Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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An Dellius.

        Mit ruh'gem Gleichmut wappne die Seele dir
Am Tag des Unheils, aber am glücklichen
        Den ausgelaßnen Rausch der Lust auch
    Mäßige, Dellius. Denn du stirbst einst,

Ob stets in Sorg' und Qual du dahingelebt,
Ob fern vom Weltlärm, müßig ins Gras gestreckt,
        In ew'gem Festtag du die Stunden
    Heiter verschwärmt beim Falernerausbruch.

Wo ihr Gezweig hochstämmige Pinien
Und Silberpappeln wirtlich zum Schattendach
        Zusammenwölben und im Sturzbach
    Blinkend die flüchtige Well' herabschießt,

Dort laß dir Wein hinschaffen und Nardenduft,
Und eh' sie welken, kränze mit Rosen dich,
        Solang' es Glückstand noch und Alter
    Dir und der Parze Gespinst verstatten.

Du mußt die Forsten, die du zusammenkaufst,
Mußt Haus und Gartenhallen am Tiberstrand
        Zu bald nur räumen, und die Schätze,
    Die du gespeichert, verpraßt ein Erbe.

Sei reich und stamm aus Inachus' Königsblut,
Sei arm und hab', im niedersten Volk erzeugt,
        Kein Dach, als nur den Himmel: gleich ist's,
    Nimmer entrinnst du dem strengen Orkus.

Dort winkt das Ziel uns allen, uns allen springt,
Der Urn' entschüttelt, jedem zu seiner Zeit,
        Das Los hervor und heischt zum Kahn uns,
    Der die für ewig Verbannten aufnimmt.


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