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XVIII. Kapitel

Fiorsens Schlafzimmer war – wie das Stubenmädchen sagte – ein wahrer Schweinestall, wenn er es jeden Morgen verließ und man es dann wieder in Ordnung bringen mußte. Er hatte ein eigenes Talent für Unordnung, so daß der Raum stets aussah, als hätten dort drei Männer statt eines einzigen übernachtet. Kleider und Schuhe, Bürsten, Wassergläser, Zeitungen, französische Romane und Zigarettenstummel lagen herum, – nichts war, wo es hingehörte, und der muffige Rauchgeruch zahlreicher Zigaretten widerte sie an, wenn sie ihm Tee und Rasierwasser bringen mußte.

Als das Mädchen an jenem Morgen Rosek zu ihm hinaufführte, lag er seit langem auf dem Rücken, betrachtete träumerisch den Zigarettenrauch und vier Fliegen, die in den durchs grüne Rouleau sickernden Sonnenstrahlen tanzten. Die Stunde vor dem Aufstehen war für ihn eine schöpferische, da konnte er musikalische Formen sehen, Inspirationen für ihre Wiedergabe empfinden. In der letzten Zeit war er stumpf und träge gewesen, – heute jedoch fühlte er das Regen der Phantasie, den vibrierenden, halbträumenden Zustand, da das Gefühl eine Form findet und der Geist zu neuen Ausdrücken durchdringt. Als er das Klopfen des Mädchens, ihr geflüstertes: »Graf Rosek wünscht Sie zu sprechen, Herr« hörte, dachte er: Was, zum Teufel, will er denn?! … Eine groß angelegte Natur, die ohne Kontrolle zum Kontakt mit einer kleinlicheren, entschlosseneren hingezogen wird, ist häufig triebhaft gereizt.

Er kam wohl in Geldangelegenheiten oder – wegen des Mädchens. Wenn es doch tot wäre, das weiche, anschmiegende Geschöpf. Ein Baby! Gott, was war er doch für ein Narr gewesen! Erst Gyp, dann sie. Er hatte versucht, das Mädchen abzuschütteln, doch ebenso leicht konnte man eine Klette loswerden. Wie sie sich an ihn klammerte! Er war geduldig gewesen – ja, geduldig und gütig, doch die Sache weiterzuschleppen, wenn man sie satt hatte! Er wollte nur Gyp, nur seine eigene Frau! Und jetzt, da er für ein paar Stunden die Sorgen abgeworfen, sich wieder einmal glücklich gefühlt hatte, da muß dieser Mensch kommen, mit seinem Sphinxgesicht vor ihn treten! »Nun, Paul, setz dich. Was bringst du Schlechtes?«

Rosek zündete eine Zigarette an. Selbst Fiorsen fiel seine tiefernste Blässe auf.

»Du mußt dich vor Herrn Wagge in acht nehmen, Gustav, er war gestern bei mir. Der Mann hat keine Musik im Leibe!«

Fiorsen setzte sich auf. »Der Teufel hol' Herrn Wagge. Was kann er mir anhaben?«

»Ich bin kein Advokat, doch kann ich mir denken, daß die Sache unangenehm werden könnte, – das Mädchen ist sehr jung.«

Fiorsen warf ihm einen wütenden Blick zu. »Weshalb hast du mir das verwünschte Mädchen zugeführt?!«

»Das habe ich nicht getan, mein Freund.«

»Du hast es doch getan! Was wolltest du erreichen? Du tust nichts ohne Hintergedanken. Du weißt, daß du es getan hast. Sag mir, was du damit erreichen wolltest.«

»Du hörst dich gern reden, – was?!«

Fiorsen sagte heftig: »Hör mich an, ich bin fertig mit deiner Freundschaft – ich habe dich niemals richtig gekannt. Nun ist es zwischen uns zu Ende. Laß mich in Frieden.«

Rosek lächelte. »Mein Lieber, Freundschaften enden nicht auf solche Weise. Du schuldest mir tausend Pfund.«

