Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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Theognis von Megara.

An Phöbos.

        Phöbos, Sprosse des Zeus, Sohn Letos, nimmer im Anfang
    Laß mich und nimmer am Schluß deiner vergessen im Lied;
Sondern zuerst und zuletzt und inmitten will ich dich preisen,
    Doch du neige das Ohr, Herr, und gewähre mir Heil!

Die Geburt des Apollo.

        Als dich, Herrscher Apoll, dort unter dem wipfelnden Palmbaum,
    Den sie mit Armen umschlang, Leto, die Hehre, gebar,
Dort am Auge des Sees, dich aller Unsterblichen Schönsten,
    Ward von ambrosischem Duft Delos' geheiligtes Rund
Bis an die Ufer erfüllt, und es lachten umher die Gefilde,
    Und es erglänzte vor Lust blauer die Tiefe des Meers.

Der Gesang der Musen.

        Musen und Grazien ihr, Zeus' Töchter, als ihr zu Kadmos'
    Hochzeitsfeier erschient, sangt ihr ein herrliches Lied:
»Was da schön ist, ist lieb, was nicht schön aber, ist unlieb,«
    Also scholl der Gesang euch vom unsterblichen Mund.

An Kypris.

        Stille der Sehnsucht Qual und beschwichte den Kummer, o Göttin,
    Der mir die Seele verzehrt, gib mich der Freude zurück!
Endlich sei es der Stürme genug und in heiterer Fassung
    Lehr' mich das heilige Maß üben, zum Manne gereift.

Begegnung am Brunnen.

        Nicht mehr schmeckt mir der Wein, seitdem sie das zierliche Mädchen
    Mir an den anderen Mann, an den geringern, vermählt;
Kann sie die Eltern doch nur mit Wasser bewirten und oftmals,
    Wenn sie vom Brunnen es holt, meiner gedenkt sie und weint.
Siehe, da legt' ich den Arm um das Kind und küßt' ihr den Nacken,
    Und ein verstohlenes Wort flüsterte zärtlich ihr Mund:
»O wie hass' ich den Argen um dich! Denn immer noch heimlich
    Fliegt mein törichtes Herz dir wie ein Vögelchen zu.«

Gesellschaftsregel.

        Nötige nie beim Feste den Gast, ungern zu verweilen,
    Noch auch mahn' ihn zu gehn, eh' es ihm selber gefällt.
Auch wenn einer der Zecher vielleicht, vom Weine gepanzert,
    Sanft in Schlummer verfiel, wecke den Schläfer nicht auf;
Noch verweise, bevor er es wünscht, aufs Lager den Muntren;
    Denn im tiefsten Gemüt ärgert uns jeglicher Zwang.
Aber dem Durstigen sei stets nah mit dem Kruge der Mundschenk;
    Nicht allnächtlich wie heut, ist ihm zu schwärmen vergönnt.

An Kyrnos.

        Keiner bereitet sich selbst von den Sterblichen Segen und Unheil,
    Sondern die Götter, o Freund, sind es, die beides verleihn.
Was auch immer der Mensch anstrebt: nie weiß er im Herzen,
    Ob es zu freudigem Ziel, ob es zu trübem gerät.
Mancher bereits sann Übles zu tun, und es führte zum Heile,
    Manchem, der Edles gewollt, schlug zum Verderben es aus.
Auch nicht einem gelingt sein Vorsatz, wie er begehrte,
    Weil ihm die Kraft ausgeht, weil ihn die Schranke befängt.
Sterbliche sind wir und streben umsonst und wandeln in Blindheit;
    Doch, wie es ihnen gefällt, fügen die Götter den Schluß.

Pflicht des Sängers.

        Nimmer geziemt sich's traun für den Priester und Boten der Musen,
    Daß er der Weisheit Schatz neidisch verschließ' in der Brust,
Sondern er reif' ihn aus im Gedicht und zeig' und bewähr' ihn;
    Soll kein andrer sich dran freuen, was frommt der Besitz?

In der Verbannung.

        Hör' ich den schrillenden Ruf des fernher ziehenden Kranichs,
    Welcher, ein Bote der Saat, jährlich im Herbst uns erscheint,
Trifft es mich jetzt wie ein Schlag und im düsteren Herzen gedenk' ich,
    Wie mir der Fremde daheim waltet im reichen Gefild,
Ach, und die Mäuler für mich nicht mehr hinziehen die Pflugschar,
    Seit mich das Unglücksschiff in die Verbannung entführt.

Hoffnung.

        Einzig die Hoffnung blieb von den Himmlischen unter den Menschen,
    Zu den olympischen Höhn kehrten die übrigen heim.
Treue, die mächtige Göttin, entwich, es entwich die gestrenge
    Zucht, und die Grazien, Freund, suchst du auf Erden umsonst.
Nicht mehr gelten im Volk als heilig die teuersten Eide
    Und der Unsterblichen denkt keiner und ehrt sie mit Scheu;
Sondern der Frommen Geschlecht starb aus und weder des Rechtes
    Satzungen achten sie mehr noch den geheiligten Brauch.
Aber solange du lebst und das Licht noch schauest der Sonne,
    Klammre mit treuem Gemüt fest an die Hoffnung dich an,
Und wann unter Gebet süßduftendes Opfer du zündest,
    Sei es zuerst und zuletzt immer der Hoffnung geweiht.

Heimweh.

