Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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Solon von Athen.

Der Gesetzgeber.

        So viel Teil an der Macht, als genug ist, gab ich dem Volke,
    Nahm an Berechtigung ihm nichts, noch gewährt' ich zu viel.
Für die Gewaltigen auch und die reicher Begüterten sorgt' ich,
    Daß man ihr Ansehn nicht schädige wider Gebühr.
Also stand ich mit mächtigem Schild und schützte sie beide,
    Doch vor beiden zugleich schützt' ich das heilige Recht.

An die Athener wider Pisistratus.

        Wenn ihr Schweres erfuhrt durch eigene Schuld und Verkehrtheit,
    Klagt um euer Geschick nicht die Unsterblichen an,
Selbst ja zogt ihr sie groß und machtet sie stark, die Tyrannen,
    Und nun seufzt ihr dafür unter dem schmählichen Joch.
Einzeln zwar geht jeder von euch auf der Fährte des Fuchses,
    Aber sobald ihr gesamt handelt, verläßt euch der Sinn;
Denn ihr traut auf die Rede des Manns und die schillernden Worte,
    Doch blind seid ihr für das, was euch vor Augen geschieht.

Die Jahreswochen.

              Wann unmündig und klein noch das Kind ist, wirft es der Zähne
    Reihen im Wechsel zuerst ab bis ins siebente Jahr;
Doch vollendet darauf nachfolgende Sieben ein Gott ihm,
    Geben die Zeichen alsbald reifender Jugend sich kund.
Dann in den dritten umsäumt, wie der Wuchs vollendet hervortritt,
    Flaum sein Kinn und der Reiz wechselnder Farben erblüht.
Schließt sich zum vierten die Woche, so fühlt auf dem Gipfel der Kraft sich
    Jeglicher Mann und es scheint rühmliche Tat ihm verbürgt.
Doch in der fünften geziemt es ihm wohl, der Vermählung zu denken,
    Für zukünftige Zeit zeug' er ein blühend Geschlecht.
Drauf in der sechsten erstarkt sein Geist zu besonnener Klarheit
    Und nach vergeblichem Ziel hat er zu trachten verlernt,
Vierzehn Jahre hindurch in der siebenten dann und der achten
    Woche durch kundigen Rat herrscht er und Redegewalt.
Auch in der neunten vermag er noch manches, doch fühlt er ermattend,
    Daß zu gewichtiger Tat Kraft und Entschluß ihm gebricht.
Aber erfüllt ihm ein Gott zum zehenten Male die Sieben,
    Mag dem Gereiften mit Fug nahen das Todesgeschick.

Ausgleichung.

        Oft zwar ist die Gemeinheit reich und es darben die Edlen,
    Doch wir gäben im Tausch nimmer für ihren Besitz
Unsre Gesinnung dahin; denn ewiglich bleibt sie ein Schatz uns,
    Aber das irdische Gut wechselt beständig den Herrn.

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