»Ich werde sie zurückzahlen. Meine Frau wird mir das Geld leihen.«

»Oh! Hat Gyp dich so gern? Ich dachte, sie liebe nur ihre Musikstunden.«

Mit emporgezogenen Knien sich vorlehnend, zischte ihn Fiorsen an: »Hinaus mit dir! Ich werde dir deine tausend Pfund zurückzahlen.«

Noch immer lächelnd, entgegnete Rosek: »Sei kein Narr, Gustav. Mit der Geige unter dem Kinn bist du ein Mann, ohne sie – ein Kind. Bleib ruhig liegen, mein Freund, und denke an Herrn Wagge. Besser noch, du kommst zu mir, die Sache besprechen. Auf Wiedersehen bis dorthin. Beruhige dich.« Die Zigarettenasche in einen neben Fiorsens Bett stehenden Aschenbecher abstreifend, verließ er das Zimmer.

Fiorsen preßte die Hand gegen den Kopf. Alle seien sie verflucht, – der Vater, das Mädchen, Rosek, alle anderen Haifische!

Er trat auf den Korridor. Im Haus war es sehr still. Rosek schien fort – um so besser. Er rief: »Gyp!« Keine Antwort. Er ging in ihr Schlafzimmer – zarte Ordnung und Schönheit, Zyklamenduft! Er sah in den Garten hinaus. Dort am äußersten Ende war das Baby mit der dicken Frau. Gyp nirgends! Nie war sie zu Haus, wenn er sie brauchte. Wagge! Er fröstelte – ging in sein Schlafzimmer zurück, nahm aus einem verschlossenen Schrank eine Kognakflasche und trank. Das beruhigte ihn; er verschloß den Schrank wieder und kleidete sich an.

Auf dem Weg ins Musikzimmer blieb er unter den Bäumen stehen, um mit dem Baby zu spielen. Manchmal erschien es ihm als ein entzückendes kleines Geschöpf, mit den großen dunklen Augen, die so sehr denen Gyps glichen. Manchmal jedoch erweckte es in ihm Ekel; ein farbloser Fratz. Als er es an diesem Morgen betrachtete, dachte er plötzlich an jenes andere Kind, das kommen würde, und schnitt eine Grimasse. Bettys entsetztes Staunen wahrnehmend, lachte er und verfügte sich ins Musikzimmer.

Während er seine Geige stimmte, deuchte ihn Gyps Fernbleiben aus dem Musikzimmer äußerst ungerecht. Als ob ihm dieses elende Mädchen etwas bedeuten könnte! Gyp hatte ihn nie geliebt, hatte ihm niemals gegeben, was er verlangte, niemals seinen Durst gestillt. Das war der Kern der Sache. Keine andere Frau hatte ihn so behandelt, – keine seinen Durst ungestillt gelassen. Er war ihrer stets überdrüssig geworden, ehe sie ihn satt bekamen. Gyp gab ihm nichts. Hatte sie kein Herz oder war es bereits verschenkt? Was hatte Paul von ihren Musikstunden gesagt? Und plötzlich kam ihm der Gedanke, daß er nichts, gar nichts davon wußte, wohin sie ging, was sie trieb. Fast jeden Tag verließ sie für Stunden das Haus. Wohin? In die Arme eines anderen? Er fühlte körperliche Übelkeit und legte die Geige fort. Weshalb nicht? Das Aufpeitschen des Geschlechtsinstinktes, das den Schmerz der Eifersucht so entsetzlich macht, entsprach Fiorsens Charakter. Er schauderte. Dann nahm ihm die Erinnerung an Gyps vornehmen Stolz, an ihre Ehrlichkeit, vor allem aber an ihre Gleichgültigkeit seine Angst. Nein, Gyp nicht!

Er trat an einen kleinen Tisch, wo Kognak stand, und trank. Seine Nerven entspannten sich. Er begann zu üben. Er wählte einen Satz aus Brahms' Violinkonzert, spielte ihn immer wieder und wieder. Plötzlich merkte er, daß er immer die gleichen Fehler mache, gar nicht aufpasse. Die Technik dieser Musik war grausam schwer. Musikstunden? Weshalb nahm sie eigentlich welche, vergeudete damit Zeit und Geld? … Sie wird ja doch immer eine Dilettantin bleiben. Unwillkürlich hörte er zu spielen auf. War sie auch heute hingegangen? Die Lunchzeit war vorüber. Vielleicht war sie inzwischen heimgekommen.

