Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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Erstes Buch.
Griechische Lyriker.

 

Kallinos der Ephesier.

Kriegsruf.

        Bis wann zaudert ihr noch? Wann faßt ihr entschlossen ein Herz euch,
    Jünglinge? Schämt ihr euch nicht vor den Bewohnern des Gaus,
Daß ihr, die Händ' im Schoß, als säßet ihr mitten im Frieden,
    Träg' hindämmert und rings wütet im Lande der Krieg?
Auf, in den Kampf und werft vor die Brust die gebuckelte Tartsche!
    Noch mit sterbender Hand schleudert das letzte Geschoß!
Denn das ehrt und verherrlicht den Mann, für den Boden der Heimat
    Fechtend, für Weib und Kind mutig den Feind zu bestehn.
Einmal kommt ja der Tod für jeglichen, wann es das Schicksal
    Immer verhängt. Gradaus stürme denn jeder voran,
Hoch den geschwungenen Speer und das tapfere Herz an den Schildrand
    Drängend, sobald im Gewühl Mann sich begegnet mit Mann!
Denn dem Todesgeschick zu entgehn ward keinem beschieden,
    Wär' er dem Stamme sogar ewiger Götter entsproßt.
Mancher freilich entflieht der Gefahr und dem Sausen der Lanzen,
    Und am eigenen Herd rafft ihn die Möre dahin;
Aber um ihn nicht trauert die Stadt, noch wünscht sie zurück ihn,
    Doch den Erschlagnen beklagt jeglicher, hoch und gering!
Denn es ergreift sie zusamt nach dem tapferen Helden die Sehnsucht,
    Fiel er, und halbgottgleich wird er im Leben geehrt.
Wie ein gewaltiger Turm vorschwebt er den Augen des Volkes,
Denn für viele zu stehn war er, der eine, genug.

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