Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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An Virgilius.

        O, wie wüßte von Scham oder von Maß der Schmerz
Um solch teueres Haupt! Hilf, o Melpomene,
Hilf mir klagen du selbst, der das erschütternde
        Lied zur Harfe der Vater gab.

Also unser Quintil schlummert den Todesschlaf?
Wann wird stilles Verdienst, wann die Gerechtigkeit,
Reinster Treue vermählt, jeglicher Lüge fremd,
        Seinesgleichen auf Erden sehn!

Mancher Edle beweint heiß den Entrissenen,
Heißer keiner als du, trauter Virgilius;
Ach, dein frommes Gelübd', das von den Himmlischen
        Andres bat, es erweckt ihn nicht.

Ob noch süßer, als einst Orpheus, der Thrazier,
Du den horchenden Wald locktest mit Saitenspiel:
Nie kehrt warmes Geblüt wieder dem Schattenbild,
        Das mit winkendem Stab einmal

Taub für jedes Gebet wider des Schicksals Schluß
Seiner stygischen Schar Hermes hinzugesellt.
Hart ist's. Lern in Geduld männlich ertragen, Freund,
        Was zu ändern ein Gott verwehrt.


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