Er ging ins Haus zurück. Keine Spur von ihr. Das Mädchen fragte, ob er essen wolle. Nein! Würde Frau Fiorsen nicht zum Essen heimkommen? Sie hätte nichts gesagt. Er betrat das Speisezimmer, aß ein Biskuit, trank einen Kognak mit Soda. Dann begab er sich in den Salon und setzte sich an Gyps Schreibtisch. Wie ordentlich! Auf dem kleinen Kalender war der heutige Tag mit einem Kreuz bezeichnet – Mittwoch! Ein zweites Kreuz bezeichnete den Freitag. Wofür? Musikstunden? Er nahm ihr Adreßbuch aus dem Fach. H... Harmost, 305 A. Marleybone-Straße, daneben die Notiz: 3 Uhr.

Drei Uhr? Das war die Stunde. Seine Augen schweiften müßig über einen kleinen farbigen Stich, der eine gründrapierte Bacchantin darstellte, die ihr Tamburin einem nackten Amor vorm Gesicht schüttelte. Dieser sah, einen winzigen Pfeil und Bogen in der Hand haltend, zu ihr auf. Er wandte das Bild um, auf der Rückseite stand in spitzer, kritzliger Schrift: »Meiner kleinen Freundin – E. H.« Fiorsen trat zum Klavier. Er öffnete es, begann zu spielen, starrte gedankenlos vor sich hin, wußte kaum, was er tat. War er eigentlich ein großer Künstler? In diesen Tagen schien es ihm oft gänzlich gleichgültig, ob er je wieder eine Geige in die Hand nehmen würde. Er hatte es satt, vor einem Meer stumpfer Gesichter zu stehen, zu sehen, wie die Idioten die dummen Hände gegeneinander schlugen. Hatte das Ewiggleiche so unendlich satt.

Er erhob sich, ging ins Speisezimmer und trank noch mehr Kognak. Gyp haßte es, wenn er soviel trank. Ja, aber dann, sie sollte auch nicht soviel fort sein – Musikstunden nehmen. Musikstunden! Fast drei Uhr. Wenn er nachsehen ginge, was sie trieb? … Hinging und sie nach Hause begleitete? Es wäre eine Aufmerksamkeit, würde sie vielleicht freuen, wäre jedenfalls besser, als hier zu warten, bis sie kam mit ihrem verschlossenen Gesicht. Er trank noch etwas Kognak, nahm dann seinen Hut und verließ das Haus.

Er schritt in der heißen Sonne dahin, und als er das Haus erreichte, schwindelte ihn. Ein Dienstmädchen öffnete die Tür.

»Ich bin Herr Fiorsen. Ist Frau Fiorsen hier?«

»Ja, Herr. Wollen Sie warten?«

Weshalb sah sie ihn so an? Ein häßliches Mädchen. Wie hassenswert sind häßliche Menschen! Nachdem das Mädchen gegangen war, öffnete er die Tür des Wartezimmers und lauschte.

Chopin! Die A-Moll-Polonaise! Gut! Konnte das Gyps Spiel sein? Sehr gut! Er trat auf den Korridor, strebte, von der Musik angezogen, weiter. Öffnete leise die Tür. Die Musik hörte auf. Er trat ein.

