihr grauses Geschick herein,
        Dann führ' ich selbst die Siegesscharen,
    Ich, die Gemahlin des Zeus und Schwester.

Und türmte dreimal Phöbus die eherne
Ringmauer: dreimal wieder zermalmte mein
        Argivisch Heer sie, dreimal weint' um
    Söhn' und Gemahl die gefangne Gattin.

Doch nicht geziemt der scherzenden Leier dies!
Was wagst du, Muse? Woll, o Vermessene,
        Nicht länger, Göttersprüche kündend,
    Hohes durch niederen Flug herabziehn!


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