        Wohl begrüßt' ich dereinst Siziliens prangende Fluren
    Und des Euböergestads üppiges Traubengefild,
Sparta sah ich, die glänzende Stadt am beschilften Eurotas,
    Und wohin ich auch kam, ehrten sie freundlich den Gast.
Aber die Sehnsucht nicht in der Brust mir konnt' es beschwichten,
    So vor jeglichem Land war mir das heimische süß.

Rachegelübde.

        Höre mich, Zeus im Olymp, ich erflehe ja nur, was gerecht ist:
    Endlich für so viel Leid gib zum Ersatz mir ein Glück!
Laß mich sterben, dafern von den drückenden Sorgen ich nimmer
    Ausruhn soll und Verlust ewig sich reiht an Verlust.
Doch so scheint es bestimmt; nie soll ich die Frevler bestraft sehn,
    Die mit schnöder Gewalt, was ich besaß, mir geraubt
Und nun schwelgen, indessen ich selbst auf dem Strom des Verderbens
    Elend und nackt, wie ein Hund, nur mit dem Leben entrann.
Dürft' ich ihr Herzblut schlürfen! Und führt' ein vergeltender Dämon,
    Wie mein Sinn es begehrt, endlich herauf das Gericht!

Trotz.

        Niemals werd' ich den Nacken ins Joch hinbeugen den Feinden,
    Hing' auch das Tmolosgebirg dräuend mir über dem Haupt;
Freilich verzehrt sich das Herz dem Gewalttat leidenden Manne,
    Aber es wächst ihm neu, wenn die Vergeltung sich naht.

Nach der Rückkehr.

        Mahne mich nicht an den Graus! Ich erfuhr das Geschick des Odysseus,
    Der in den Hades hinabwandert' und, wiedergekehrt,
Dann die Freier erwürgt' in unbarmherzigem Zorne,
    Seiner Penelope nur denkend, des treuen Gemahls,
Die ja seiner so sehnsüchtig geharrt mit dem Sohne,
    Bis er dem heimischen Herd endlich ein Rächer erschien.

Neubau des Staates.

        Streng nach der Schnur einhalt' ich den Weg und weiche nach keiner
    Seite, denn jegliches Recht gilt's zu erwägen im Sinn;
Weder dem Pöbel geneigt, noch vom Rat abhängig der Zwingherrn,
    Möcht' ich der Heimatstadt Frieden, der hehren, verleihn.

Beim Herannahen der Perser.

        Herrscher Apoll, du türmtest ja selbst der megarischen Feste
    Zinnen dem Pelopssohn einst, dem Alkathoos, auf;
Wehre denn selbst nun auch von der Stadt die Geschwader der wilden
    Meder zurück, auf daß froh, wie es Brauch ist, das Volk
Dir im erwachenden Lenz darbringe die Festhekatomben
    Und sich des Zithergetöns freu' und des wonnigen Mahls
Und beim Reigengesang aufjauchz' um deinen Altar her.
    Denn es befällt mich ein Graun, seh' ich in tödlichem Haß
Also blind die Hellenen entzweit; drum halte du selber
    Gnädig die schirmende Hand, Phöbos, ob unserer Stadt.

Feuerzeichen.

        Schweigende Botin, ruft zu den Schrecken des Krieges die Flamme,
    Die von des Turms fernher strahlender Warte sich hebt.
Auf denn und werfet den Zaum um die schnell hinstürmenden Rosse!
    Denn die Geschwader des Feinds gilt es im Feld zu bestehn.
Nah schon dräun sie heran und, die Fahrt vollendend, im Umsehn
    Werden zur Stelle sie sein, oder es täuscht mich ein Gott.

Gnomen.

          Reichtum wünsch' ich mir nicht, noch erfleh' ich ihn; aber ich möchte
    Froh bei wenigem sein, Freund, und den Sorgen entrückt.
*
Kein kostbarerer Schatz, als Vater und Mutter zu haben,
    Welche dem heiligen Recht immer die Treue bewahrt.
*
Hüte dich wohl vor vermessenem Wort! Von den Sterblichen keiner
    Weiß, was heute die Nacht, morgen der Tag ihm beschert.
*
Viele gesellen sich dir beim Becher als traute Genossen,
    Doch zu entschlossener Tat bleiben dir wenige treu.
*
Selbst nicht der Leu schwelgt immer in Fleischkost, sondern die strenge
    Not, die Bezwingerin, macht auch den Gewaltigen zahm.
*
Rüttle du nie am glücklichen Los, Abwechselung heischend,
    Doch beim schlimmen versuch', ob du es wendest zum Heil.
*
Der dem vergeßlichen Volk einst Burg und schützender Turm war,
    Wenig Ehre zum Dank erntet der Edle dafür.
*
Weder verhilf zur Macht dem Gewaltherrn, weil du Gewinn hoffst,
    Noch in Verschwörungen laß, ihn zu verderben, dich ein.
*
Recke das Ohr nicht stets nach der schallenden Stimme des Herolds!
    Nicht für den heimischen Herd ruft er uns heute zum Kampf.
*
Dies wird besser dem einen, dem anderen jenes gelingen,
    Doch kein Sterblicher ist tüchtig für alles zugleich.
*
Neben den Weinenden laß uns nie hinsitzen und lachen,
    Nur von des eigenen Glücks leichten Gedanken erfüllt.
*
Nimmer vermag ich, o Herz, dir alles nach Wunsch zu gewähren;
    Dulde dich, dir nicht allein ward nach dem Schönen der Durst.

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