 

Als ihn Winton anderthalb Stunden später verließ, blieb Fiorsen weiter an der Haustür stehen. Der kognakgenährte Eifersuchtsausbruch, der ihn dazu getrieben hatte, seine Frau und den alten Monsieur Harmost zu beleidigen, war jählings verflogen, als Gyp sich auf der Straße von ihm gewandt und in eisigem Ton gesprochen hatte. Seitdem empfand er eine Angst, die mit jeder Minute stärker wurde. Wird sie ihm verzeihen? Einem Menschen, der immer dem Impuls folgt und nachher kaum weiß, was er getan oder wen er gekränkt hat, war Gyps Selbstbeherrschung rätselhaft und ein wenig unheimlich. Wohin war sie gegangen? Weshalb kam sie nicht heim? Seine Sorge glich einer Kugel, die, bergab rollend, eine immer größere Geschwindigkeit annimmt. Wenn sie nicht wiederkäme? Sie mußte ja, – das Baby war doch hier, ihr Baby! …

Zum erstenmal brachte ihm der Gedanke an das Kind ungetrübte Zufriedenheit. Er verließ die Tür und warf sich, nachdem er zur Stärkung seiner Nerven noch ein Glas Kognak getrunken hatte, im Salon auf den Diwan. Während er dort lag, dachte er, alkoholerwärmt: ich werde ein neues Blatt beginnen, das Trinken aufgeben, alles aufgeben, werde das Kind aufs Land schicken, mit Gyp nach Paris, Berlin, Wien, Rom reisen, – irgendwohin, nur fort von England, fort von ihrem Vater, von all diesen steifen, langweiligen Leuten. Sie liebt das Reisen. Ja, sie werden glücklich sein! Köstliche Nächte, köstliche Tage – eine Luft, die nicht niederdrückt und zum Trinken treibt! Wahre Inspiration, wirkliche Musik! Der scharfe Holzrauchgeruch der Pariser Straßen, die schimmernde Sauberkeit des Tiergartens, eine Serenade in einer florentinischen Gasse, Glühwürmchen in der italienischen Sommerdämmerung – an all das waren ihm berauschende Erinnerungen geblieben. Allmählich verging die durch den Kognak erzeugte Wärme, es fröstelte ihn. Er schloß die Augen, wollte schlafen, bis sie kam. Doch öffnete er sie sogleich wieder, weil er – das war für ihn nichts Ungewöhnliches mehr – mit geschlossenen Augen so abscheuliche Dinge sah, Gesichter, die sich veränderten, während er sie betrachtete, immer häßlicher und häßlicher wurden, schließlich sich in Löcher verwandelten – Löcher, abscheuliche Löcher. Verwesung, verschlungene, verkrümmte Wurzelgesichter! Entsetzlich! Wenn er die Augen öffnete, verschwanden sie stets. Wie still es war! Kein Laut kam aus dem oberen Stockwerk. Kein Hundegebell. Er wird das Baby besuchen.

Als er die Halle durchschritt, läutete es an der Haustür. Ein Telegramm! Er riß den Umschlag auf:

»Gyp und das Baby sind bei mir, Brief folgt – Winton.«

Er lachte kurz auf, schlug dem Boten die Tür vor der Nase zu und lief hinauf.

Niemand war da. Bedeutete dies, daß sie ihn wirklich verlassen hatte? Bei Gyps Bett blieb er stehen, warf sich darüber hin, vergrub das Gesicht darin und schluchzte, vom Trunk entnervt. Nie mehr zu sehen, wie sich ihre Augen schließen, nie mehr seine Lippen auf ihre Lider zu drücken! Nie mehr seine Sinne mit ihrer Schönheit durchtränken! Er schnellte empor. Sie verlieren! Lächerlich! Dieser ruhige, steife, verteufelte Engländer, ihr Vater – er hatte das Ganze inszeniert – das Baby gestohlen!

Er ging hinunter, trank etwas Kognak, wurde ruhiger. Was sollte er tun? »Brief folgt.« In die Bury-Straße gehen? Nein! Trinken! Sich unterhalten!

Er nahm seinen Hut und ging, zuerst in rasender Eile dahin, bis es ihn schwindelte. Schließlich nahm er einen Wagen und ließ sich nach einem Restaurant in Soho fahren. Er hatte seit dem Frühstück nur ein einziges Biskuit gegessen, nun bestellte er Suppe und eine Flasche des besten Chianti – nahrhaftere Dinge ekelten ihn an. Dort saß er über zwei Stunden, blaß und ergrimmt, Schweiß stand ihm auf der Stirn, bisweilen lachte und gestikulierte er, zur Belustigung oder zum Schrecken der Umsitzenden. Hätte man ihn im Restaurant nicht gekannt, er würde Verdacht erregt haben. Als gegen halb zehn der Wein ausgetrunken war, erhob er sich, legte ein Goldstück auf den Tisch und ging, ohne das Herausgeben abzuwarten.

Auf den Straßen waren bereits die Laternen angezündet, doch war das Tageslicht noch nicht ganz verschwunden. Er strebte, ein wenig taumelnd, Piccadilly zu. Eine Dirne kam vorbei, sah ihn an. Er starrte ihr ins Gesicht, schob, ohne ein Wort zu sagen, seinen Arm in den ihren. So vermochte er besser zu gehen; sie schritten zusammen weiter. Plötzlich blieb das Mädchen stehen, versuchte den Arm freizubekommen; ein erschreckter Ausdruck kam in ihr dunkeläugiges, gepudertes Gesicht. Fiorsen lachte und hielt sie fest. »Komm«, sagte er. »Du siehst meiner Frau ähnlich. Willst du was trinken?«

Das Mädchen schüttelte den Kopf, befreite seinen Arm und tauchte gleich einer Schwalbe im Gedränge unter. Fiorsen stand ganz ruhig da und lachte. Nun entschlüpfte sie ihm heute bereits zum zweitenmal. Vorübergehende blickten ihn erstaunt an. Häßliche Teufel! Mit einer Grimasse verließ er Piccadilly, ging an der St. James-Kirche vorüber, strebte der Bury-Straße zu. Sie werden ihn natürlich nicht einlassen. Doch wird er zu den Fenstern hineinsehen, zwischen den Blumentöpfen. Jählings stöhnte er laut auf – er sah in Gedanken Gyp daheim, zwischen den Blumen. Er gelangte ans andere Ende der Straße. Dort stand am Rinnstein ein Geiger und kratzte auf einer alten Violine. Fiorsen blieb stehen, um zu lauschen. Armer Teufel! »Pagliacci!« Fiorsen legte die Hand auf die Schulter des Mannes.

»Freund«, sagte er, »leih mir deine Geige. Ich bin ein berühmter Geiger, werde für dich Geld machen.«

»Vraiment, monsieur?«

»Ah! Vraiment. Voyons. Donnez – un instant – vous verrez.«

Der Geiger, zweifelnd, doch wie hypnotisiert, reichte ihm die Geige; sein dunkles Gesicht veränderte sich, als er sah, wie sie der Fremde unter das Kinn schob, die Saiten, den Bogen fingerte. Fiorsen schritt langsam die Straße entlang, suchte nach den Blumentöpfen am Fenster. Als er sie erblickte, blieb er stehen und begann zu spielen: »Che farò?« Er spielte es wundervoll auf der armseligen Geige, und der Geiger, der ihm gefolgt war, beobachtete ihn, unruhig, neidisch und dennoch bezaubert. Dieser große blonde Monsieur mit dem seltsamen Gesicht, den betrunkenen Augen, der schmalen Brust spielte wie ein Engel! Aber es ist dennoch nicht so leicht, in den Straßen dieser verwünschten Stadt Geld zu verdienen. Man konnte spielen wie vierzig Engel und trotzdem keinen Centime bekommen. Nun spielte er eine andere Melodie – sie zerrte am Herzen – très joli, tout à fait écœurant! Ah – nun kam es wie immer – ein Herr schloß das Fenster, zog die Vorhänge zu. Immer das gleiche. Geige und Bogen wurden ihm zusammen mit einigen Silbermünzen in die Hand gedrückt, und der große fremde Monsieur eilte fort, als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Der war tüchtig betrunken! …

Mit dem unbehaglichen Gefühl, in etwas ihm Unverständliches verwickelt gewesen zu sein, humpelte der lahme dunkle Geiger von dannen, durchschritt, ohne haltzumachen, zwei Straßen. Dann zählte er das Geld, das ihm Fiorsen gegeben hatte, betrachtete sorgfältig seine Geige, brummte »Bigre!« und eilte nach Hause.


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